Artikel 19 VO (EU) 2021/782

Entschädigung

(1) Ohne das Recht auf Beförderung zu verlieren, hat ein Fahrgast bei Verspätungen Anspruch auf eine Entschädigung durch das Eisenbahnunternehmen, wenn er zwischen dem auf der Fahrkarte oder Durchgangsfahrkarte angegebenen Abfahrts- und Zielort eine Verspätung erleidet, für die keine Fahrpreiserstattung nach Artikel 18 erfolgt ist. Die Mindestentschädigung bei Verspätungen beträgt

a)
25 % des Preises der Fahrkarte bei einer Verspätung von 60 bis 119 Minuten;
b)
50 % des Preises der Fahrkarte ab einer Verspätung von 120 Minuten.

(2) Absatz 1 gilt auch für Fahrgäste, die eine Zeitfahrkarte besitzen. Wenn diesen Fahrgästen während der Gültigkeitsdauer ihrer Zeitfahrkarte wiederholt Verspätungen oder Zugausfälle widerfahren, haben sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß den Entschädigungsbedingungen des Eisenbahnunternehmens. In den Entschädigungsbedingungen werden die Kriterien zur Bestimmung der Verspätung und für die Berechnung der Entschädigung festgelegt. Treten während der Gültigkeitsdauer der Zeitfahrkarte wiederholt Verspätungen von weniger als 60 Minuten auf, so können diese Verspätungen zusammengerechnet werden, und die Fahrgäste können dafür gemäß den Entschädigungsbedingungen des Eisenbahnunternehmens entschädigt werden.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 wird die Entschädigung für eine Verspätung im Verhältnis zu dem vollen Preis berechnet, den der Fahrgast für den verspäteten Verkehrsdienst tatsächlich entrichtet hat. Wurde der Beförderungsvertrag für eine Hin- und Rückfahrt abgeschlossen, so wird die Entschädigung für eine entweder auf der Hin- oder auf der Rückfahrt aufgetretene Verspätung auf der Grundlage des Fahrpreises berechnet, der auf der Fahrkarte für die betreffende Teilstrecke angegeben ist. Wenn der Fahrpreis für die Einzelstrecken der Reise nicht angegeben ist, wird die Entschädigung dafür auf der Grundlage des halben entrichteten Fahrpreises berechnet. In gleicher Weise wird der Preis für einen verspäteten Verkehrsdienst, der im Rahmen eines sonstigen Beförderungsvertrags, der den Fahrgast berechtigt, zwei oder mehr aufeinanderfolgende Teilstrecken zu fahren, anteilig zum vollen Preis berechnet.

(4) Verspätungen, für die das Eisenbahnunternehmen nachweisen kann, dass sie außerhalb der Union eingetreten sind, werden bei der Berechnung der Verspätungsdauer nicht berücksichtigt.

(5) Die Kommission erlässt bis zum 7. Juni 2023 einen Durchführungsrechtsakt mit einem einheitlichen Formular für Anträge auf Entschädigung gemäß dieser Verordnung. Das einheitliche Formular wird in einem für Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglichen Format erstellt. Dieser Durchführungsrechtsakt wird gemäß dem in Artikel 38 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(6) Die Mitgliedstaaten können Eisenbahnunternehmen zur Annahme von Entschädigungsanträgen über bestimmte Kommunikationsmittel verpflichten, sofern die Verpflichtung keine Diskriminierung zur Folge hat. Die Fahrgäste sind berechtigt, ihre Anträge unter Verwendung des in Absatz 5 genannten einheitlichen Formulars einzureichen. Eisenbahnunternehmen dürfen Anträge auf Entschädigung nicht allein aus dem Grund ablehnen, dass der Fahrgast dieses Formular nicht verwendet hat. Ist ein Antrag nicht präzise genug, so ersucht das Eisenbahnunternehmen den Fahrgast um Klarstellung des Antrags und leistet ihm dabei Unterstützung.

(7) Die Zahlung der Entschädigung erfolgt innerhalb von einem Monat nach Einreichung des Antrags auf Entschädigung. Die Entschädigung kann in Form von Gutscheinen und/oder anderen Leistungen erfolgen, sofern deren Bedingungen flexibel sind, insbesondere bezüglich des Gültigkeitszeitraums und des Zielorts. Die Entschädigung erfolgt auf Wunsch des Fahrgasts in Form eines Geldbetrags.

(8) Der Entschädigungsbetrag darf nicht um Kosten der Finanztransaktion wie Gebühren, Telefonkosten oder Porti gekürzt werden. Die Eisenbahnunternehmen dürfen Mindestbeträge festlegen, unterhalb deren keine Entschädigungszahlungen vorgenommen werden. Dieser Mindestbetrag darf höchstens 4 EUR pro Fahrkarte betragen.

(9) Fahrgäste haben keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie bereits vor dem Fahrkartenkauf über eine Verspätung informiert wurden oder wenn bei ihrer Ankunft am Zielort eine Verspätung aufgrund der Fortsetzung der Reise mit einem anderen Verkehrsdienst oder mit geänderter Streckenführung weniger als 60 Minuten beträgt.

(10) Eisenbahnunternehmen sind nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, wenn sie nachweisen können, dass Verspätungen, verpasste Anschlüsse oder Zugausfälle als direkte Folge von oder in untrennbarem Zusammenhang mit folgenden Umständen aufgetreten sind:

a)
außerhalb des Eisenbahnbetriebs liegende, außergewöhnliche Umstände wie extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen oder schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die das Eisenbahnunternehmen trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen es nicht abwenden konnte,
b)
Verschulden des Fahrgasts oder
c)
Verhalten eines Dritten wie Betreten der Gleise, Kabeldiebstahl, Notfälle im Zug, Strafverfolgungsmaßnahmen, Sabotage oder Terrorismus, das das Eisenbahnunternehmen trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen es nicht abwenden konnte.

Streiks des Personals des Eisenbahnunternehmens, Handlungen oder Unterlassungen eines anderen Unternehmens, das dieselbe Eisenbahninfrastruktur nutzt, und Handlungen oder Unterlassungen der Infrastrukturbetreiber und Bahnhofsbetreiber fallen nicht unter die Ausnahme nach Unterabsatz 1 Buchstabe c.

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