Präambel VO (EU) 2020/1275

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates(1), insbesondere auf Artikel 219 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 227,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 der Kommission(2) wurde eine Reihe von Ausnahmen von den bestehenden Vorschriften eingeführt, um den Obst- und Gemüse- sowie den Weinsektor bei der Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu unterstützen.
(2)
Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind 2020 viele anerkannte Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen im Obst- und Gemüsesektor mit Schwierigkeiten bei der Durchführung ihrer genehmigten operationellen Programme konfrontiert. Einige der genehmigten Maßnahmen und Tätigkeiten werden 2020 nicht durchgeführt werden, sodass ein Teil der Mittel aus dem Betriebsfonds nicht ausgegeben wird. Andere anerkannte Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen ändern derzeit ihre operationellen Programme, um Maßnahmen und Tätigkeiten zur Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Obst- und Gemüsesektor, wie etwa Krisenmanagementmaßnahmen, durchzuführen. Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 wurde bereits eine gewisse Flexibilität bei der Durchführung der operationellen Programme gewährt.
(3)
Die Umsetzung der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 hat gezeigt, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind, damit anerkannte Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen ihre Betriebsfonds verwalten können, insbesondere wenn sie ihre operationellen Programme auf der Grundlage der genannten Verordnung geändert haben.
(4)
Anerkannte Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen müssen Mittel, einschließlich der finanziellen Unterstützung der Union, innerhalb des Betriebsfonds auf Maßnahmen und Tätigkeiten übertragen können, die für die Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie notwendig sind. Um anerkannten Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen diese Möglichkeit zu gewähren, muss die Obergrenze für die finanzielle Unterstützung der Union gemäß Artikel 34 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 für das Jahr 2020 von 50 % auf 70 % der tatsächlichen Ausgaben angehoben werden.
(5)
Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 wurde eine Reihe von Ausnahmen von den bestehenden Vorschriften im Weinsektor eingeführt, um Weinerzeuger zu entlasten und sie bei der Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu unterstützen. Allerdings hat sich die Lage im Weinsektor seit der Veröffentlichung der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 weiter verschlechtert.
(6)
Zu Beginn des Wirtschaftsjahres 2019-2020 erreichten die Weinbestände ihren höchsten Stand seit 2009. Im Mai 2020 ging das Volumen der Weinausfuhren der größten Erzeugermitgliedstaaten in Drittländer im Vergleich zum Mai 2019 um 22 % bis 63 % zurück. Der Weinverbrauch ist durch die Folgen der COVID-19-Pandemie wie die Schließung der Grenzen, die Schließungen im Gastgewerbe und in der Gastronomie und die Unterbrechung des Fremdenverkehrs stark zurückgegangen. Dadurch steigen die Weinüberschüsse und der Druck auf den Markt und die Preise weiter an.
(7)
Diese Situation wird vermutlich noch eine Weile andauern, auch wenn das Gastgewerbe in der Union den Betrieb teilweise wieder aufgenommen hat. Die Wiedereröffnung von Restaurants unterliegt im Allgemeinen Regelungen zur physischen Distanzierung, weshalb Restaurants und Bars weniger Gäste als vor dem Erlass der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie empfangen können. Schätzungen aus Gastgewerbe und Gastronomie zufolge könnten 30 % der Restaurants dauerhaft geschlossen bleiben. In vielen Mitgliedstaaten gibt es nach wie vor Beschränkungen in Bezug auf die Anzahl der Personen bei Zusammenkünften, einschließlich privaten Feierlichkeiten wie Hochzeiten, auf denen üblicherweise Wein konsumiert wird. Eine Beschränkung der Kontakte ist immer noch empfohlen oder vorgeschrieben, und die Bürgerinnen und Bürger sind nicht bereit, angesichts der andauernden COVID-19-Pandemie ihr normales Sozialleben wieder aufzunehmen. Demzufolge hat sich die Situation trotz der Lockerung bestimmter, während der Ausgangsbeschränkungen eingeführter Vorschriften im Juni 2020 noch nicht normalisiert, und dies wird vermutlich andauern.
(8)
Angesichts der Dauer der von den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassenen Beschränkungen und deren anhaltender Konsequenzen bestehen die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die wichtigsten Absatzmöglichkeiten für Erzeugnisse des Weinsektors und deren negative Auswirkungen auf die Nachfrage nach Wein fort und haben sich weiter verschlechtert.
(9)
Aufgrund dieser besonders schwerwiegenden Marktstörung und der Häufung von Belastungsfaktoren im Weinsektor — von der Verhängung von Zöllen auf Einfuhren von Wein aus der Union durch die Vereinigten Staaten von Amerika im Oktober 2019 bis hin zu den Beschränkungen aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie und ihren noch andauernden Folgen — kommt es im Weinsektor zu außergewöhnlichen Schwierigkeiten, die nicht zuletzt finanzieller Art sind. Dies wirkt sich auf die Planung, Umsetzung und Durchführung der Maßnahmen im Rahmen der Stützungsprogramme im Weinsektor aus, da die Marktteilnehmer im Vergleich zu normalen Jahren unter großen Liquiditätsproblemen leiden.
(10)
Die Umsetzung der Maßnahmen zur Bewältigung der Krise und die Erhöhung des Höchstbetrags der Unionsbeteiligung mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 haben sich als unzureichend erwiesen, um die finanzielle Lage der Marktteilnehmer im Weinsektor zu verbessern. Insbesondere können diese Maßnahmen nicht die schweren Einkommensverluste infolge der Krise ausgleichen.
(11)
Angesichts dieser Umstände sollten die Begünstigten Vorschüsse im Rahmen der mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 eingeführten Maßnahmen, d. h. „Destillation von Wein im Krisenfall” und „Beihilfe für die Lagerung von Wein im Krisenfall” , erhalten können. Diese Vorschüsse sollten 100 % des Betrags für die Unterstützung der Union abdecken und unter der Voraussetzung gezahlt werden, dass eine Sicherheit in Höhe von mindestens 110 % des Vorschusses geleistet wurde. Dadurch soll sichergestellt werden, dass im Rahmen dieser beiden Maßnahmen im Haushaltsjahr 2020 so viel Wein wie möglich vom Markt genommen werden kann; zugleich sollen von Liquiditätsproblemen betroffene Begünstigte unterstützt und die nötige Flexibilität geschaffen werden, damit mehr Begünstigte Tätigkeiten im Rahmen dieser beiden Maßnahmen durchführen können. Zudem können die Mitgliedstaaten durch Zahlungen von Vorschüssen in Höhe von 100 % ihre jährliche Mittelzuweisung effizient nutzen und die Verzögerungen bei der Durchführung der Maßnahmen aufgrund der COVID-19-Pandemie ausgleichen.
(12)
Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 wurde den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit eingeräumt, nationale Zahlungen zu gewähren, die die Unterstützung der Union für die Maßnahmen „Destillation von Wein im Krisenfall” und „Beihilfe für die Lagerung von Wein im Krisenfall” ergänzen, da angesichts der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie möglichst große Mengen des während der Pandemie nicht konsumierten, verkauften oder ausgeführten Weines vom Markt genommen werden müssen. Mit den nationalen Zahlungen können diese Mengen zusätzlich zu den Mengen, für die im Rahmen der Haushaltsobergrenzen für die Stützungsprogramme im Weinsektor Unterstützung gewährt werden kann, auf ein Höchstmaß gesteigert werden. Die Delegierte Verordnung (EU) 2020/592 sah des Weiteren vor, dass diese zusätzlichen nationalen Zahlungen den Vorschriften für staatliche Beihilfen unterliegen sollten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass bestimmte Mitgliedstaaten aufgrund dieser Verpflichtung außerstande sind, nationale Zahlungen zu gewähren und die mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 eingeführten Maßnahmen wirksam umzusetzen. Es ist daher angebracht, die Delegierte Verordnung (EU) 2020/592 zu ändern, damit sichergestellt ist, dass Artikel 211 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013, dem zufolge Zahlungen der Mitgliedstaaten nicht den Vorschriften für staatliche Beihilfen unterliegen, für diese Maßnahmen gilt.
(13)
Mit den mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 eingeführten Ausnahmeregelungen wurde die Unionsbeteiligung an den tatsächlichen Kosten der Maßnahmen nach Artikel 46 Absatz 6, Artikel 47 Absatz 3, Artikel 49 Absatz 2 und Artikel 50 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vorübergehend um 5 % bzw. 10 % erhöht.
(14)
Zudem war noch vor der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/132 der Kommission(3) abweichend von Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 eine vorübergehende Erhöhung des Unionsbeitrags zu den tatsächlichen Kosten der Maßnahme „Absatzförderung” um 10 % eingeführt worden, um den Schwierigkeiten im Export nach der Einführung von Einfuhrzöllen auf Wein aus der Union durch die Vereinigten Staaten im Oktober 2019 zu begegnen.
(15)
Die Erhöhung der Unionsbeteiligung stellt eine Form der finanziellen Unterstützung dar, die jedoch keine zusätzliche Finanzierung durch die Union erfordert, da die Haushaltsobergrenzen für die Stützungsprogramme im Weinsektor gemäß Anhang VI der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 weiterhin gelten. Die Mitgliedstaaten können daher nur beschließen, den betreffenden Maßnahmen höhere Beträge zuzuweisen, solange die jährliche Mittelausstattung gemäß diesem Anhang eingehalten wird. Die erhöhten Finanzierungssätze zielen somit darauf ab, den Sektor in einer bestehenden instabilen Marktlage zu unterstützen, ohne zusätzliche Mittel mobilisieren zu müssen.
(16)
Die ersten Reaktionen des Sektors — die der Kommission von der interfraktionellen Arbeitsgruppe „Wein und Spirituosen” des Europäischen Parlaments und den Vertretern des europäischen Weinsektors vorgestellt wurden — deuteten jedoch darauf hin, dass die oben genannte Erhöhung der Höchstbeteiligung der Union an der mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/132 eingeführten Maßnahme „Absatzförderung” und den mit der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 eingeführten Maßnahmen „Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen” , „grüne Weinlese” , „Ernteversicherung” und „Investitionen” nicht ausreichten, damit die meisten potenziell Begünstigten diese Maßnahmen im Jahr 2020 durchführen könnten. Die im Rahmen der Haushaltsobergrenzen für die nationalen Stützungsprogramme vom 16. Oktober 2019 bis Ende April 2020 ausgegebenen Beträge liegen unter dem Durchschnitt der sonst zwischen dem 16. Oktober und Ende April des Folgejahres üblichen Ausgaben.
(17)
Die Lage hat sich offenkundig im Zuge der in den letzten Monaten in den Mitgliedstaaten ergriffenen Lockdown-Maßnahmen verschärft, unter anderem weil aufgrund der zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeführten Beschränkungen des Waren- und Personenverkehrs die Marktteilnehmer keine Fördermittel im Rahmen der Stützungsprogramme im Weinsektor beantragen und die Begünstigten die von ihnen ausgewählten Maßnahmen nicht durchführen konnten. Daher haben die Mitgliedstaaten nur einen sehr geringen Betrag ihrer Haushaltsmittel für das Haushaltsjahr 2020 ausgegeben.
(18)
Angesichts der noch nie da gewesenen Gesamtkonstellation und der sich daraus ergebenden Marktstörungen sollte den Marktteilnehmern mehr finanzielle Unterstützung gewährt werden, um ihnen zu helfen, diese wirtschaftlich so herausfordernden Zeiten zu überstehen. Diese Flexibilität ist aus finanzieller Sicht möglich, denn es stehen für die Stützungsprogramme im Weinsektor vorgesehene Mittel bereit, die bisher nicht in Anspruch genommen wurden und bei Nichtinanspruchnahme aufgrund der Jährlichkeit des Haushaltsplans verloren gehen würden.
(19)
Um dafür zu sorgen, dass der Weinsektor die erforderliche Unterstützung erhält, und um potenziell Begünstigten zu helfen, Maßnahmen im Rahmen des nationalen Stützungsprogramms für den Weinsektor durchzuführen, mit denen ihre Marktposition gestärkt und die Erholung nach der Krise gefördert werden soll, ist es angebracht, für die Dauer dieser Maßnahme von Artikel 45 Absatz 3, Artikel 46 Absatz 6, Artikel 47 Absatz 3, Artikel 49 Absatz 2 und Artikel 50 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 abzuweichen. Die Ausnahmeregelungen sollten eine befristete Erhöhung der Höchstbeteiligung der Union an der Maßnahme „Information” gemäß Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 um 20 % und an der Maßnahme „Absatzförderung” gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2020/132 sowie den Maßnahmen „Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen” , „grüne Weinlese” , „Ernteversicherung” und „Investitionen” gemäß der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 um zusätzliche 10 % vorsehen. So werden die Begünstigten finanziell weiter entlastet, indem ihre Eigenbeteiligung verringert wird, während den Mitgliedstaaten geholfen wird, die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich auszuschöpfen.
(20)
Um Ungleichbehandlung zu vermeiden, sollte für die Begünstigten die Möglichkeit, Vorschüsse in Höhe von 100 % für die Destillation und die Lagerung im Krisenfall zu beantragen, und für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Unionsbeteiligung an diesen Maßnahmen durch nationale Zahlungen zu ergänzen, ohne dass diese Zahlungen den Vorschriften für staatliche Beihilfen unterliegen, rückwirkend ab dem Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 gelten. Aus demselben Grund und im Interesse einer kohärenten Anwendung aller Maßnahmen kann die Unionsbeteiligung bei Anträgen, die im Rahmen der Maßnahmen „Information und Absatzförderung” , „Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen” , „grüne Weinlese” , „Ernteversicherung” und „Investitionen” nach Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2020/592 und bis spätestens 15. Oktober 2020 ausgewählt wurden, rückwirkend — und, sofern zutreffend, vorbehaltlich der Einhaltung der Vorschriften über staatliche Beihilfen — erhöht werden.
(21)
Die Delegierte Verordnung (EU) 2020/592 sollte daher entsprechend geändert werden.
(22)
Aufgrund der Notwendigkeit von Sofortmaßnahmen sollte diese Verordnung am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671.

(2)

Delegierte Verordnung (EU) 2020/592 der Kommission vom 30. April 2020 über befristete außergewöhnliche Maßnahmen zur Abweichung von bestimmten Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Behebung der durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen verursachten Marktstörungen im Obst- und Gemüsesektor und im Weinsektor (ABl. L 140 vom 4.5.2020, S. 6).

(3)

Durchführungsverordnung (EU) 2020/132 der Kommission vom 30. Januar 2020 zur Festlegung einer Dringlichkeitsmaßnahme in Form einer Abweichung von Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des Unionsbeitrags zur Absatzförderung im Weinsektor (ABl. L 27 vom 31.1.2020, S. 20).

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