Präambel VO (EU) 2021/1423

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie (EU) 2021/555 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. März 2021 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen(1), insbesondere auf Artikel 18 Absatz 5 Unterabsatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
In den Artikeln 9 und 10 der Richtlinie (EU) 2021/555 ist die Erteilung von Genehmigungen für den Erwerb oder Besitz von Feuerwaffen der Kategorie A oder der Kategorie B geregelt, einschließlich der Erteilung von Genehmigungen durch Bestätigung, Erneuerung oder Verlängerung einer bestehenden Genehmigung. In Kapitel 2 der Richtlinie sind auch die regelmäßige Überprüfung und der Widerruf dieser Genehmigungen geregelt.
(2)
Nach Artikel 18 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2021/555 sind die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet, Informationen über nach Maßgabe der Artikel 9 und 10 der Richtlinie aus Gründen der Sicherheit oder im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit der betreffenden Person versagte Genehmigungen auszutauschen. Da in der Richtlinie (EU) 2021/555 die Begriffe der Gründe der Sicherheit oder der Gründe im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit der betreffenden Person nicht definiert werden, sollten die Mitgliedstaaten bei ihrer Auslegung die Ziele der Richtlinie (EU) 2021/555, insbesondere Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b, berücksichtigen.
(3)
Die Verpflichtung gemäß Artikel 18 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2021/555 in Bezug auf Versagungen von Genehmigungen bezieht sich auf jede Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung, die von einer Behörde eines Mitgliedstaats getroffen wurde und deren Zweck oder Wirkung darin besteht, eine Person daran zu hindern, eine unter Artikel 9 oder 10 der Richtlinie fallende Feuerwaffe zu erwerben oder zu besitzen — unabhängig davon, ob ein Antrag auf Genehmigung gestellt wurde, ob sie sich auf bestimmte Feuerwaffen bezieht oder ob sie aufgrund von Befugnissen getroffen wurde, die sich speziell aus der Richtlinie ergeben. So deckt die Verpflichtung beispielsweise ein Pauschalverbot des Erwerbs oder Besitzes von Feuerwaffen durch eine bestimmte Person ab, unabhängig davon, ob diese Person zuvor eine Genehmigung beantragt hatte. Sie umfasst auch alle Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen, mit denen eine bestehende Genehmigung widerrufen oder mit denen eine bestehende Genehmigung nicht bestätigt, erneuert oder verlängert wird. Nach Artikel 18 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2021/555 müssen die zuständigen Behörden Informationen über alle diese verschiedenen Arten von Entscheidungen austauschen, sofern die Entscheidung entweder aus Gründen der Sicherheit oder im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit der betreffenden Person getroffen wurde.
(4)
Gemäß Artikel 18 Absatz 5 der Richtlinie (EU) 2021/555 muss die Kommission ein System für den Austausch von Informationen im Sinne jenes Artikels einrichten. Dies würde daher ein System für den Austausch der in Absatz 4 jenes Artikels genannten Informationen über die Versagung von Genehmigungen umfassen.
(5)
Die Bestimmungen über die Verwaltungszusammenarbeit in Artikel 18 der Richtlinie (EU) 2021/555 in Bezug auf die Verbringung von Feuerwaffen von einem Mitgliedstaat in einen anderen sind Gegenstand eines Pilotprojekts gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(2). Das mit jener Verordnung eingerichtete Binnenmarkt-Informationssystem könnte auch ein wirksames Instrument zur Umsetzung der in Artikel 18 Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2021/555 festgelegten Bestimmung über die Verwaltungszusammenarbeit im Hinblick auf Versagungen von Genehmigungen darstellen. Daher wurde durch den Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1427(3) der Kommission beschlossen, diese Bestimmung zum Gegenstand eines Pilotprojekts gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 zu machen. Um die personenbezogenen Daten natürlicher Personen und ihr Recht auf Privatsphäre zu schützen, sieht der genannte Durchführungsbeschluss vor, dass es das Binnenmarkt-Informationssystem den nationalen Behörden nur erlaubt, zu prüfen, ob Informationen über bestimmte Personen in das Binnenmarkt-Informationssystem aufgenommen worden sind, und nicht anhand allgemeinerer Kriterien zu suchen. Die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 enthält auch spezifische Garantien für den Zugriff auf personenbezogene Daten im Binnenmarkt-Informationssystem und deren Verarbeitung, beispielsweise die Vorschriften nach Artikel 9 Absatz 4, die den Zugang lediglich nach dem Grundsatz „Kenntnis nur, wenn nötig” gestatten. Es ist daher angezeigt, das Binnenmarkt-Informationssystem als das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu verwendende System für den Informationsaustausch über Versagungen von Genehmigungen zu bestimmen und detaillierte Vorkehrungen für diesen Austausch festzulegen.
(6)
Um einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten zu vermeiden, sollten die in dieser Verordnung festgelegten detaillierten Vorkehrungen für den Austausch von Informationen über das Binnenmarkt-Informationssystem nur für Entscheidungen über Versagungen gelten, die von nationalen Verwaltungs- oder Justizbehörden ab dem Geltungsbeginn der vorliegenden Verordnung getroffen werden.
(7)
Um die Datenschutzrechte der Betreffenden zu wahren, sollten die von einer zuständigen Behörde in das Binnenmarkt-Informationssystem einzugebenden Informationen auf das Mindestmaß beschränkt werden, das erforderlich ist, damit die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten überprüfen können, ob eine bestimmte Person Gegenstand einer Entscheidung über eine Versagung aus Gründen der Sicherheit oder im Zusammenhang mit ihrer Zuverlässigkeit ist oder war. Die Informationen sollten daher, was personenbezogene Daten betrifft, nur Angaben wie den Namen einer Person, deren Geburtsort und -land sowie deren Staatsangehörigkeit enthalten.
(8)
Ebenfalls zum Schutz der personenbezogenen Daten natürlicher Personen und ihres Rechts auf Privatsphäre sollten keine Informationen zu den spezifischen Gründen, aus denen eine Entscheidung über eine Versagung getroffen wurde, im Binnenmarkt-Informationssystem erfasst werden. Insbesondere sollten im Binnenmarkt-Informationssystem keine Informationen über das Strafregister einer Person oder deren Gesundheits- oder psychischen Zustand erfasst werden. Benötigt eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats weitere Informationen über die Gründe für die Entscheidung über eine Versagung, kann diese zuständige Behörde mit der betreffenden Behörde des anderen Mitgliedstaats außerhalb des Binnenmarkt-Informationssystems unter Verwendung geeigneter Kommunikationsmittel und unter Einhaltung der einschlägigen Datenschutzbestimmungen Kontakt aufnehmen. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten bei der Eingabe einer Entscheidung über eine Versagung in das Binnenmarkt-Informationssystem den Namen und die Kontaktdaten der Verwaltungs- oder Justizbehörde angeben, die die Entscheidung über eine Versagung getroffen hat, sowie gegebenenfalls den Namen und die Kontaktdaten der Behörde, die von den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten kontaktiert werden kann, wenn sie um weitere Informationen über die Entscheidung über eine Versagung ersuchen.
(9)
Versagungen sollten auch dann im Binnenmarkt-Informationssystem erfasst werden, wenn sie administrativ oder gerichtlich angefochten werden können. Wird eine Entscheidung über eine Versagung zurückgenommen oder auf andere Weise für ungültig erklärt, nachdem Informationen zur Entscheidung in das Binnenmarkt-Informationssystem eingegeben wurden, sollte die zuständige Behörde verpflichtet sein, den Eintrag zu dieser Versagung spätestens 30 Kalendertage, nachdem die Entscheidung über eine Versagung zurückgenommen oder für ungültig erklärt wurde, zu entfernen.
(10)
Um sicherzustellen, dass die im Binnenmarkt-Informationssystem enthaltenen Informationen richtig und vollständig bleiben, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, ihre Einträge immer dann zu aktualisieren, wenn eine wichtige Änderung eintritt. Falls beispielsweise ein fünfjähriges Verbot zu einem späteren Zeitpunkt auf drei Jahre herabgesetzt würde, müsste der Mitgliedstaat den Eintrag aktualisieren, um das neue Enddatum des Verbotszeitraums zu erfassen. Bei Verboten von mehr als 10 Jahren Dauer sowie unbefristet geltenden Verboten sollten die Mitgliedstaaten darüber hinaus verpflichtet sein, den Eintrag mindestens einmal alle 10 Jahre zu überprüfen und seine Gültigkeit zu bestätigen (oder ihn entsprechend zu aktualisieren).
(11)
Es ist notwendig, den Zeitraum festzulegen, in dem die Mitgliedstaaten Informationen über eine bestimmte Versagung im Binnenmarkt-Informationssystem einsehen können. Was diesen Zeitraum betrifft, ist zwischen der Notwendigkeit, das Informationsaustauschsystem für die Mitgliedstaaten so wirksam und nützlich wie möglich zu gestalten, und der Notwendigkeit, die personenbezogenen Daten natürlicher Personen und deren Recht auf Privatsphäre zu schützen, ein ausgewogenes Verhältnis herzustellen. Bei einer Versagung kann es sich um eine einfache, einmalige Entscheidung handeln, mit der ein Antrag auf Genehmigung abgelehnt wird, wobei der Antragsteller in der Zukunft jederzeit die Möglichkeit hat, erneut einen Antrag auf Genehmigung zu stellen; es kann sich jedoch auch um eine Entscheidung mit anhaltender Wirkung handeln, z. B. eine Ablehnungsentscheidung, durch die dem Antragsteller unmittelbar oder mittelbar für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird, einen erneuten Antrag auf Genehmigung zu stellen, oder eine Entscheidung, durch die eine Person für einen bestimmten Zeitraum oder für unbestimmte Zeit daran gehindert wird, Feuerwaffen zu besitzen. Unter Berücksichtigung des derzeitigen Vorgehens der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die verschiedenen Möglichkeiten einer Versagung sollte mit der vorliegenden Verordnung festgelegt werden, dass Informationen über solche Entscheidungen für folgende Zeiträume im Binnenmarkt-Informationssystem zugänglich sein sollten: 10 Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung über eine Versagung getroffen wurde, im Falle von einfachen, einmaligen Entscheidungen und 10 Jahre, nachdem die Entscheidung über eine Versagung nicht mehr rechtsgültig ist, im Falle von Entscheidungen mit anhaltender Wirkung.
(12)
Die Kommission sollte diese Verordnung binnen zwei Jahren nach Geltungsbeginn überprüfen, um mögliche von den Mitgliedstaaten gemeldete Probleme bei der Durchführung zu berücksichtigen.
(13)
Die Anwendung dieser Verordnung sollte aufgeschoben werden, damit die Mitgliedstaaten ausreichend Zeit haben, die erforderlichen Verfahren einzuführen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 115 vom 6.4.2021, S. 1.

(2)

Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 1).

(3)

Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1427 der Kommission vom 21. Mai 2021 über ein Pilotprojekt zur Umsetzung der in der Richtlinie (EU) 2021/555 festgelegten Bestimmungen über die Verwaltungszusammenarbeit in Bezug auf Versagungen von Genehmigungen mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems (siehe Seite 20 dieses Amtsblatts).

© Europäische Union 1998-2021

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