Präambel VO (EU) 2023/1455

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung(1), insbesondere auf Artikel 15,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 schreibt vor, dass Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung zugelassen werden müssen, und regelt die Voraussetzungen und Verfahren für die Erteilung einer solchen Zulassung. Insbesondere sieht Artikel 15 der genannten Verordnung vor, dass die Kommission die Verwendung von Zusatzstoffen in besonderen Fällen vorläufig zulassen kann, in denen eine Zulassung dringend erforderlich ist, um den Schutz von Tieren zu gewährleisten.
(2)
Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 601/2013 der Kommission(2) wurden Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat, Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat und gecoatetes Cobalt(II)carbonat-Granulat als Futtermittelzusatzstoffe der Kategorie „ernährungsphysiologische Zusatzstoffe” und der Funktionsgruppe „Verbindungen von Spurenelementen” für einen Zeitraum von zehn Jahren zugelassen. Diese Zusatzstoffe wurden zur Verwendung bei Wiederkäuern mit voll entwickeltem Pansen, Equiden, Hasentieren, Nagetieren, herbivoren Reptilien und Zoosäugern zugelassen.
(3)
Innerhalb der in Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 genannten Frist wurde kein Antrag auf Verlängerung der am 15. Juli 2023 auslaufenden Zulassung der Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat gestellt.(3) Im Hinblick auf diese Zusatzstoffe wurde am 20. Oktober 2022 gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 ein Antrag auf eine neue Zulassung zur Verwendung bei denselben Tierarten, für die die vorherige Zulassung galt, und die Einordnung in die Zusatzstoffkategorie „ernährungsphysiologische Zusatzstoffe” und die Funktionsgruppe „Verbindungen von Spurenelementen” gestellt.
(4)
Angesichts des Zeitraums, der für die Bearbeitung des Antrags auf Zulassung der Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat benötigt wird, kann bis zum 15. Juli 2023 keine neue Zulassung für diese Zusatzstoffe erteilt werden.
(5)
Daher stellte ein Unternehmen am 30. Mai 2023 bei der Kommission einen Antrag auf Erteilung einer dringenden vorläufigen Zulassung gemäß Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 für die Verwendung der Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat bei Wiederkäuern, Pferden und Kaninchen.
(6)
In ihrem Gutachten vom 12. November 2009(4) kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden die „Behörde” ) zu dem Schluss, dass die optimale Versorgung von Wiederkäuern mit Spurenelementen aufgrund des starken ruminalen Abbaus von oral verabreichtem Vitamin B12 Cobalt umfassen sollte. Die Behörde weitete diese Schlussfolgerung auf Pferde und Kaninchen aus, da sie der Auffassung war, dass die Ergänzung ihrer Fütterung mit Cobalt ebenfalls beibehalten werden sollte. In ihren Gutachten vom 22. Mai 2012(5) und vom 12. Juni 2012(6) bestätigte die Behörde, dass die Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat wirksame Quellen von Cobalt als wesentlichem Spurenelement sind, das wiederum der Erzeugung von Vitamin B12 durch mikrobielle Fermentation im Pansen dient.
(7)
Wie im Gutachten der Behörde vom 12. November 2009 erwähnt, führt ein Cobaltmangel bei Tieren im Allgemeinen zu Appetitverlust, Wachstumsminderung, Verlust an Körpergewicht, Anämie, Störungen des Lipidstoffwechsels, vermindertem Folatspiegel, einer Akkumulation von Eisen und Nickel in der Leber, einer beeinträchtigten Funktion neutrophiler Organismen und einer verminderten Resistenz gegen parasitäre Infektionen, was insbesondere bei Wiederkäuern der Fall ist.
(8)
Daraus ergibt sich, dass ein solcher Mangel schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf das Wohl von Tieren haben kann, bei denen Cobalt für die Vitamin-B12-Synthese von wesentlicher Bedeutung ist; dazu gehören auch eine Schwächung des Immunsystems, eine Zunahme von Darmerkrankungen und Ketose, eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfunktion, das erhöhte Risiko für die Viruserkrankung Ovine White Liver Disease bei Schafen und möglicherweise sogar eine erhöhte Morbidität oder Mortalität(7).
(9)
Um einen kritischen Mangel zu vermeiden, sind Tiere, die auf Böden mit niedrigem Cobaltgehalt grasen oder mit Heu oder Pflanzen gefüttert werden, das/die auf solchen Böden erzeugt wurden, aber auch bestimmte Kategorien von Tieren mit besonderen Bedürfnissen, wie solche, die über Kraftfutterzuteiler mit Dosiervorrichtung gefüttert werden, oder Tiere mit Stoffwechselstörungen, für die Versorgung mit wesentlichen Nährstoffen, einschließlich Cobalt, auf Ergänzungsfuttermittel in Form von Boli oder Flüssigkeit angewiesen. Die Verwendung von Eimern oder mineralischen Lecksteinen zur Verabreichung von Futtermitteln als Alternative für Weidetiere wird allgemein nicht als unter allen Umständen optimal angesehen, um eine ausreichende, wirksame und sichere Versorgung mit Cobalt zu gewährleisten, da der Verzehr durch die Tiere spontan und konkurrierend und die Fütterungsergänzung somit weniger kontrolliert und gezielt erfolgt; weitere Gründe sind die Auswirkungen der klimatischen Bedingungen auf die Futtermittelqualität und zusätzliche Anforderungen in Bezug auf die Handhabung.
(10)
Der Zusatzstoff gecoatetes Cobalt(II)carbonat-Granulat, für dessen Verwendung ein Antrag auf Verlängerung gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 gestellt wurde und der derzeit gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 als Futtermittelzusatzstoff zugelassen ist, darf weder in der Formulierung von Futtermitteln, die als flüssige Ergänzungsfuttermittel verabreicht werden, noch als Bolus verwendet werden. Dies ist auf die technischen Spezifikationen dieses Zusatzstoffs zurückzuführen, der unlösliche Partikel enthält, die die Homogenität des flüssigen Futtermittels beeinflussen; seine Cobaltkonzentration ist sehr niedrig und er ist schlecht komprimierbar, was die Herstellung geeigneter Boli mit hoher Dichte verhindert. Flüssige Futtermittel sollten Cobalt in löslicher Form enthalten, z. B. die Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat; die Herstellung geeigneter Boli, die den Tieren die erforderliche sichere Menge an Cobalt liefern, sollten die Zusatzstoffe Cobalt(II)carbonat und Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat beinhalten. Derzeit ist keine andere Cobaltverbindung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 als Futtermittelzusatzstoff zugelassen.
(11)
In der Verordnung (EU) 2020/354 der Kommission(8) wird als besonderer Ernährungszweck die langfristige Versorgung von Weidetieren mit Spurenelementen und/oder Vitaminen für Futtermittel für Wiederkäuer mit funktionalem Pansen festgelegt, das als Bolus verabreicht werden darf. Die Einstellung der Verwendung von Cobaltverbindungen als Zusatzstoff in Futtermitteln, insbesondere in diätetischen Futtermitteln für Weidetiere in Form von Boli, würde bedeuten, dass die Unternehmer diesem besonderen Ernährungszweck im Hinblick auf die spezifischen Bedürfnisse von Wiederkäuern, bei denen die Prozesse Assimilation, Absorption oder Stoffwechsel durch fehlendes Cobalt in der Ernährung beeinträchtigt werden können, nicht mehr entsprechen können. Ein solcher Mangel an für Wiederkäuer in Weidehaltung geeigneten Futtermitteln würde daher dem Tierwohl schaden.
(12)
Die tatsächlichen Auswirkungen einer Nichtverfügbarkeit der Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat lassen sich anhand ihres unionsweiten Verwendungsvolumens messen, wobei einige Mitgliedstaaten aufgrund der Art von Böden und Weiden stärker von einem Cobaltmangel betroffen sind. So enthalten beispielsweise in Irland 62 % aller Ergänzungsfuttermittel, die für Wiederkäuer und Equiden hergestellt werden, einen dieser vier Zusatzstoffe, und mehr als 11,7 Millionen Tiere hätten möglicherweise unter dem fehlenden Zugang zu diesen Erzeugnissen zu leiden. In Frankreich erhalten 11,5 Millionen Wiederkäuer Ergänzungsfuttermittel mit einem dieser vier Zusatzstoffe in Form von Boli oder flüssigem Futtermittel; ihr Wohl würde bei Fehlen dieser Erzeugnisse beeinträchtigt. Allgemein geht aus den von den zuständigen nationalen Behörden und Unternehmern übermittelten Daten hervor, dass die betreffenden Zusatzstoffe breite Verwendung bei Wiederkäuern finden, hauptsächlich in Futtermitteln in Form von Boli oder Flüssigkeit, aber auch bei Pferden und Kaninchen. Ende 2021 wurden Schätzungen zufolge 76 Millionen Rinder und 71 Millionen Schafe und Ziegen in landwirtschaftlichen Betrieben in der Union gehalten(9). Statistische Daten zur Kaninchenzucht(10) aus dem Jahr 2016 zeigen einen Bestand von rund 180 Millionen Nutzkaninchen für den Fleischverzehr in der Union auf.
(13)
Aus den Gutachten der Behörde vom 12. November 2009, 22. Mai 2012 und 12. Juni 2012 sowie aus Daten zur tatsächlichen Verwendung der Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat in der Union geht hervor, dass es sich bei den Tierarten oder -kategorien, deren Wohl durch die Einstellung der Verwendung von Cobalt in der Ernährung erheblich beeinträchtigt würde, um Wiederkäuer, Pferde und Kaninchen handelt.
(14)
Um negative Auswirkungen auf das Wohl von Wiederkäuern, Pferden und Kaninchen durch eine Unterbrechung der Zulassung der Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat ab dem 15. Juli 2023 zu vermeiden und in Ermangelung einer derzeit verfügbaren Alternative sollte ihre Verwendung als dringender Fall betrachtet und vorläufig zugelassen werden, bis über den Antrag auf Zulassung gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 entschieden ist. Gemäß Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 sollte die vorläufige Zulassung für höchstens fünf Jahre erteilt werden.
(15)
Um sicherzustellen, dass nur sichere und wirksame Zusatzstoffe im Einklang mit den Zielen der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 verwendet werden, sollten die Bedingungen der vorläufigen Zulassung die Bedingungen für die Zulassung der vier betroffenen Zusatzstoffe gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 601/2013 hinsichtlich der Verwendung für Wiederkäuer, Equiden und Hasentiere widerspiegeln.
(16)
Das mit der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 eingerichtete Referenzlabor hat die Gültigkeit und die Anwendbarkeit der Schlussfolgerungen und Empfehlungen, die in der früheren Bewertung der Analysemethode im Rahmen der mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 601/2013 erteilten Zulassung für diese Zusatzstoffe gezogen bzw. ausgesprochen wurden, auf die vorläufige Zulassung bestätigt.
(17)
Aufgrund des Auslaufens der Zulassung für die Verwendung der Zusatzstoffe Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat und Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat am 15. Juli 2023 und zwecks Gewährleistung eines hohen Tierschutzniveaus für die von der vorläufigen Zulassung betroffenen Tiere sollte die vorliegende Verordnung umgehend in Kraft treten.
(18)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 29.

(2)

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 601/2013 der Kommission vom 24. Juni 2013 zur Zulassung von Cobalt(II)acetat-Tetrahydrat, Cobalt(II)carbonat, Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat, Cobalt(II)sulfat-Heptahydrat und gecoatetem Cobalt(II)carbonathydroxid(2:3)-Monohydrat-Granulat als Futtermittelzusatzstoffe (ABl. L 172 vom 25.6.2013, S. 14).

(3)

Es wurde gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung von gecoatetem Cobalt(II)carbonat-Granulat als Futtermittelzusatzstoff gestellt. Der genannte Zusatzstoff fällt nicht unter diese Verordnung.

(4)

EFSA Journal 2009; 7(12):1383.

(5)

EFSA Journal 2012; 10(6):2727.

(6)

EFSA Journal 2012; 10(7):2791.

(7)

Eine Überprüfung der Rolle von Cobalt im Stoffwechsel von Tieren, insbesondere von Wiederkäuern, und der Auswirkungen von Cobaltmangel findet sich in: Relationship between Vitamin B12 and Cobalt Metabolism in Domestic Ruminant: An Update, Jose-Ramiro González-Montaňa et al. Animals 2020, 10, 1855; doi:10.3390/ani10101855.

(8)

Verordnung (EU) 2020/354 der Kommission vom 4. März 2020 zur Erstellung eines Verzeichnisses der vorgesehenen Verwendungen von Futtermitteln für besondere Ernährungszwecke und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/38/EG (ABl. L 67 vom 5.3.2020, S. 1).

(9)

Key figures on the European food chain — Ausgabe 2022, Eurostat.

(10)

Europäische Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Commercial rabbit farming in the European Union — Overview report, Amt für Veröffentlichungen, 2018, https://data.europa.eu/doi/10.2772/62174.

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