ANHANG IV RL 1999/35/EG

ORIENTIERUNGSPUNKTE FÜR DIE DURCHFÜHRUNG VON AUSSERPLANMÄSSIGEN BESICHTIGUNGEN DURCH QUALIFIZIERTE BESICHTIGER WÄHREND EINER LINIENFAHRT gemäß Artikel 8 Absatz 1

1.
Fahrgastangaben

Zu überprüfen ist, mit welchen Maßnahmen sichergestellt wurde, daß die Anzahl der Fahrgäste, für die das Ro-Ro-Fahrgastschiff oder Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeug (nachstehend „Schiff” genannt) zugelassen ist, nicht überschritten wird, ob das System zur Registrierung von Fahrgastangaben den Vorschriften entspricht und tatsächlich angewandt wird, wie die Informationen über die Gesamtzahl der Fahrgäste dem Kapitän mitgeteilt werden und wie Fahrgäste, die eine Hin- und Rückfahrt machen, ohne dabei an Land zu gehen, in die Gesamtzahl der Fahrgäste der Rückfahrt einbezogen werden.

2.
Angaben zur Ladung und Stabilität

Zu überprüfen ist, ob — soweit geboten — zuverlässige Tiefgangsanzeiger vorhanden und in Gebrauch sind, ob Maßnahmen getroffen werden, damit das Schiff nicht überladen wird und die jeweilige Schottenladelinie nicht unter Wasser liegt, ob die Bewertung von Ladung und Stabilität vorschriftsmäßig durchgeführt wird, ob Lastkraftwagen und andere Ladungen, falls erforderlich, gewogen werden und die Zahlen dem Schiff zur Bewertung von Ladung und Stabilität mitgeteilt werden und ob Leckdienstpläne ständig ausgehängt und der Schiffsleitung die Hefte mit den Ergebnissen des Leckdienstes übermittelt werden.

3.
Seetüchtigkeit

Zu überprüfen ist, mit welchem Verfahren sichergestellt wird, daß das Schiff, bevor es den Liegeplatz verläßt, seetüchtig ist, wobei dieses auch ein Meldeverfahren umfassen sollte, mit dem bestätigt wird, daß alle wasser- und wetterdichten Außenhauttüren geschlossen sind, ob alle Türen des Fahrzeugdecks geschlossen sind, bevor das Schiff den Liegeplatz verläßt, der nur so lange offen bleiben, bis das Bugvisier geschlossen werden kann, ob die Vorkehrungen für das Schließen der Bug-, Heck- und Seitentüren getroffen wurden, ob Signallampen und Kamera-Überwachungssysteme betriebsbereit sind, um den Zustand der Türen auf der Kommandobrücke anzuzeigen. Schwierigkeiten mit dem Betrieb der Signallampen, insbesondere den Schaltern an den Türen, sollten festgestellt und mitgeteilt werden.

4.
Sicherheitsdurchsagen

Zu überprüfen ist die Form der routinemäßigen Sicherheitsdurchsagen, das Anbringen von Anweisungen und Empfehlungen für den Notfall in der (den) erforderlichen Sprache(n), ob die routinemäßigen Sicherheitsdurchsagen bei Antritt der Reise erfolgen und in allen öffentlichen Räumen, einschließlich der offenen Decks, die den Fahrgästen zugänglich sind, hörbar sind.

5.
Tagebucheinträge

Zu überprüfen ist, ob das Tagebuch Einträge über das Schließen der wasserdichten und wetterfesten Bug-, Heck- und Seitentüren sowie über praktische Übungen für die wasserdichten Schottentüren und Tests der Rudermaschine enthält, ob auch Angaben über Tiefgang, Freibord und Stabilität und die gemeinsame Arbeitssprache der Besatzung enthalten sind.

6.
Gefährliche Güter

Zu überprüfen ist, ob Ladungen und Gefahrgut oder umweltgefährdenden Gütern den einschlägigen Vorschriften entsprechend befördert werden, eine Erklärung betreffend die gefährlichen und umweltgefährdenden Güter zusammen mit dem Frachtbrief oder dem Lageplan vorliegt, damit deren Standort an Bord erkennbar ist, ob die Beförderung dieser Ladung auf Fahrgastschiffen zulässig ist und die gefährlichen und umweltgefährdenden Güter vorschriftsmäßig gekennzeichnet, etikettiert, verstaut, gesichert und getrennt befördert werden. Fahrzeuge, die gefährliche und umweltgefährdende Güter befördern, müssen vorschriftsmäßig gekennzeichnet und gesichert werden. Bei der Beförderung von gefährlichen und umweltgefährdenden Gütern muß eine Kopie des Frachtbriefs oder des Ladeplans an Land verfügbar sein. Dem Kapitän müssen die Notifizierungsanforderungen der Richtlinie 93/75/EWG und die Not- und Erste-Hilfe-Maßnahmen im Fall eines Unfalls mit gefährlichen oder meeresverschmutzenden Gütern bekannt sein. Die Belüftungsanlagen der Fahrzeugdecks müssen jederzeit in Betrieb sein und verstärkt eingesetzt werden, wenn die Fahrzeugmotoren laufen. Auf der Kommandobrücke muß angezeigt werden, daß die Belüftungsanlage des Fahrzeugdecks in Betrieb ist.

7.
Sicherung von Lastkraftwagen

Zu überprüfen ist, wie Lastkraftwagen gesichert sind, z. B. ob mit Hilfe von Blockverstauung oder Einzellaschung, ob ausreichende Stützpunkte vorhanden sind, welche Vorkehrungen für die Sicherung von LKW für tatsächliche oder erwartete ungünstige Wetterverhältnisse getroffen wurden, wie gegebenenfalls Busse und Motorräder gesichert wurden, ob das Schiff über ein Handbuch für die Ladungssicherung verfügt.

8.
Fahrzeugdecks

Zu überprüfen ist, ob Spezialladungs- und Ro-Ro-Laderäume ständig durch einen Wachdienst oder ein Kamera-Überwachungssystem kontrolliert werden, so daß die Bewegung der Fahrzeuge bei ungünstigen Wetterverhältnissen oder das Betreten dieser Räume durch Unbefugte beobachtet werden kann, ob Feuertüren und Eingänge geschlossen und Hinweise für die Fahrgäste angebracht sind, wonach das Betreten der Fahrzeugdecks untersagt ist, während das Schiff auf See ist.

9.
Verschließen der wasserdichten Türen

Zu überprüfen ist, ob die Betriebsvorschriften für die wasserdichten Schottentüren eingehalten und die erforderlichen praktischen Übungen durchgeführt werden, ob das Kontrollsystem der Kommandobrücke für die wasserdichten Türen, falls möglich, auf „vor Ort” -Überwachung eingestellt ist, ob die Türen bei eingeschränkten Sichtverhältnissen und in gefährlichen Situationen geschlossen gehalten werden und ob die Besatzung ordnungsgemäß über den Betrieb der Türen unterrichtet wird und sich der Gefahr eines Mißbrauchs bewußt ist.

10.
Feuerronden

Es sollte sichergestellt werden, daß ein wirksamer Feuerwachdienst unterhalten wird, so daß ein Ausbruch von Feuer umgehend festgestellt werden kann. Dies sollte auch für Spezialräume, in denen weder eine Feuermeldeanlage noch ein Alarmsystem installiert ist, gelten, so daß diese Räume gemäß Nummer 8 regelmäßig durch Wachgänge überprüft werden können.

11.
Verständigung im Notfall

Zu überprüfen ist, ob es in Übereinstimmung mit dem Mannschaftsverzeichnis eine ausreichende Zahl von Besatzungsmitgliedern gibt, die den Fahrgästen im Notfall Hilfe leisten können, und diese jederzeit erkannt werden und sich mit den Fahrgästen verständigen können. Hierbei ist ein angemessenes Zusammenspiel der nachstehenden Faktoren zu berücksichtigen:
a)
die Sprache(n) der Fahrgäste, die auf einer bestimmten Strecke am stärksten vertreten ist (sind);
b)
die Wahrscheinlichkeit, daß die Fähigkeit, Anweisungen in einem elementaren Englisch erteilen zu können, eine Verständigung mit den Fahrgästen ermöglicht, die Hilfe benötigen, unabhängig davon, ob Fahrgast und Besatzungsmitglied die gleiche Sprache sprechen;
c)
die Möglichkeit, während eines Notfalls auf eine andere Kommunikationsform zurückgreifen zu müssen (z. B. Vorführung, Handzeichen oder Hinweis auf die Örtlichkeiten, an denen sich die Sicherheitsanweisungen, Musterstationen, Rettungsgeräte oder Notausgänge befinden, falls eine verbale Verständigung unmöglich sein sollte);
d)
der Umfang, in dem die Fahrgäste in ihrer Muttersprache oder anderen Sprachen vollständige Sicherheitsanweisungen erhalten haben;
e)
die Sprachen, in denen die Notfalldurchsagen während eines Notfalls oder einer Notfallübung erfolgen können, um den Fahrgästen sachkundige Anleitungen zu geben und den Besatzungsmitgliedern die Hilfeleistung zu erleichtern.

12.
Gemeinsame Arbeitssprache der Besatzungsmitglieder

Zu überprüfen ist, ob eine Arbeitssprache festgelegt wurde, um ein effizientes Vorgehen der Besatzung in Sicherheitsfragen zu gewährleisten, und ob diese Arbeitssprache im Logbuch eingetragen wurde.

13.
Sicherheitsausrüstung

Zu überprüfen ist, ob die Rettungsmittel und Brandschutzausrüstung, einschließlich der Feuertüren und sonstiger baulicher Brandschutzvorkehrungen, die leicht besichtigt werden können, instand gehalten werden, ob die Brandschutzpläne ständig ausgehängt sind oder den Schiffsoffizieren gleichwertige Informationen in Buchform zur Verfügung gestellt werden, ob die Schwimmwesten vorschriftsmäßig verstaut und die Stauplätze für Kinderschwimmwesten leicht erkennbar sind, ob gewährleistet ist, daß der Betrieb der Feuermeldeanlagen, Notschließvorrichtungen, Sturmventile usw. nicht durch die Ladung der auf den Fahrzeugdecks stehenden Fahrzeuge behindert wird.

14.
Navigations- und Funkausrüstung

Zu überprüfen ist, ob die Navigations- und Funkausrüstung, einschließlich der Satelliten-Seenotfunkbake (EPIRB), betriebsbereit sind.

15.
Zusätzliche Notbeleuchtung

Zu prüfen ist, ob — falls vorgeschrieben — ein zusätzliches Notbeleuchtungssystem eingebaut wurde und ob ein Mängelverzeichnis geführt wird.

16.
Fluchtwege

Zu überprüfen ist, ob die Fluchtwege entsprechend den geltenden Vorschriften gekennzeichnet sind und ob deren Beleuchtung durch die Haupt- und die Notstromquelle gewährleistet ist, welche Maßnahmen getroffen wurden, um die Fluchtwege von Fahrzeugen freizuhalten, wenn diese das Fahrzeugdeck queren oder durch dieses verlaufen, ob die Notausgänge freigehalten werden und ob dies insbesondere auf die Notausgänge des Duty Free Shops zutrifft, die erfahrungsgemäß durch Waren versperrt werden.

17.
Fahrtenberichtsheft

Zu überprüfen ist, ob der Kapitän und die ranghöchsten Offiziere Zweitschriften des Fahrtenberichtsheftes erhalten und weitere Kopien für die Besatzung verfügbar sind sowie ob Prüflisten vorliegen, um das Schiff seeklar zu machen und auch sonstige Vorgänge zu prüfen.

18.
Sauberkeit des Maschinenraums

Zu überprüfen ist, ob der Maschinenraum im Zusammenhang mit den Instandhaltungsverfahren sauber gehalten wird.

19.
Abfallentsorgung

Zu überprüfen ist, ob zufriedenstellende Vorkehrungen für die Handhabung und die Entsorgung von Abfällen getroffen wurden.

20.
Planmäßige Instandhaltung

Alle Unternehmen sollten über besondere Vorschriften für die planmäßige Instandhaltung aller sicherheitsrelevanten Bereiche verfügen. Hierzu zählen die Bug-, Heck- und Seitentüren einschließlich der jeweiligen Schließvorrichtungen, aber auch die Instandhaltung des Maschinenraums und die Sicherheitsausrüstung. Es sollten Pläne für eine regelmäßige Prüfung aller Bereiche vorliegen, um die Sicherheit auf höchstem Niveau zu halten. Es sollten Verfahren für die Aufzeichnung von Mängeln und zur Bestätigung der vorschriftsmäßigen Behebung dieser Mängel bestehen, so daßder Kapitän und die an Land innerhalb der Unternehmensleitung benannte Person von diesen Mängeln in Kenntnis gesetzt werden und ihnen deren Behebung innerhalb einer festgelegten Zeitspanne mitgeteilt wird. Die regelmäßige Überprüfung der Betriebsfähigkeit der Schließvorrichtungen an den inneren und äußeren Bugtüren sollte die Signallampen, die Überwachungsanlagen und Speigatte in den Räumen zwischen dem Bugvisier und der Innentür, insbesondere den Verschlußmechanismus und die zugehörigen Hydrauliksysteme, umfassen.

21.
Durchführung der Reise

Während der Reise sollte geprüft werden, ob die Fahrgastzahl die zulässige Höchstzahl überschreitet. Dabei sollte auch die Verfügbarkeit von Sitzplätzen und das Blockieren von Durchgängen, Treppen und Notausgängen durch Gepäck und Fahrgäste geprüft werden, für die es keine Sitzplätze mehr gibt. Es sollte ferner geprüft werden, ob das Fahrzeugdeck vor Reiseantritt von den Fahrgästen geräumt wurde und ob diese bis kurz vor dem Festmachen keinen Zugang zum Fahrzeugdeck haben.

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