Artikel 10 VO (EU) 2021/241
Maßnahmen zur Verknüpfung der Fazilität mit einer ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung
(1) Die Kommission schlägt dem Rat vor, die Mittelbindungen oder Zahlungen vollständig oder teilweise auszusetzen, wenn der Rat im Einklang mit Artikel 126 Absatz 8 oder Absatz 11 AEUV zu dem Schluss kommt, dass ein Mitgliedstaat keine wirksamen Maßnahmen zur Korrektur seines übermäßigen Defizits ergriffen hat, es sei denn, es wurde festgestellt, dass ein schwerwiegender Wirtschaftsabschwung für die gesamte Union im Sinne von Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates(1) vorliegt.
(2) Die Kommission kann dem Rat vorschlagen, die Mittelbindungen oder Zahlungen im Zusammenhang mit einem der folgenden Fälle vollständig oder teilweise auszusetzen:
- a)
- wenn der Rat im Einklang mit Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 zwei aufeinanderfolgende Empfehlungen zu ein und demselben Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht annimmt, weil der Mitgliedstaat einen unzureichenden Korrekturmaßnahmenplan eingereicht hat;
- b)
- wenn der Rat im Einklang mit Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 zwei aufeinanderfolgende Beschlüsse zu ein und demselben Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht annimmt, mit denen er die Nichteinhaltung durch einen Mitgliedstaat feststellt, weil die empfohlenen Korrekturmaßnahmen nicht ergriffen wurden;
- c)
- wenn die Kommission zu dem Schluss kommt, dass ein Mitgliedstaat keine Maßnahmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 ergriffen hat, und daher beschließt, die Auszahlung der diesem Mitgliedstaat gewährten finanziellen Unterstützung nicht zu genehmigen;
- d)
- wenn der Rat beschließt, dass der Mitgliedstaat das in Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 472/2013 genannte makroökonomische Anpassungsprogramm bzw. die vom Rat im Wege eines gemäß Artikel 136 Absatz 1 AEUV angenommenen Beschlusses geforderten Maßnahmen nicht befolgt.
Die Aussetzung von Mittelbindungen wird vorrangig behandelt; Zahlungen werden nur ausgesetzt, wenn unmittelbare Maßnahmen erforderlich sind und im Falle erheblicher Verstöße.
Der Beschluss über die Aussetzung der Zahlungen gilt für Zahlungsanträge, die nach dem Datum des Aussetzungsbeschlusses eingereicht werden.
(3) Ein Vorschlag der Kommission für einen Beschluss über die Aussetzung von Mittelbindungen gilt als vom Rat angenommen, sofern der Rat nicht im Wege eines Durchführungsrechtsakts beschließt, den Vorschlag binnen eines Monats nach Übermittlung durch die Kommission mit qualifizierter Mehrheit abzulehnen.
Die Aussetzung der Mittelbindungen wird auf die Mittelbindungen ab dem 1. Januar des auf die Annahme des Aussetzungsbeschlusses folgenden Jahres angewandt.
Der Rat nimmt auf Vorschlag der Kommission für die Aussetzung der Zahlungen gemäß den Absätzen 1 und 2 einen Beschluss im Wege eines Durchführungsrechtsakts an.
(4) Der Anwendungsbereich und die Höhe der Aussetzung der Mittelbindungen oder Zahlungen müssen verhältnismäßig sein, der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten Rechnung tragen und die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten des betreffenden Mitgliedstaats, insbesondere das Ausmaß der Arbeitslosigkeit, der Armut und der sozialen Ausgrenzung in dem betreffenden Mitgliedstaat im Vergleich mit dem Unionsdurchschnitt und die Auswirkungen der Aussetzung auf die Wirtschaft des betreffenden Mitgliedstaats, berücksichtigen.
(5) Die Aussetzung der Mittelbindungen beträgt in allen nachstehend aufgeführten Fällen höchstens 25 % der Mittelbindungen oder 0,25 % des nominalen BIP, je nachdem, welcher Wert niedriger ist:
- a)
- beim ersten Fall der Nichteinhaltung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gemäß Absatz 1;
- b)
- beim ersten Fall der Nichteinhaltung in Bezug auf einen Korrekturmaßnahmenplan im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht gemäß Absatz 2 Buchstabe a;
- c)
- beim Fall der Nichteinhaltung einer empfohlenen Korrekturmaßnahme im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht gemäß Absatz 2 Buchstabe b;
- d)
- beim ersten Fall der Nichteinhaltung gemäß Absatz 2 Buchstaben c und d.
Dauert die Nichteinhaltung an, so kann die Aussetzung der Mittelbindungen die in Unterabsatz 1 angegebenen maximalen Prozentsätze übersteigen.
(6) Der Rat hebt die Aussetzung der Mittelbindungen auf Vorschlag der Kommission im Einklang mit dem Verfahren gemäß Absatz 3 Unterabsatz 1 des vorliegenden Artikels in den folgenden Fällen auf:
- a)
- wenn das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im Einklang mit Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 ruht oder der Rat beschließt, im Einklang mit Artikel 126 Absatz 12 AEUV, den Beschluss über das Bestehen eines übermäßigen Defizits aufzuheben;
- b)
- wenn der Rat den vom betreffenden Mitgliedstaat gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 eingereichten Korrekturmaßnahmenplan billigt oder das Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht gemäß Artikel 10 Absatz 5 jener Verordnung ruhen gelassen wird oder der Rat das Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht gemäß Artikel 11 jener Verordnung einstellt;
- c)
- wenn die Kommission zu dem Schluss kommt, dass der Mitgliedstaat geeignete Maßnahmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 ergriffen hat;
- d)
- wenn die Kommission zu dem Schluss kommt, dass der betreffende Mitgliedstaat geeignete Maßnahmen zur Durchführung des makroökonomischen Anpassungsprogramms gemäß Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 472/2013 oder die aufgrund eines gemäß Artikel 136 Absatz 1 AEUV angenommenen Beschlusses des Rates erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat.
Nachdem die Aussetzung der Mittelbindungen vom Rat aufgehoben wurde, kann die Kommission unbeschadet des Artikels 3 Absätze 4, 7 und 9 der Verordnung (EU) 2020/2094 die zuvor ausgesetzten Mittelbindungen wieder eingehen.
Ein Beschluss über die Aufhebung der Aussetzung von Zahlungen ist vom Rat auf Vorschlag der Kommission im Einklang mit dem Verfahren gemäß Absatz 3 Unterabsatz 3 zu fassen, wenn die entsprechenden Bedingungen gemäß Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes erfüllt sind.
(7) Die Kommission hält das Europäische Parlament über die Durchführung dieses Artikels auf dem Laufenden. Insbesondere setzt die Kommission, wenn sie einen Vorschlag gemäß Absatz 1 oder 2 macht, das Europäische Parlament unverzüglich in Kenntnis und macht Angaben zu den Mittelbindungen und Zahlungen, die von einer Aussetzung betroffen sein könnten.
Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments kann die Kommission auffordern, die Anwendung dieses Artikels im Rahmen eines strukturierten Dialogs zu erörtern, damit das Europäische Parlament seine Ansichten äußern kann. Die vom Europäischen Parlament geäußerten Ansichten werden von der Kommission gebührend berücksichtigt.
Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat unverzüglich nach seiner Verabschiedung den Vorschlag für eine Aussetzung oder den Vorschlag für die Aufhebung einer solchen Aussetzung. Das Europäische Parlament kann die Kommission ersuchen, die Gründe für ihren Vorschlag zu erläutern.
(8) Bis zum 31. Dezember 2024 nimmt die Kommission eine Überprüfung der Anwendung dieses Artikels vor. Dazu erstellt die Kommission einen Bericht, den sie dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelt und dem sie bei Bedarf einen Legislativvorschlag beifügt.
(9) Ändert sich die soziale und wirtschaftliche Lage in der Union beträchtlich, so kann die Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung des Anwendungsbereichs des vorliegenden Artikels vorlegen, bzw. das Europäische Parlament oder der Rat können gemäß Artikel 225 bzw. 241 AEUV die Kommission ersuchen, einen derartigen Vorschlag vorzulegen.
Fußnote(n):
- (1)
Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6).
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