Artikel 1 VO (EU) 2023/1651

Bewertung des Liquiditätsrisikos und der Liquiditätsrisikokomponenten, die besondere Liquiditätsanforderungen rechtfertigen

(1) Die zuständigen Behörden nehmen unter Berücksichtigung von Größe, Umfang und Komplexität der Tätigkeiten einer Wertpapierfirma eine genaue Bewertung der in Artikel 42 der Richtlinie (EU) 2019/2034 genannten besonderen Liquiditätsanforderung vor, indem sie den angemessenen Betrag an liquiden Aktiva festlegen, über den die Wertpapierfirma verfügen muss, um den aus ihren Tätigkeiten erwachsenden Liquiditätsbedarf zu decken. Die zuständigen Behörden legen diesen Betrag fest, indem sie sämtliche Risikofaktoren, die die Liquiditätslage der Wertpapierfirma beeinflussen und Liquiditätslücken hervorrufen könnten, berücksichtigen, insbesondere auch die folgenden Faktoren:

a)
ob aus der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und aus Tätigkeiten und Nebendienstleistungen im Sinne von Artikel 2 ein Liquiditätsrisiko erwächst;
b)
ob aus der Nichtverfügbarkeit von Refinanzierungsmitteln im Sinne von Artikel 3 ein Liquiditätsrisiko erwächst;
c)
ob liquiditätsrelevante externe Ereignisse im Sinne von Artikel 4 vorliegen;
d)
ob ein liquiditätsrelevantes operationelles Risiko im Sinne von Artikel 5 vorliegt;
e)
ob ein liquiditätsrelevantes Reputationsrisiko im Sinne von Artikel 6 vorliegt;
f)
ob die Liquiditätsrisikosteuerung und -kontrolle im Sinne von Artikel 7 unzureichend sind;
g)
falls die Wertpapierfirma Teil einer Gruppe ist, die Struktur der Gruppe und ihre Auswirkungen auf die Liquidität der Wertpapierfirma im Sinne von Artikel 8.

(2) Bei Wertpapierfirmen, die die in Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/2033 genannten Bedingungen für die Einstufung als kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirma erfüllen, bewerten die zuständigen Behörden die in Absatz 1 Buchstaben a, b und g genannten Faktoren und Liquiditätsrisikokomponenten. Die Bewertung des Liquiditätsrisikos, das aus der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und aus den in Absatz 1 Buchstabe a genannten Tätigkeiten und spezifischen Nebendienstleistungen erwächst, kann sich jedoch auf das Liquiditätsrisiko konzentrieren, das aus Einnahmenverlusten bei der Portfolioverwaltung, aus dem Betrieb eines multilateralen Handelssystems oder eines organisierten Handelssystems im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummern 22 und 23 der Richtlinie 2014/65/EU und aus der Gewährung von Krediten oder Darlehen an Anleger erwächst.

(3) Bei der Bewertung des Liquiditätsbedarfs gemäß den Absätzen 1 und 2 vollziehen die zuständigen Behörden sämtliche folgenden Schritte:

a)
Sie berücksichtigen alle Elemente, die auf den Liquiditätsbedarf einer Wertpapierfirma unter normalen und angespannten Bedingungen erhebliche nachteilige Auswirkungen haben könnten;
b)
sie berücksichtigen die verfügbaren historischen Daten für einen ihres Erachtens ausreichenden Zeitraum zu allem Folgenden:

i)
Inkongruenzen zwischen den liquiden Aktiva oder den anderen Liquiditätsressourcen und dem Liquiditätsbedarf;
ii)
den historischen Trends bei der Liquiditätskapazität;
iii)
den beobachteten wesentlichen Schwankungen der liquiden Aktiva und des Liquiditätsbedarfs;

c)
sie berücksichtigen das Vorhandensein vertraglicher Nettingvereinbarungen, die den in Artikel 31 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Bedingungen unterliegen, oder anderer Risikominderungsmechanismen, die den potenziellen Netto-Liquiditätsabfluss einer Wertpapierfirma an zentrale Gegenparteien, Clearingmitglieder, Kreditinstitute oder andere Wertpapierfirmen effektiv verringern würden;
d)
sie stellen fest, ob die Wertpapierfirma gemäß den Artikeln 24 und 26 der Richtlinie (EU) 2019/2034 über solide Verfahren, Mechanismen und Strategien verfügt, um ihr Liquiditätsrisiko zu messen, zu überwachen und zu steuern;
e)
sie berücksichtigen etwaige Verbindungen zwischen den in Absatz 1 genannten Faktoren;
f)
sie stützen die Bewertung auf zuverlässige, genaue und aktuelle Informationen.

Für die Zwecke von Buchstabe a beinhalten angespannte Bedingungen sowohl angespannte Marktbedingungen als auch einer Wertpapierfirma inhärente angespannte Bedingungen, unter denen eine Refinanzierung möglicherweise nicht rechtzeitig oder nicht kosteneffizient zur Verfügung stehen könnte.

(4) Findet Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2019/2033 Anwendung, so wenden die zuständigen Behörden bei der Bewertung der Liquiditätsrisiken und Liquiditätsrisikokomponenten der Unions-Mutterwertpapierfirma, der Unions-Mutterinvestmentholdinggesellschaft oder der gemischten Unions-Mutterfinanzholdinggesellschaft die Artikel 2 bis 7 der vorliegenden Verordnung auf Basis deren konsolidierter Lage an.

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