Präambel VO (EU) 2021/930

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012(1), insbesondere auf Artikel 181 Absatz 3 Unterabsatz 3 und Artikel 182 Absatz 4 Unterabsatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Nach Artikel 181 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 müssen die Institute bei der Quantifizierung der Risikoparameter für bestimmte Bonitätsstufen oder -pools eigene LGD-Schätzungen verwenden, die einem Konjunkturabschwung angemessen sind, falls diese konservativer sind als der langfristige Durchschnitt. Analog dazu sind die Institute nach Artikel 182 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung verpflichtet, eigene Umrechnungsfaktorschätzungen zu verwenden, die einem Konjunkturabschwung angemessen sind, falls diese konservativer sind als der langfristige Durchschnitt.
(2)
Angesichts der Besonderheiten der unterschiedlichen Portfolios sollten die Institute verpflichtet werden, Konjunkturabschwünge für jede Risikopositionsart im Sinne des Artikels 142 Absatz 1 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 getrennt zu ermitteln.
(3)
Die Art eines Konjunkturabschwungs für eine bestimmte Risikopositionsart sollte anhand von ökonomischen Indikatoren bestimmt werden, die entweder als erklärende Variablen oder als Indikatoren für den Konjunkturzyklus gelten, der spezifisch für diese Risikopositionsart ist. Die ökonomischen Indikatoren sollten sowohl makroökonomische als auch kreditbezogene Indikatoren umfassen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Institute bei vergleichbaren Risikopositionsarten im Allgemeinen denselben Konjunkturabschwung ermitteln.
(4)
Wenngleich die Höhe der realisierten LGDs und der realisierten Umrechnungsfaktoren infolge eines Konjunkturabschwungs erheblich über dem langfristigen Durchschnitt liegen kann, sollten die einen Konjunkturabschwung kennzeichnenden Bedingungen nicht mit den für Stresstests herangezogenen Bedingungen gleichgesetzt werden. Bei Stresstests können gravierendere Bedingungen und möglicherweise extremere Szenarien zugrunde gelegt werden, die nicht unbedingt auf historischen Daten beruhen. Die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und die zu ihrer Ergänzung erlassenen delegierten Rechtsakte enthalten angemessene Regelungen für die Durchführung erforderlicher Stresstests, und die Bestimmungen zu eigenen LGD-Schätzungen und eigenen Umrechnungsfaktorschätzungen schreiben keine Stresstests vor. Bei der Bestimmung eines Konjunkturabschwungs für die Zwecke eigener LGD-Schätzungen und eigener Umrechnungsfaktorschätzungen sollten stattdessen historisch beobachtete wirtschaftliche Bedingungen zugrunde gelegt werden.
(5)
Die Schwere eines Konjunkturabschwungs sollte anhand der gravierendsten Zwölfmonatswerte bestimmt werden, die bei den ökonomischen Indikatoren, die die Art eines Abschwungs bei der betreffenden Risikopositionsart kennzeichnen, innerhalb einer angemessenen historischen Zeitspanne beobachtet wurden. Für jeden ökonomischen Indikator sollte der gravierendste Zwölfmonatswert verwendet werden, da damit eine Balance zwischen Stabilität und der Ermittlung der gravierendsten Bedingungen innerhalb einer angemessenen Zeitspanne hergestellt wird. Dieser Ansatz wurde wegen der Einfachheit der Zwölfmonatsbetrachtung und auch deshalb gewählt, weil ein längerer Zeitraum die bei einem ökonomischen Indikator beobachteten ungünstigen Bedingungen möglicherweise verwässern könnte. Kürzere Betrachtungszeiträume (z. B. Quartale) könnten saisonalen Einflüssen unterliegen. Bei Zugrundelegung von Durchschnittswerten eines längeren Zeitraums (z. B. 36 Monate) könnten gravierende Bedingungen hingegen verborgen bleiben.
(6)
Selbst bei jährlich gemeldeten ökonomischen Indikatoren sind die Zwölfmonatszeiträume, auf die sich die Indikatoren beziehen, nicht unbedingt in allen Fällen gleich. So beziehen sich einige Indikatoren auf Kalenderjahre, andere auf Geschäftsjahre, wiederum andere auf Steuerjahre usw. Für die Zwecke der Ermittlung eines Konjunkturabschwungs sollte es daher möglich sein, sowohl im Falle jährlich gemeldeter als auch im Falle häufiger gemeldeter ökonomischer Indikatoren Zwölfmonatszeiträume zu verwenden, die zu einem beliebigen Zeitpunkt des Jahres beginnen können.
(7)
Da eine Risikopositionsart Risikopositionen beinhalten kann, die mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern, Branchen oder geografischen Regionen zusammenhängen, kann ein Konjunkturabschwung für eine Risikopositionsart eine oder mehrere gesonderte „Abschwungperioden” umfassen. Eine Abschwungperiode sollte als ein Zeitraum von bestimmter Dauer betrachtet werden, in dem ein relevanter ökonomischer Indikator den gravierendsten Zwölfmonatswert aufweist. Wenn die Spitzen oder Täler für die gravierendsten Zwölfmonatswerte bei mindestens zwei ökonomischen Indikatoren gleichzeitig oder kurz nacheinander erreicht werden, sollten alle diese ökonomischen Indikatoren derselben Abschwungperiode zugeordnet werden. Die Möglichkeit eines Konjunkturabschwungs mit mehr als einer gesonderten Abschwungperiode wird vorgesehen, um sicherzustellen, dass alle relevanten ökonomischen Indikatoren bei der Bestimmung sich nicht überschneidender Abschwungperioden, die bei einer einem Konjunkturabschwung angemessenen LGD- und Umrechnungsfaktorschätzung untersucht werden, berücksichtigt werden.
(8)
Um übermäßige Komplexität zu vermeiden, ist es angemessen, eine Liste der ökonomischen Indikatoren zu erstellen, die in allen Fällen zu berücksichtigen sind. Angesichts der Besonderheiten bestimmter Portfolios sollten die Institute jedoch auch zusätzliche ökonomische Indikatoren berücksichtigen müssen, bei denen es sich entweder um erklärende Variablen oder um Indikatoren für den Konjunkturzyklus handelt, der spezifisch für die jeweilige Risikopositionsart ist.
(9)
Angesichts der großen geografischen und sektoralen Vielfalt der Portfolios ist es nicht praktikabel, die genauen Datenquellen vorzuschreiben, die für jeden aufgeführten Indikator in jedem einzelnen Rechtsraum weltweit und jedem einzelnen Sektor zu verwenden sind. Darüber hinaus sind die Institute nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bereits verpflichtet, verlässliche Daten zu verwenden und über robuste Systeme zur Validierung der Schätzung aller Risikoparameter zu verfügen. Folglich müssen die Institute in jedem Fall die Genauigkeit und Verlässlichkeit der für die Ermittlung der Indikatorwerte verwendeten Datenquellen nachweisen. Es ist daher nicht erforderlich, in dieser Verordnung spezifische Vorschriften für die genau zu verwendenden Datenquellen festzulegen.
(10)
Die Institute sollten geeignete und verlässliche Datenquellen heranziehen, doch sollten sie nicht verpflichtet sein, Daten für verfügbare ökonomische Indikatoren zu beschaffen, wenn die damit verbundenen Kosten angesichts der Art des Indikators und der Materialität der betreffenden Risikopositionsart im Vergleich zu den anderen Risikopositionsarten des Portfolios unverhältnismäßig sind.
(11)
Bei den ökonomischen Indikatoren ist das Niveau oder die Veränderung zu betrachten, je nachdem, wie der betreffende ökonomische Indikator gemeinhin gemeldet wird und inwieweit er zyklische Effekte abzubilden vermag.
(12)
Die ökonomischen Indikatoren sollten für jeden Rechtsraum oder — falls angemessen — für jede geografische Region innerhalb eines Rechtsraums, der bzw. die einen wesentlichen Anteil an der betreffenden Risikopositionsart ausmacht, in den relevanten ökonomischen Indikatoren enthalten sein. Damit soll sichergestellt werden, dass die Indikatoren die geografische Zusammensetzung der Risikopositionsart angemessen widerspiegeln. Eine ähnliche Regelung sollte auch für jede Branche gelten, die einen wesentlichen Anteil an der betreffenden Risikopositionsart ausmacht. Nur in Fällen, in denen unterschiedliche Rechtsräume oder Branchen einen starken Gleichlauf der tatsächlichen Werte der ökonomischen Indikatoren aufweisen, sollte es Instituten gestattet sein, diese Rechtsräume oder Branchen für die Zwecke der Ermittlung eines Konjunkturabschwungs zusammenzufassen.
(13)
Die historische Zeitspanne, in der die Werte für einen bestimmten ökonomischen Indikator zu prüfen sind, sollte näher bestimmt werden. Für jeden ökonomischen Indikator sollte standardmäßig eine Zeitspanne von 20 Jahren festgelegt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die historische Beobachtungszeitspanne mindestens zwei Konjunkturzyklen abdeckt. Beinhaltet eine solche Zeitspanne von 20 Jahren jedoch keine hinreichend gravierenden Werte, sollten die Institute verpflichtet sein, weiter in die Datenhistorie zurückzugehen. Werte sollten dann als „nicht hinreichend gravierend” gelten, wenn die Schwankungsbreite des betreffenden ökonomischen Indikators im Beobachtungszeitraum von 20 Jahren für die erwartete Schwankungsbreite des Indikators in der Zukunft nicht repräsentativ ist.
(14)
Der Einfachheit und besseren Vergleichbarkeit halber sollte eine Abschwungperiode eine Dauer von mindestens 12 Monaten haben. Um eine größere Genauigkeit der Ergebnisse sicherzustellen, sollte dieser Zeitraum als Mindestdauer betrachtet werden. Die Institute sollten eine längere Dauer zugrunde legen müssen, wenn der gravierendste Wert für den mit einer Abschwungperiode verbundenen ökonomischen Indikator einen längeren Abschwung impliziert beziehungsweise wenn die gravierendsten Werte für die mit einer Abschwungperiode verbundenen ökonomischen Indikatoren einen längeren Abschwung implizieren. Die Dauer einer Abschwungperiode sollte die ungünstigen Bedingungen beim zyklischen Verhalten, welches spezifisch für die betreffende Risikopositionsart ist, widerspiegeln und nicht strukturelle Veränderungen in der Ökonomie, die sich langfristig auf die Werte der ökonomischen Indikatoren auswirken.
(15)
Gemäß den in der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 genannten Anforderungen an die Schätzung der LGD und der Umrechnungsfaktoren müssen die Institute die Gestaltung und die operationellen Einzelheiten ihrer Ratingsysteme einschließlich ihrer Verfahren zur Ermittlung von Konjunkturabschwüngen dokumentieren und Nachweise für die Einhaltung der in der genannten Verordnung vorgesehenen Anforderungen an Schätzungen aufbewahren. Darüber hinaus sind die Institute nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 verpflichtet, ihre LGD- und Umrechnungsfaktorschätzungen sowie alle für die Durchführung dieser Schätzungen erforderlichen einfließenden Daten zu überprüfen, sobald neue Informationen bekannt werden, in jedem Fall aber mindestens jährlich.
(16)
Die Bestimmungen dieser Verordnung sind eng miteinander verknüpft, da sie die Art, Schwere und Dauer eines Konjunkturabschwungs betreffen, der sich auf zwei verschiedene Risikoparameter auswirkt, die beide für die Zwecke der Anwendung des auf internen Beurteilungen basierenden Ansatzes (IRB-Ansatz) verwendet werden, nämlich eigene LGD-Schätzungen und eigene Umrechnungsfaktorschätzungen. Um sicherzustellen, dass die Bestimmungen für die Ermittlung eines Konjunkturabschwungs für die LGD-Schätzung und eines Konjunkturabschwungs für die Umrechnungsfaktorschätzung kohärent sind und gleichzeitig in Kraft treten, und um einen einfachen Zugang zu diesen Vorschriften sicherzustellen, sollten die in Artikel 181 Absatz 3 und die in Artikel 182 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vorgesehenen technischen Regulierungsstandards in einer einzigen Verordnung festgelegt werden.
(17)
Angesichts der Wechselwirkungen mit anderen Rechtsakten der Union, die im Zusammenhang mit eigenen LGD- und Umrechnungsfaktorschätzungen von Bedeutung sind, sollte der Geltungsbeginn dieser Verordnung bis zum 1. Januar 2021 aufgeschoben werden. Insbesondere müssen die Institute die geänderte Erheblichkeitsschwelle einhalten, die von den zuständigen Behörden im Einklang mit der Delegierten Verordnung (EU) 2018/171 der Kommission(2) festgelegt wurde.
(18)
Die vorliegende Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde übermittelt wurde.
(19)
Gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde zu dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, auf dem diese Verordnung beruht, öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeneffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der genannten Verordnung eingesetzten Interessengruppe Bankensektor eingeholt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1.

(2)

Delegierte Verordnung (EU) 2018/171 der Kommission vom 19. Oktober 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards bezüglich der Erheblichkeitsschwelle für überfällige Verbindlichkeiten (ABl. L 32 vom 6.2.2018, S. 1).

(3)

Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12).

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