ANHANG II VO (EU) 2020/741

A.
Wesentliche Elemente des Risikomanagements

Zum Risikomanagement gehört die proaktive Risikoermittlung und -bewältigung, damit gewährleistet ist, dass aufbereitetes Wasser sicher genutzt und bewirtschaftet wird und keine Gefahr für die Umwelt oder die Gesundheit von Mensch oder Tier besteht. Zu diesem Zweck wird ein Risikomanagementplan für die Wasserwiederverwendung erstellt, der auf folgenden Elementen beruht:

1.
Beschreibung des gesamten Wasserwiederverwendungssystems, von der Einleitung des Abwassers in die kommunale Abwasserbehandlungsanlage bis zum Zeitpunkt des Verbrauchs, einschließlich der Abwasserquellen, der Behandlungsschritte und -techniken, die in der Aufbereitungseinrichtung zur Anwendung kommen, der Versorgungs-, Verteilungs- und Speicherinfrastruktur, der beabsichtigten Verwendung, der Verbrauchsstelle und des Verbrauchszeitraums (z. B. vorübergehender oder punktueller Verbrauch), der Bewässerungsmethode, der Pflanzenart, anderer Wasserquellen, wenn eine Mischung verwendet werden soll, und der Menge an aufbereitetem Wasser, die bereitzustellen ist.
2.
Ermittlung aller am Wasserwiederverwendungssystem beteiligten Parteien und klare Beschreibung ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten.
3.
Ermittlung von Gefahren, insbesondere das Vorhandensein von Schadstoffen und Pathogenen, und des Potenzials für gefährliche Ereignisse, wie Versagen von Behandlungen, unbeabsichtigte Leckagen oder Kontaminationen des Wasserwiederverwendungssystems.
4.
Identifizierung der gefährdeten Umweltgegebenheiten und Bevölkerungsgruppen und der Wege, auf denen die Exposition gegenüber den identifizierten Gefahren erfolgt, unter Berücksichtigung spezifischer Umweltfaktoren wie örtliche Hydrogeologie, Topologie, Bodenart und Ökologie, und von Faktoren im Zusammenhang mit der Art der Kulturen und der landwirtschaftlichen Praktiken und Bewässerungsmethoden. Berücksichtigung möglicher irreversibler oder langfristiger negativer Auswirkungen der Wasseraufbereitung auf die Umwelt und die Gesundheit, gestützt durch wissenschaftliche Erkenntnisse.
5.
Durchführung einer Bewertung der Umweltrisiken und der Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier, unter Berücksichtigung der Art der ermittelten potenziellen Gefahren, der Dauer der beabsichtigten Verwendungen, der Umweltgegebenheiten und Bevölkerungsgruppen, die dem Risiko einer Exposition gegenüber diesen Gefahren ausgesetzt sind, der Schwere der möglichen Auswirkungen der Gefahren, in Anbetracht des Vorsorgeprinzips sowie aller einschlägigen Rechtsvorschriften, Leitlinien und Mindestanforderungen an die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln sowie den Schutz der Arbeitnehmer auf Unions- und nationaler Ebene. Die Risikobewertung könnte sich auf eine Übersicht der vorhandenen wissenschaftlichen Studien und Daten stützen.

Die Risikobewertung umfasst Folgendes:

a)
eine Bewertung der Umweltrisiken, einschließlich aller folgenden Aspekte:

i)
Bestätigung der Gefahrenarten, einschließlich gegebenenfalls des abgeschätzten Nicht-Effekt-Niveaus;
ii)
Bewertung des potenziellen Expositionsausmaßes;
iii)
Charakterisierung der Risiken.

b)
eine Bewertung der Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier, einschließlich aller folgenden Aspekte:

i)
Bestätigung der Gefahrenarten, einschließlich gegebenenfalls der Dosis-Wirkungs-Beziehung;
ii)
Bewertung des potenziellen Dosis- oder Expositionsausmaßes;
iii)
Charakterisierung der Risiken.

Die Risikobewertung kann mittels einer qualitativen oder semi-quantitativen Risikobewertung erfolgen. Eine quantitative Risikobewertung wird vorgenommen, wenn ausreichendes Beweisdatenmaterial vorliegt, oder bei Projekten, die ein hohes Risiko für die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit bergen.

Bei der Risikobewertung müssen mindestens die nachstehenden Anforderungen und Verpflichtungen berücksichtigt werden:

a)
die Anforderung, Wasserverschmutzung durch Nitrate gemäß der Richtlinie 91/676/EWG zu verringern und zu verhindern;
b)
die Verpflichtung, in Schutzgebieten für Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch die Anforderungen der Richtlinie 98/83/EG einzuhalten;
c)
die Anforderung, die Umweltziele der Richtlinie 2000/60/EG einzuhalten;
d)
die Anforderung, die Verschmutzung des Grundwassers gemäß der Richtlinie 2006/118/EG zu verhindern;
e)
die Anforderung, die Umweltqualitätsnormen der Richtlinie 2008/105/EG für prioritäre Stoffe und bestimmte andere Schadstoffe einzuhalten;
f)
die Anforderung, die Umweltqualitätsnormen der Richtlinie 2000/60/EG für Schadstoffe von nationaler Bedeutung, nämlich einzugsgebietsspezifische Schadstoffe, einzuhalten;
g)
die Anforderung, die Normen der Richtlinie 2006/7/EG für die Qualität der Badegewässer einzuhalten;
h)
die Anforderungen an den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft gemäß der Richtlinie 86/278/EWG;
i)
die Anforderungen an die Lebensmittelhygiene gemäß der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 sowie der Leitlinien in der Bekanntmachung der Kommission mit dem Leitfaden zur Eindämmung mikrobiologischer Risiken durch gute Hygiene bei der Primärproduktion von frischem Obst und Gemüse;
j)
die Anforderungen an die Futtermittelhygiene gemäß der Verordnung (EG) Nr. 183/2005.
k)
die Anforderung, die einschlägigen mikrobiologischen Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 einzuhalten;
l)
die Anforderungen an die Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006;
m)
die Anforderungen an die Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs gemäß der Verordnung (EG) Nr. 396/2005;
n)
die Anforderungen an die Gesundheit von Tieren gemäß der Verordnungen (EG) Nr. 1069/2009 und (EU) Nr. 142/2011.

B.
Bedingungen für die zusätzlichen Anforderungen

6.
Über die in Anhang I Abschnitt 2 genannten Anforderungen an die Wasserqualität und an die Überwachung hinaus sind zusätzliche oder strengere oder zusätzliche und strengere Anforderungen an die Wasserqualität und an die Überwachung in Betracht zu ziehen, wenn es für die Sicherstellung eines angemessenen Schutzes der Umwelt und der Gesundheit von Mensch und Tier erforderlich und zweckmäßig ist, insbesondere wenn es eindeutige wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass das Risiko seinen Ursprung in dem aufbereiteten Wasser und nicht in anderen Quellen hat.

Entsprechend den Ergebnissen der Risikobewertung gemäß Nummer 5 können die zusätzlichen Anforderungen insbesondere Folgendes betreffen:

a)
Schwermetalle;
b)
Pestizide;
c)
Desinfektionsnebenprodukte;
d)
Arzneimittel;
e)
andere Stoffe, die zunehmend Anlass zu Besorgnis geben, einschließlich Mikroschadstoffen und Mikroplastik;
f)
antimikrobielle Resistenzen.

C.
Vorsorgemaßnahmen

7.
Festlegung von Vorsorgemaßnahmen, die zur Risikobegrenzung bereits eingeführt wurden oder eingeführt werden sollten, damit alle ermittelten Risiken angemessen bewältigt werden können. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Schutz von Wasserkörpern, aus denen Wasser für den menschlichen Gebrauch entnommen wird, bzw. einschlägigen Schutzgebieten.

Diese Vorsorgemaßnahmen können Folgendes umfassen:

a)
Zugangskontrollen;
b)
zusätzliche Desinfektions- oder Schadstoffbeseitigungsmaßnahmen;
c)
spezifische Bewässerungstechniken, die das Risiko der Aerosolbildung verringern (z. B. Tropfbewässerung);
d)
besondere Anforderungen an die künstliche Beregnung (z. B. maximale Windgeschwindigkeit, Abstand zwischen Beregnungsanlage und empfindlichen Gebieten);
e)
besondere Anforderungen an landwirtschaftliche Flächen (z. B. Hangneigung, Wassersättigung des Feldes und Karstgebiete);
f)
Förderung des Absterbens von Pathogenen vor der Ernte;
g)
Festlegung von Mindestsicherheitsabständen (z. B. vom Oberflächenwasser, einschließlich Quellen für den Viehbestand, oder anderen Tätigkeiten wie Aquakultur, Fischzucht, Schalentier-Aquakultur, Schwimm- oder anderen Wassersportaktivitäten);
h)
Beschilderung an Bewässerungsflächen, die darauf hinweisen, dass aufbereitetes und nicht als Trinkwasser geeignetes Wasser verwendet wird.

In Tabelle 1 sind besondere Vorsorgemaßnahmen aufgeführt, die gegebenenfalls relevant sein können.

Tabelle 1 — Besondere Vorsorgemaßnahmen

Güteklasse des aufbereiteten Wassers besondere Vorsorgemaßnahmen:
A

Schweine dürfen nicht mit Futter in Berührung kommen, das mit aufbereitetem Wasser bewässert wurde, es sei denn, es ist durch hinreichende Daten belegt, dass die Risiken im besonderen Fall beherrschbar sind.

B

Bewässerte oder herabgefallene Erzeugnisse, die feucht sind, dürfen nicht geerntet werden.

Laktierendes Milchvieh muss von den Weideflächen ferngehalten werden, bis diese trocken sind.

Futter muss vor der Verpackung getrocknet oder siliert werden.

Schweine dürfen nicht mit Futter in Berührung kommen, das mit aufbereitetem Wasser bewässert wurde, es sei denn, es ist durch hinreichende Daten belegt, dass die Risiken im besonderen Fall beherrschbar sind.

C

Bewässerte oder herabgefallene Erzeugnisse, die feucht sind, dürfen nicht geerntet werden.

Weidevieh muss nach der letzten Bewässerung fünf Tage lang von den Weideflächen ferngehalten werden.

Futter muss vor der Verpackung getrocknet oder siliert werden.

Schweine dürfen nicht mit Futter in Berührung kommen, das mit aufbereitetem Wasser bewässert wurde, es sei denn, es ist durch hinreichende Daten belegt, dass die Risiken im besonderen Fall beherrschbar sind.

D

Bewässerte oder herabgefallene Erzeugnisse, die feucht sind, dürfen nicht geerntet werden.

8.
Angemessene Qualitätskontrollsysteme und -verfahren, einschließlich für die Überwachung der einschlägigen Parameter für aufbereitetes Wasser, und angemessene Wartungspläne für die Ausstattung.

Es wird empfohlen, dass der Betreiber der Aufbereitungseinrichtung ein nach ISO 9001 oder einer gleichwertigen Norm zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem einrichtet und unterhält.

9.
Umweltüberwachungssysteme zur Sicherstellung, dass ein Überwachungs-Feedback zur Verfügung gestellt wird und dass alle Prozesse und Verfahren ordnungsgemäß validiert und dokumentiert werden.
10.
Geeignete Systeme zur Bewältigung von Vorfällen und Notfällen, einschließlich Verfahren zur angemessenen Unterrichtung aller relevanten Kreise in solchen Fällen und regelmäßige Aktualisierung des Notfallplans.

Die Mitgliedstaaten könnten die vorhandenen internationalen Leitlinien oder Normen, wie ISO 20426:2018 Leitfaden zur Beurteilung des Gesundheitsrisikos und zur Behandlung von Wasser für die Wiederverwendung, ISO 16075:2015 Empfehlungen für die Nutzung von aufbereitetem Abwasser für die Bewässerung oder andere, auf internationaler Ebene anerkannte gleichwertige Standards, oder WHO-Leitlinien, zur systematischen Ermittlung von Gefahren sowie zur Risikobewertung und -bewältigung heranziehen, wobei sie sich auf einen Prioritätsansatz, der auf die gesamte Kette (von der Wiederaufbereitung von kommunalem Abwasser bis zur Verteilung und Verwendung für die landwirtschaftliche Bewässerung und bis zur Kontrolle der Auswirkungen) angewandt wird, und eine standortspezifische Risikobewertung stützen.

11.
Sicherstellung, dass zwischen den verschiedenen Akteuren Koordinierungsmechanismen eingerichtet werden, um eine sichere Erzeugung und Verwendung von aufbereitetem Wasser zu gewährleisten.

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