Präambel VO (EU) 2022/20

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG(1), insbesondere auf Artikel 44 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 wurde der Rechtsrahmen für die Durchführung klinischer Prüfungen mit Humanarzneimitteln in der Union festgelegt, mit dem sichergestellt wird, dass die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen der Prüfungsteilnehmer (im Folgenden „Teilnehmer” ) geschützt werden und die gewonnenen Daten zuverlässig und belastbar sind. Obgleich die Gesamtverantwortung für die Sicherheit der Teilnehmer beim Sponsor der klinischen Prüfung liegt, wird diese durch die zusätzliche Aufsicht durch die Mitgliedstaaten gestärkt, unter anderem durch deren Zusammenarbeit bei der Bewertung der Sicherheit der Prüfpräparate.
(2)
Nach Artikel 42 und 43 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 ist vorgesehen, dass der Sponsor einer klinischen Prüfung alle mutmaßlichen unerwarteten schwerwiegenden Nebenwirkungen von Prüfpräparaten, die während dieser klinischen Prüfung auftreten, meldet und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (im Folgenden „Agentur” ) über die in Artikel 40 Absatz 1 der Verordnung genannte Datenbank jährliche Sicherheitsberichte übermittelt. Gemäß Artikel 44 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 leitet die Agentur die im Rahmen dieser Bestimmungen gemeldeten Informationen an die betroffenen Mitgliedstaaten weiter, die bei der Bewertung dieser Informationen zusammenarbeiten, wobei gegebenenfalls die zuständige Ethik-Kommission einbezogen wird.
(3)
Durch die Regelung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bewertung von Informationen und Berichten, die gemäß den Artikeln 42 und 43 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 übermittelt werden, wird ein Rahmen geschaffen, der zur Harmonisierung im Bereich der Sicherheit beiträgt und die Kontrolle über die Sicherheitsaufsicht in der Union stärkt. Dies sollte die Sicherheit der Teilnehmer in klinischen Prüfungen stärken und zu einer verbesserten Belastbarkeit der Daten im Hinblick auf das Sicherheitsprofil von Prüfpräparaten und ihre entsprechenden Wirkstoffe beitragen.
(4)
Die Aufsicht über die Sicherheit von Wirkstoffen, die als Prüfpräparate in klinischen Prüfungen verwendet werden, die nur in einem Mitgliedstaat genehmigt sind (mononationale Wirkstoffe), von Wirkstoffen in Prüfpräparaten, die als Vergleichspräparate einschließlich als Placebo verwendet werden, und von Wirkstoffen, die in Hilfspräparaten verwendet werden, sollte von dieser Verordnung nicht erfasst werden.
(5)
Um eine wirkungsvolle und effiziente Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Bewertung von Informationen und Berichten sicherzustellen, die gemäß den Artikeln 42 und 43 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 übermittelt werden, sollte für jeden in Prüfpräparaten verwendeten Wirkstoff ein Mitgliedstaat ernannt werden, der die Informationen und Berichte bewertet (im Folgenden „die Sicherheit bewertender Mitgliedstaat” ), wobei eine faire Verteilung der Arbeitsbelastung zwischen den Mitgliedstaaten sowie das vorhandene Fachwissen hinsichtlich des jeweiligen Wirkstoffs berücksichtigt werden.
(6)
Unter Berücksichtigung der erheblichen Ausfallrate von Wirkstoffen im Entwicklungslebenszyklus sowie der Tatsache, dass nur ein Anteil der Wirkstoffe in der Union als multinationale Wirkstoffe untersucht werden, sollten sicherheitsrelevante Informationen über einen mononationalen Wirkstoff vom berichterstattenden Mitgliedstaat bewertet werden. Diese Bewertungen des berichterstattenden Mitgliedstaats sollten auf eine Weise aufgezeichnet werden, die Transparenz sicherstellt und Kontinuität ermöglicht, falls ein ursprünglich mononationaler Wirkstoff zu einem multinationalen Wirkstoff wird, beispielsweise durch Ausdehnung der klinischen Prüfung auf einen anderen Mitgliedstaat oder in Fällen, in denen ein anderer Mitgliedstaat eine klinische Prüfung genehmigt hat, die denselben Wirkstoff umfasst. Sobald ein mononationaler Wirkstoff zu einem multinationalen Wirkstoff wird, sollte er einer koordinierten Sicherheitsbewertung unterzogen werden.
(7)
Die Auswahl des ersten die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaats für einen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit unterliegenden Wirkstoff richtet sich nach dem in Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 genannten berichterstattenden Mitgliedstaat der ersten klinischen Prüfung, in der dieser Wirkstoff in der Union verwendet wird. Der berichterstattende Mitgliedstaat sollte den die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaat auswählen, wenn mehr als ein Mitgliedstaat oder kein Mitgliedstaat Interesse daran äußert, die Rolle des die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaats für einen Wirkstoff zu übernehmen.
(8)
Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Sicherheitsbewertung sollten verhältnismäßig zwischen den Mitgliedstaaten verteilt werden. Die Arbeitsbelastung im Zusammenhang mit der Sicherheitsaufsicht über einen Wirkstoff kann unter anderem von den vorhandenen Kenntnissen über die Sicherheit des Wirkstoffs sowie von Risikoanpassungen bei der Häufigkeit der Prüfungen und dem Umfang der Bewertungen abhängen.
(9)
Um im Laufe der Zeit eine verhältnismäßige Arbeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, sollte es möglich sein, die Rolle des die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaats auf Antrag des ursprünglichen die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaats zu übertragen, wenn der ursprüngliche die Sicherheit bewertende Mitgliedstaat in einer klinischen Prüfung, in der ein Wirkstoff eingesetzt ist, kein betroffener Mitgliedstaat mehr ist oder wenn die Arbeitsbelastung im Zusammenhang mit der Rolle des die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaats verglichen mit der Arbeitsbelastung der anderen Mitgliedstaaten unverhältnismäßig hoch wird. Die Kontinuität der Sicherheitsbewertung muss jedoch während des Auswahlprozesses für einen neuen die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaat zu jedem Zeitpunkt gewahrt bleiben.
(10)
Die Sicherheit bewertende Mitgliedstaaten sollten die Informationen bewerten, die gemäß den Artikeln 42 und 43 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 als mutmaßliche unerwartete schwerwiegende Nebenwirkungen sowie im Rahmen der jährlichen Sicherheitsberichte übermittelt werden. Wenn bei diesen Bewertungen Sicherheitsbedenken auftreten, sollte der die Sicherheit bewertende Mitgliedstaat allgemeine Empfehlungen hinsichtlich der Sicherheit des Wirkstoffs für die berichterstattenden Mitgliedstaaten und die anderen Mitgliedstaaten ausarbeiten, die von klinischen Prüfungen unter Verwendung von Prüfpräparaten mit diesem Wirkstoff betroffen sind. So werden die relevanten berichterstattenden Mitgliedstaaten und die betroffenen Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, geeignete und angemessene Korrekturmaßnahmen und andere Maßnahmen für die Verbesserung der Sicherheitsaufsicht in Bezug auf den Wirkstoff zu ergreifen, wenn dies notwendig ist.
(11)
Darüber hinaus können die berichterstattenden Mitgliedstaaten erwägen, die die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaaten in die Bewertung von Anträgen auf wesentliche Änderungen der Referenzinformationen zur Sicherheit einzubeziehen, die gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 eingereicht werden. Wesentliche Änderungen der Referenzinformationen zur Sicherheit können die Festlegung der Erwartungswahrscheinlichkeit schwerwiegender Nebenwirkungen und damit die Meldung von mutmaßlichen unerwarteten schwerwiegenden Nebenwirkungen beeinflussen. Um die Erwartungswahrscheinlichkeit schwerwiegender Nebenwirkungen im Zusammenhang mit einem Prüfpräparat zu ermitteln, ist daher ein harmonisierter Ansatz der Sicherheitsbewertung auf Grundlage eines gemeinsamen Referenzdokuments zu entwickeln. Der berichterstattende Mitgliedstaat und die betroffenen Mitgliedstaaten bleiben für die Bewertung aller wesentlichen Änderungen der Referenzinformationen zur Sicherheit verantwortlich.
(12)
Um die Aufsicht und Harmonisierung weiter zu verbessern und zu verhindern, dass verschiedene die Sicherheit bewertende Mitgliedstaaten verschiedene Prüfpräparate bewerten, die denselben Wirkstoff enthalten, sollte möglichst ein einziger die Sicherheit bewertender Mitgliedstaat die Sicherheit aller Prüfpräparate mit demselben Wirkstoff beurteilen, ungeachtet der Darreichungsform und der geprüften Dosierung oder Indikation und unabhängig davon, ob die Präparate in mehreren klinischen Prüfungen verwendet werden, die von denselben oder verschiedenen Sponsoren verwaltet werden. Mit einem derart koordinierten Vorgehen bei der Sicherheitsbewertung, das am Wirkstoff anstelle des Prüfpräparats ansetzt, kann Doppelarbeit vermieden werden; gleichzeitig können den die Sicherheit bewertenden Mitgliedstaaten genügend Kontextinformationen für die Sicherheitsbewertung zur Verfügung gestellt werden. Dieses Vorgehen entspricht auch der relevanten Leitlinie ICH E2F zu regelmäßigen Sicherheitsberichten (Development Safety Update Report, DSUR) des Internationalen Rates für die Angleichung der technischen Anforderungen an die Zulassung von Humanarzneimitteln (International Council on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use), die einen einzigen Sicherheitsbericht für einen Wirkstoff empfiehlt, um umfassende Analysen zu ermöglichen.
(13)
Hinsichtlich der Häufigkeit der Prüfung von Sicherheitsinformationen, des Ausmaßes der Bewertung und der Zeitvorgaben für Bewertung und Berichterstattung sollte ein risikobasierter Ansatz verfolgt werden. Risikoanpassungen sollten von den Kenntnissen über das Sicherheitsprofil des Wirkstoffs abhängig sein. Beispielsweise können Wirkstoffe, die bereits in der Union zugelassen sind, weniger häufig überprüft werden als Wirkstoffe ohne Zulassung.
(14)
Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Bewertung der Sicherheit von Wirkstoffen, die als Prüfpräparate in klinischen Prüfungen eingesetzt werden, sollte durch von der Agentur verwaltete relevante Informationssysteme wie das Informationssystem für klinische Prüfungen (Clinical Trials Information System, CTIS), die EudraVigilance-Datenbank und das EU-Arzneimittelverzeichnis unterstützt werden. Dies würde eine Zusammenführung von Informationen über sowie die Zusammenarbeit bei Sicherheitsbewertungen von klinische(n) Prüfungen ermöglichen, was wiederum erheblich zur Verbesserung des Wissensstands im Bereich der Sicherheit von Arzneimitteln beitragen würde, deren Markteinführung in der EU geplant ist bzw. die bereits in der Union erhältlich sind.
(15)
Die Kommission sollte kontrollieren können, ob Mitgliedstaaten die Einhaltung der Vorschriften für die koordinierte Sicherheitsbewertung der in den Berichten zu mutmaßlichen unerwarteten schwerwiegenden Nebenwirkungen und in den jährlichen Sicherheitsberichten übermittelten Informationen ordnungsgemäß überwachen.
(16)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des durch die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(2) eingeführten ständigen Ausschusses für Humanarzneimittel.
(17)
Diese Verordnung sollte ab demselben Zeitpunkt gelten wie die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1.

(2)

Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67).

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