Präambel VO (EU) 2020/199

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2016/1037 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern(1) (im Folgenden „Grundverordnung” ), insbesondere auf Artikel 24 Absatz 5a,

nach Unterrichtung der Mitgliedstaaten,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Am 7. Juni 2019 veröffentlichte die Europäische Kommission (im Folgenden „Kommission” ) im Amtsblatt der Europäischen Union eine Bekanntmachung(2) (im Folgenden „Einleitungsbekanntmachung” ) über die Einleitung eines Antisubventionsverfahrens betreffend die Einfuhren von Waren aus Endlosglasfaserfilamenten mit Ursprung in Ägypten in die Union.
(2)
Vorausgegangen war ein Antrag, der am 24. April 2019 vom Verband der europäischen Glasfaserhersteller (European Glass Fibre Producers Association — APFE) (im Folgenden „Antragsteller” ) im Namen von Herstellern eingereicht worden war, auf die mehr als 25 % der gesamten Unionsproduktion von Waren aus Endlosglasfaserfilamenten entfallen.
(3)
Dieser Antisubventionsuntersuchung ging die Einleitung einer gesonderten Untersuchung durch die Kommission voraus, bei der geprüft wird, ob hinsichtlich derselben Ware, allerdings mit Ursprung in Ägypten und Bahrain, schädigendes Dumping vorliegt; die genannte Untersuchung wurde am 3. Mai 2019 eingeleitet(3).
(4)
Die Untersuchung von Subventionierung und Schädigung betrifft den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2019 (im Folgenden „Untersuchungszeitraum” ). Die Untersuchung der für die Schadensanalyse relevanten Entwicklungen betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums (im Folgenden „Bezugszeitraum” ).
1.
Zollamtlich zu erfassende Ware
(5)
Bei der zollamtlich zu erfassenden Ware (im Folgenden „betroffene Ware” ) handelt es sich um Glasstapelfasern (geschnittenes Textilglas — „chopped strands” ) mit einer Länge von 50 mm oder weniger, Glasfaserrovings — ausgenommen getränkte und beschichtete Glasfaserrovings mit einem Glühverlust von mehr als 3 % (gemäß ISO-Norm 1887) — (im Folgenden „Rovings” ) und Matten aus Glasfaserfilamenten — ausgenommen Matten aus Glaswolle — (im Folgenden „Matten” ) mit Ursprung in Ägypten, die derzeit unter den KN-Codes 70191100, ex70191200 und 70193100 (TARIC-Codes 7019120022, 7019120025, 7019120026 und 7019120039) eingereiht werden. Die betroffene Ware wird als „Glasfaserverstärkungen” (glass fibre reinforcements — im Folgenden „GFR” ) bezeichnet.
2.
Gründe für die zollamtliche Erfassung
(6)
Nach Artikel 24 Absatz 5a der Grundverordnung weist die Kommission die Zollbehörden an, geeignete Schritte zu unternehmen, um die Einfuhren während des Vorunterrichtungszeitraums gemäß Artikel 29a zollamtlich zu erfassen, sodass in der Folge Maßnahmen gegenüber diesen Einfuhren vom Zeitpunkt dieser zollamtlichen Erfassung an angewendet werden können, es sei denn, ihr liegen hinreichende Nachweise dafür vor, dass die Anforderungen entweder gemäß Artikel 16 Absatz 4 Buchstabe c oder gemäß Artikel 16 Absatz 4 Buchstabe d der Grundverordnung nicht erfüllt sind.
(7)
Die Kommission prüfte daher die Anforderungen des Artikels 16 Absatz 4 Buchstaben c und d der Grundverordnung hinsichtlich der Frage, ob die Einfuhren im Vorunterrichtungszeitraum zollamtlich erfasst werden sollten.
(8)
Nach den genannten Bestimmungen hat die Kommission zu prüfen:
2.1.
Waren, für die anfechtbare Subventionen gewährt werden
(9)
Hinsichtlich der Subventionierung liegen der Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinreichende Beweise dafür vor, dass die Ausfuhren der betroffenen Ware aus Ägypten subventioniert werden und dass der ausführende Hersteller Jushi während des Untersuchungszeitraums in Ägypten von diesen Subventionen profitierte.
(10)
Zu den im Antrag angeführten Subventionspraktiken gehören:
(11)
Wie in der Einleitungsbekanntmachung dargelegt, brachte der Antragsteller vor, dass es sich bei den vorgenannten Maßnahmen um Subventionen handele, da sie finanzielle Beihilfen auf staatlicher Ebene (auch von öffentlichen Körperschaften) in Ägypten beinhalteten und den ausführenden Herstellern der betroffenen Ware daraus ein Vorteil erwachse. Die betreffenden Maßnahmen würden sich auf bestimmte Unternehmen, Unternehmensgruppen oder Wirtschaftszweige beschränken und/oder von der Ausfuhrleistung abhängen, somit seien sie spezifisch und anfechtbar.
(12)
Die Beweise für die Subventionierung wurden in der nicht vertraulichen Fassung des Antrags zugänglich gemacht und im Vermerk über die Hinlänglichkeit der Beweise weiter analysiert.
(13)
Die Kommission verfügt daher zu diesem Zeitpunkt über ausreichende Beweise, die tendenziell darauf hindeuten, dass den Ausfuhren von GFR aus Ägypten anfechtbare Subventionen zugutekommen.
2.2.
Massive GFR-Einfuhren aus Ägypten in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum
(14)
Ein Auszug aus der Datenbank Surveillance 2 deutet zusammen mit den das Jahr 2015 betreffenden Daten im Antrag auf massive Einfuhren ägyptischer GFR im Zeitraum 2015 bis 2018 hin. Die Einfuhren erhöhten sich in diesem Zeitraum mengenmäßig um 200 %, und ihr Marktanteil nahm von 4,6 % im Jahr 2015 auf 12,8 % im Jahr 2018 zu.
(15)
Was aktuellere Daten angeht, so zeigt die nachstehende Grafik die Menge der von Januar 2016 bis September 2019 aus Ägypten eingeführten GFR pro Quartal. Dieser Zeitraum erstreckt sich über den Bezugszeitraum (Q1 2016 bis Q1 2019) und zwei Quartale nach dem Untersuchungszeitraum (im Folgenden „UZ” ) (Q2 und Q3 2019).
(16)
Für den Bezugszeitraum ergibt sich ein erheblicher Anstieg, nämlich um 130 %; von knapp über 14000 Tonnen im Q1 2016 stiegen die Einfuhren auf 32000 Tonnen im Q1 2019, wodurch sich der Marktanteil von 5 % auf 14 % erhöhte:
(17)
Da die in Erwägungsgrund (3) erwähnte gesonderte Antidumpinguntersuchung die Einfuhr derselben Ware unter anderem aus Ägypten betrifft, könnte sich die Einleitung der genannten Untersuchung bereits auf die Handelsströme ausgewirkt haben, die hier geprüft werden. Daher gilt der Tag der Einleitung jenes Verfahrens, nämlich der 3. Mai 2019, auch in dieser Untersuchung für die Bewertung der Einfuhrentwicklung als Beginn des Nach-Einleitungs-Zeitraums.
(18)
Eine Analyse der Einfuhren aus Ägypten während des Nach-Einleitungs-Zeitraums lässt nicht darauf schließen, dass die massiven Einfuhren nachgelassen hätten, sondern deutet vielmehr darauf hin, dass sie auf demselben Niveau blieben oder noch zunahmen:
(19)
Was den Untersuchungszeitraum und die Zeit danach betrifft, so liegt die Durchschnittsmenge der monatlichen Einfuhren zwischen Mai und November 2019 nämlich um 9 % höher als während des Untersuchungszeitraums.
(20)
Die Gesamtmenge der zwischen Mai und November 2019 in die Union eingeführten GFR mit Ursprung in Ägypten liegt annähernd auf demselben Niveau wie die Gesamteinfuhrmenge desselben Zeitraums im Jahr 2018.
(21)
Ausgehend von dieser Analyse kam die Kommission zu dem Schluss, dass massive Einfuhren aus Ägypten getätigt wurden. Die genannten Mengen ergeben zusammen mit dem Zuwachs an Marktanteilen im gesamten Bezugszeitraum massive, in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum getätigte Einfuhren im Sinne des Artikels 16 Absatz 4 der Grundverordnung.
(22)
Der Anstieg der Einfuhren fiel nämlich mit der Einleitung der Antidumpinguntersuchung betreffend dieselbe Ware zusammen, nachdem die Einfuhren in den beiden vorangegangenen Quartalen einen sinkenden, eher stabilen Trend aufwiesen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Möglichkeit besteht, dass für die betroffene Ware Handelsschutzmaßnahmen verhängt werden.
2.3.
Kritische Umstände und schwer wieder auszugleichende Schädigung
(23)
Der Antrag enthält hinreichende Beweise dafür, dass der Wirtschaftszweig der Union durch die Einfuhren aus Ägypten eine bedeutende, schwer wieder auszugleichende Schädigung erleidet und dass es sich dabei um kritische Umstände handelt.
(24)
Die Einfuhren von Jushi Egypt in die EU sind seit 2015, als die Kommission der Auffassung war, dass der Wirtschaftszweig der Union nicht geschädigt wurde(4), erheblich gestiegen.
(25)
Der Kommission liegen hinreichende Beweise dafür vor, dass die Subventionierung der ausführenden Hersteller dem Wirtschaftszweig der Union eine bedeutende Schädigung verursacht, die schwer wieder auszugleichen ist. Diese Beweise bestehen aus im Antrag enthaltenen detaillierten Daten bezüglich der in Artikel 8 Absatz 4 der Grundverordnung dargelegten wichtigsten Schadensindikatoren.
(26)
Zu den Belegen für das Vorliegen entsprechender Umstände gehört die rasche Verschlechterung der Lage des Wirtschaftszweigs der Union, die sowohl von einem Gewinnrückgang (von einem Höchststand von 13 % im Jahr 2016 auf 4,6 % im Jahr 2018) als auch von einem Verlust an Marktanteilen in Höhe von 11 Prozentpunkten im selben Zeitraum (2016-2018) gekennzeichnet ist.
(27)
Diese Verschlechterung fiel zeitlich mit dem aus der obenstehenden Grafik ersichtlichen mengenmäßigen Anstieg der Einfuhren aus Ägypten und mit dem nachstehend beschriebenen Rückgang des Durchschnittspreises dieser Einfuhren zusammen.
(28)
Die Kommission stellte fest, dass der durchschnittliche Stückpreis für GFR aus Ägypten von 1007 EUR/Tonne im Q1 2016 auf 904 EUR/Tonne im UZ gefallen ist. Nach der Einleitung der Antidumpinguntersuchung bezüglich derselben Ware aus Ägypten ging der Stückpreis zwischen Mai 2019 und November 2019 weiter auf einen Durchschnittswert von 884 EUR/Tonne zurück.
(29)
Bis 2018 unterboten die Einfuhren aus Ägypten die Preise des Wirtschaftszweigs der Union dem Antrag zufolge erheblich, und zwar um 16 %.
(30)
Darüber hinaus prüfte die Kommission, ob die Schädigung schwer wieder auszugleichen war. Da einige Verwender von GFR langwierige Verfahren anwenden, um ihre Lieferanten zu zertifizieren, ist es kurz- oder sogar mittelfristig gesehen unwahrscheinlich, dass sie, wenn sie erst einmal zu einem chinesischen oder ägyptischen Lieferanten übergewechselt sind, zu einem Unionshersteller zurückwechseln. Drohen ein dauerhafter Verlust von Marktanteilen oder geringere Einnahmen, stellt dies eine nur schwer auszugleichende Schädigung dar.
(31)
Die Kommission gelangte daher anhand der vorliegenden Beweise zu dem Schluss, dass der Wirtschaftszweig der Union eine schwer wieder auszugleichende Schädigung erleidet und die Umstände kritisch sind.
2.4.
Ausschluss der Wiederholung einer solchen Schädigung
(32)
Angesichts der in Abschnitt 2.3 dargelegten Erwägungen hielt es die Kommission für notwendig, durch die Anweisung zur zollamtlichen Erfassung Vorbereitungen für die mögliche rückwirkende Einführung von Maßnahmen zu treffen, um die Wiederholung einer solchen Schädigung auszuschließen. Tendenziell bestätigen nämlich die nach dem UZ gegebenen Marktbedingungen, dass sich die Lage des heimischen Wirtschaftszweigs aufgrund des erheblichen Anstiegs subventionierter Einfuhren zu Niedrigpreisen verschlechtert.
2.5.
Schlussfolgerung
(33)
Aus den vorstehenden Gründen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass keine schlüssigen Beweise dafür vorliegen, dass die zollamtliche Erfassung der Einfuhren der betroffenen Ware während des Vorunterrichtungszeitraums in diesem Fall nicht gerechtfertigt ist.
(34)
Daher wird die Kommission gemäß Artikel 24 Absatz 5a der Grundverordnung die Einfuhren der betroffenen Ware während des Vorunterrichtungszeitraums zollamtlich erfassen.
3.
Künftige Zollschuld bezüglich der zollamtlich erfassten Einfuhren
(35)
Nach Artikel 24 Absatz 5a der Grundverordnung sind die Einfuhren der betroffenen Ware während des Vorunterrichtungszeitraums gemäß Artikel 29a der Grundverordnung zollamtlich zu erfassen.
(36)
Eine etwaige künftige Zollschuld ergibt sich aus den endgültigen Feststellungen der Antisubventionsuntersuchung. In dieser Phase der Untersuchung ist es noch nicht möglich, die Höhe der Subventionen in Ägypten abzuschätzen. Der Antrag enthält keine genaue Schätzung der Höhe der Subventionen, die normalerweise als Grundlage für die Festsetzung der Ausgleichszölle herangezogen werden sollte. Im Antrag wird lediglich die Schadensbeseitigungsschwelle geschätzt, wobei sich dieser Schätzwert für 2018 auf 22 % beläuft.
(37)
Nach Artikel 15 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Grundverordnung käme diese geschätzte Höhe der Zollschuld nur zum Tragen, wenn ein Zoll auf Basis der Höhe der anfechtbaren Subventionen höher läge und die Kommission zweifelsfrei zu dem Schluss gelangt, dass es nicht im Unionsinteresse ist, diesen höheren Zoll einzuführen.
4.
Verarbeitung personenbezogener Daten
(38)
Alle im Rahmen dieser zollamtlichen Erfassung erhobenen personenbezogenen Daten werden nach der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) verarbeitet —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 176 vom 30.6.2016, S. 55.

(2)

ABl. C 192 vom 7.6.2019, S. 30.

(3)

Bekanntmachung der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Waren aus Endlosglasfaserfilamenten mit Ursprung in Bahrain und Ägypten (ABl. C 151 vom 3.5.2019, S. 4).

(4)

Durchführungsverordnung (EU) 2017/724 der Kommission vom 24. April 2017 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Waren aus Endlosglasfaserfilamenten mit Ursprung in der Volksrepublik China im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 107 vom 25.4.2017, S. 4).

(5)

Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).

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