§ 246c BauGB

Abweichungen vom Baugesetzbuch für den Wiederaufbau im Katastrophenfall; Verordnungsermächtigung

(1) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung Wiederaufbaugebiete zu bestimmen. Ein Wiederaufbaugebiet ist ein Gebiet, in dem ein Katastrophenfall zu einer so erheblichen Schädigung oder unmittelbaren Gefährdung der Bausubstanz nicht nur einzelner baulicher Anlagen geführt hat, dass zum Zwecke der Katastrophenbewältigung eine oder mehrere der in Absatz 2 aufgeführten Abweichungen von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder von den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften erforderlich sind.

(2) In der Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, dass

1.
zugunsten eines Vorhabens im Wiederaufbaugebiet oder in einer benachbarten Gemeinde, das die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer dringend benötigten baulichen Anlage oder Infrastruktureinrichtung zum Inhalt hat, vorübergehend von den §§ 29 bis 35 abgewichen werden kann, wenn diese oder vergleichbare Anlagen oder Einrichtungen bei Anwendung der genannten Vorschriften im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden könnten; ergänzend sind die Voraussetzungen des Absatzes 4 zu beachten;
2.
durch die Katastrophe zerstörte oder beschädigte Gebäude oder Gebäudeteile im Einvernehmen mit der für die jeweilige Katastrophenvorsorge zuständigen Behörde
a)
an gleicher Stelle in angepasster Weise oder,
b)
wenn dies unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, geringfügig vom bisherigen Standort versetzt in gleicher oder angepasster Weise
abweichend von den §§ 29 bis 35 wiederaufgebaut oder instand gesetzt werden können, um so zukünftige Schädigungen durch Katastrophenfälle zu vermeiden oder zu mindern;
3.
bei der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bauleitplänen zur Neuausweisung oder Umplanung von Baugebieten in einer Gemeinde mit einem Wiederaufbaugebiet oder in einer benachbarten Gemeinde Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts im Sinne des § 1a Absatz 3 als ausgeglichen gelten, wenn im Wiederaufbaugebiet Flächen im Umfang der neu ausgewiesenen zulässigen Grundfläche im Sinne des § 19 Absatz 2 der Baunutzungsverordnung entsiegelt werden und die Durchführung der Entsiegelung in geeigneter Weise sichergestellt ist;
4.
für Bebauungspläne im Sinne der Nummer 3 das beschleunigte Verfahren mit einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 genutzt werden kann, wenn in dem Plan auch bei entsprechender Anwendung des § 13a Absatz 1 Satz 3 eine zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 Absatz 2 der Baunutzungsverordnung oder eine Größe der Grundfläche von weniger als 70 000 Quadratmetern festgesetzt wird und das beschleunigte Verfahren nicht gemäß § 13a Absatz 1 Satz 4 und 5 ausgeschlossen ist; die zusammenfassenden Erklärungen nach § 6a Absatz 1 und § 10a Absatz 1 sind entgegen § 13 Absatz 3 jedoch beizufügen; bei der Vorprüfung des Einzelfalls ist zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die Entsiegelung nach Nummer 3 ausgeglichen werden;
5.
eine Ersatzzahlung entsprechend § 15 Absatz 6 des Bundesnaturschutzgesetzes geleistet werden kann, wenn ein Ausgleich nach § 1a Absatz 3 wegen der Erfordernisse der Katastrophenbewältigung nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist; dies gilt nur, soweit nicht von den Regelungen in den Nummern 3 und 4 Gebrauch gemacht wurde.

(3) Bei dem Erlass der Rechtsverordnung sind relevante Umweltinformationen sowie Erkenntnisse und Maßnahmen zum Katastrophenschutz und zur Katastrophenvorsorge zu berücksichtigen, soweit sie bei dem für die Erarbeitung der Verordnung zuständigen Landesressort vorliegen. Öffentlich-rechtliche Vorgaben außerhalb dieses Gesetzbuchs, insbesondere die baulichen Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete in § 78 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie die Vorschriften des Bauordnungsrechts der Länder, bleiben unberührt.

(4) Wird ein Vorhaben nach Absatz 2 Nummer 1 abweichend von den §§ 29 bis 35 zugelassen, ist die Geltungsdauer der Genehmigung auf höchstens fünf Jahre zu befristen. Die Genehmigung kann innerhalb der Geltungsdauer der Rechtsverordnung für höchstens fünf Jahre neu erteilt werden. § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 gilt entsprechend. Bei Vorhaben im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes entsprechend.

(5) Wird ein Vorhaben nach Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 abweichend von den §§ 29 bis 35 zugelassen, ist § 36 mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Einvernehmen nur dann aus den sich aus den §§ 31, 33 bis 35 ergebenden Gründen versagt werden kann, wenn die städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets beeinträchtigt würde. Abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 gilt das Einvernehmen als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(6) Eine Rechtsverordnung nach Absatz 1 kann nur innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Katastrophenfalls erstmals in Kraft gesetzt werden. Ihre Geltungsdauer ist auf höchstens ein Jahr nach dem Kabinettsbeschluss zu befristen; sie kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 jeweils um höchstens ein Jahr verlängert werden. Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen nach Absatz 2 Nummer 3 bis 5 können nach Außerkrafttreten der Verordnung unter Anwendung der Sonderregelungen abgeschlossen werden, wenn die Planunterlagen während der Geltungsdauer der Verordnung gemäß § 3 Absatz 2 im Internet veröffentlicht wurden.

(7) In den ersten sechs Monaten nach Eintritt des Katastrophenfalls kann die Baugenehmigungsbehörde mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde im Gebiet der von der Katastrophe betroffenen Gemeinde sowie in benachbarten Gemeinden bei der Zulassung von Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 und unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen von den §§ 29 bis 35 vorübergehend abweichen, wenn eine Rechtsverordnung nach den Absätzen 1 und 2 Nummer 1 nicht ergangen ist. Die Absätze 4 und 5 sind entsprechend anzuwenden.

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