Präambel VO (EU) 2021/1257

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb(1), insbesondere auf Artikel 25 Absatz 2, Artikel 28 Absatz 4 und Artikel 30 Absatz 6,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Der Übergang zu einer CO2-armen, nachhaltigeren und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft entsprechend den Zielen für nachhaltige Entwicklung ist von entscheidender Bedeutung, um die Wirtschaft der Union langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Im Jahr 2016 hat die Union das Übereinkommen von Paris(2) geschlossen. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c des Übereinkommens gibt das Ziel vor, entschlossener gegen Klimaänderungen vorzugehen, unter anderem indem die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung.
(2)
Um diese Herausforderung anzugehen, stellte die Kommission im Dezember 2019 den europäischen Grünen Deal(3) vor. Der Grüne Deal ist eine neue Wachstumsstrategie, mit der die Union zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, in der ab dem Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist. Dieses Ziel erfordert auch klare Signale an die Anleger in Bezug auf ihre Investitionen, um verlorene Vermögenswerte zu vermeiden und nachhaltige Finanzmittel zu mobilisieren.
(3)
Im März 2018 veröffentlichte die Kommission ihren Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums” (4), mit dem eine ehrgeizige und umfassende Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen auf den Weg gebracht wurde. Eines der im Aktionsplan genannten Ziele besteht darin, die Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken, um ein nachhaltiges und inklusives Wachstum zu erreichen.
(4)
Die ordnungsgemäße Umsetzung des Aktionsplans fördert die Nachfrage der Anleger nach nachhaltigen Investitionen. Daher muss klargestellt werden, dass Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der Lenkungsanforderungen der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission(5) berücksichtigt werden sollten.
(5)
Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Versicherungsprodukte herstellen, sollten Nachhaltigkeitsfaktoren bei jedem Versicherungsprodukt im Produktzulassungsverfahren und bei jedem Versicherungsprodukt, das an nachhaltigkeitsinteressierte Kunden vertrieben werden soll, im Rahmen der übrigen Aufsichts- und Lenkungsvorkehrungen berücksichtigen.
(6)
Da der Zielmarkt in ausreichender Detailtiefe festgelegt werden sollte, sollte eine allgemeine Erklärung, dass ein Versicherungsprodukt ein nachhaltigkeitsbezogenes Profil aufweist, nicht genügen. Vielmehr sollte von dem Versicherungsunternehmen oder dem Versicherungsvermittler, von dem das Versicherungsprodukt hergestellt wird, präzisiert werden, an welche Gruppe von Kunden mit spezifischen Nachhaltigkeitszielen das Versicherungsprodukt vertrieben werden soll.
(7)
Um sicherzustellen, dass Versicherungsprodukte mit Nachhaltigkeitsfaktoren auch für Kunden, die keine Nachhaltigkeitspräferenzen haben, leicht zugänglich bleiben, sollten Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Versicherungsprodukte herstellen, nicht verpflichtet werden, Kundengruppen zu ermitteln, deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen ein Versicherungsprodukt mit Nachhaltigkeitsfaktoren nicht entspricht.
(8)
Die Nachhaltigkeitsfaktoren eines Versicherungsprodukts sollten transparent dargestellt werden, damit Versicherungsvertreiber ihren Kunden oder potenziellen Kunden die einschlägigen Informationen zur Verfügung stellen können.
(9)
Die im Mai 2018 veröffentlichte Folgenabschätzung(6) zu anschließenden Gesetzgebungsinitiativen ergab, dass Klarheit darüber geschaffen werden muss, dass Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen ihrer Pflichten gegenüber den Kunden und potenziellen Kunden zu berücksichtigen haben.
(10)
Damit ein hoher Anlegerschutz aufrechterhalten wird, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, sicherstellen, dass sie bei der Ermittlung der Arten von Interessenkonflikten, deren Vorliegen den Interessen eines Kunden oder potenziellen Kunden schaden kann, auch solche Arten von Interessenkonflikten berücksichtigen, die sich aus der Integration der Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden ergeben können. Bei Bestandskunden, bei denen bereits eine Eignungsbeurteilung durchgeführt wurde, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen die Möglichkeit haben, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des betreffenden Kunden erst bei der nächsten regelmäßigen Aktualisierung der bestehenden Eignungsbeurteilung in Erfahrung zu bringen.
(11)
Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten anbieten, sollten ihren Kunden oder potenziellen Kunden geeignete Versicherungsanlageprodukte empfehlen können und sollten daher in der Lage sein, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden abzufragen. Da Vertriebstätigkeiten im bestmöglichen Interesse der Kunden erfolgen müssen, sollten Empfehlungen für Kunden oder potenzielle Kunden sowohl die finanziellen Ziele als auch etwaige von diesen Kunden geäußerte Nachhaltigkeitspräferenzen widerspiegeln. Daher muss klargestellt werden, dass die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in den Beratungsprozess nicht zu unlauteren Verkaufspraktiken oder zur fälschlichen Darstellung von Versicherungsanlageprodukten als nachhaltigkeitspräferenzkonform führen darf. Um solche Praktiken oder Falschdarstellungen zu vermeiden, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten anbieten, zunächst die sonstigen Anlageziele und persönlichen Umstände des jeweiligen Kunden oder potenziellen Kunden beurteilen, bevor sie dessen etwaige Nachhaltigkeitspräferenzen abfragen.
(12)
Schon heute existieren Versicherungsanlageprodukte mit unterschiedlich hohem Nachhaltigkeitsanspruch. Damit die Kunden oder potenziellen Kunden die verschiedenen Nachhaltigkeitsgrade verstehen und mit Blick auf die Nachhaltigkeit fundierte Anlageentscheidungen treffen können, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, erklären, wie sich Versicherungsanlageprodukte, mit denen ganz oder teilweise nachhaltige Investitionen in Wirtschaftstätigkeiten angestrebt werden, die nach der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates(7) als nachhaltig gelten, oder die nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 der Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlament und des Rates(8) beinhalten, sowie Versicherungsanlageprodukte, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden und die für eine Empfehlung als den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden entsprechend infrage kommen könnten, von Versicherungsanlageprodukten unterscheiden, die diese besonderen Merkmale nicht aufweisen und nicht dafür infrage kommen sollten, Kunden oder potenziellen Kunden mit individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen empfohlen zu werden.
(13)
Es gilt Bedenken auszuräumen in Bezug auf „Greenwashing” , d. h. insbesondere die Praxis, durch die Empfehlung eines Versicherungsanlageprodukts als umweltfreundlich oder nachhaltig einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, obwohl das Versicherungsanlageprodukt grundlegenden Umwelt- oder sonstigen Nachhaltigkeitsstandards nicht entspricht. Um unlautere Verkaufspraktiken und Greenwashing zu verhindern, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, Versicherungsanlageprodukte nicht als den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechend empfehlen, wenn die betreffenden Produkte diesen Präferenzen nicht entsprechen. Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, sollten ihren Kunden oder potenziellen Kunden erklären, aus welchen Gründen sie dies nicht tun, und die Begründung aufzeichnen.
(14)
Es muss klargestellt werden, dass Versicherungsanlageprodukte, die nicht für die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen infrage kommen, von Versicherungsvermittlern und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, weiterhin empfohlen werden dürfen, jedoch nicht als Produkt, das individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen entspricht. Um weitere Empfehlungen an Kunden oder potenzielle Kunden auch dann zu ermöglichen, wenn Versicherungsanlageprodukte den Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden nicht entsprechen, sollte der Kunde die Möglichkeit haben, die Angaben zu seinen Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen. Um unlautere Verkaufspraktiken und Greenwashing zu verhindern, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, Aufzeichnungen über die Entscheidung des Kunden sowie die Erklärung des Kunden zur Anpassung seiner Angaben führen.
(15)
Die Bestimmungen dieser Verordnung sind eng miteinander und mit den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/2088 verknüpft, denn sie schaffen eine umfassende Offenlegungsregelung für Nachhaltigkeitsaspekte. Um eine kohärente Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen zu ermöglichen und sicherzustellen, dass den Marktteilnehmern, den zuständigen Behörden und den Anlegern ein umfassendes Verständnis dieser Bestimmungen und ein einfacher Zugang zu ihnen ermöglicht werden, ist es wünschenswert, sie in einem einzigen Rechtsakt zusammenzufassen.
(16)
Die Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 der Kommission(9) sollten deshalb entsprechend geändert werden.
(17)
Die zuständigen Behörden sowie die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen sollten ausreichend Zeit erhalten, um sich an die neuen Anforderungen dieser Verordnung anzupassen. Deren Geltungsbeginn sollte daher zurückgestellt werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 26 vom 2.2.2016, S. 19.

(2)

Beschluss (EU) 2016/1841 des Rates vom 5. Oktober 2016 über den Abschluss des im Rahmen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen geschlossenen Übereinkommens von Paris im Namen der Europäischen Union (ABl. L 282 vom 19.10.2016, S. 1).

(3)

COM(2019) 640 final.

(4)

COM(2018) 97 final.

(5)

Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission vom 21. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber (ABl. L 341 vom 20.12.2017, S. 1).

(6)

SWD(2018) 264 final.

(7)

Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (ABl. L 198 vom 22.6.2020, S. 13).

(8)

Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (ABl. L 317 vom 9.12.2019, S. 1).

(9)

Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 der Kommission vom 21. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln (ABl. L 341 vom 20.12.2017, S. 8).

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.