Artikel 20 RL 2002/83/EG

Bildung versicherungstechnischer Rückstellungen

(1) Der Herkunftsmitgliedstaat verlangt, dass jedes Versicherungsunternehmen ausreichende versicherungstechnische Rückstellungen, einschließlich mathematischer Rückstellungen, für seine gesamten Tätigkeiten bildet.

Der Betrag dieser versicherungstechnischen Rückstellungen wird nach folgenden Grundsätzen festgelegt:

A.
i)
Die versicherungstechnischen Rückstellungen im Bereich der Lebensversicherung sind nach einem ausreichend vorsichtigen prospektiven versicherungsmathematischen Verfahren zu berechnen, das allen künftigen Verpflichtungen entsprechend den für jede bestehende Police festgelegten Bedingungen Rechnung trägt, insbesondere

garantierten Leistungen, einschließlich garantierter Rückkaufswerte;

Überschussanteilen, auf die die Versicherten gemeinsam oder einzeln bereits Anspruch haben, unabhängig von der Bezeichnung dieser Überschussanteile — unverfallbar, deklariert oder zugewiesen;

Optionen, die dem Versicherungsnehmer nach den Bedingungen des Vertrages zur Verfügung stehen;

Kosten, einschließlich Provisionen;

abzüglich der zukünftig fälligen Prämien.

ii)
Die Verwendung einer retrospektiven Methode ist zulässig, wenn nachgewiesen werden kann, dass die daraus resultierenden versicherungstechnischen Rückstellungen nicht geringer sind als diejenigen, die sich aufgrund einer ausreichend vorsichtigen prospektiven Berechnung ergeben würden, oder wenn eine prospektive Methode nicht auf den betreffenden Vertragstyp angewandt werden kann.
iii)
Eine vorsichtige Bewertung ist keine Bewertung, die auf einem „besten Schätzwert” beruht; sie beinhaltet vielmehr eine angemessene Marge für eine nachteilige Abweichung von den relevanten Faktoren.
iv)
Der Grundsatz der Vorsicht gilt nicht nur für die Methode zur Bewertung der technischen Rückstellungen an sich, sondern auch für die Methode zur Bewertung der zur Deckung dieser Rückstellungen herangezogenen Aktiva.
v)
Die versicherungstechnischen Rückstellungen müssen für jeden Vertrag getrennt berechnet werden. Es ist zulässig, angemessene Näherungswerte oder Verallgemeinerungen zu verwenden, sofern davon ausgegangen werden kann, dass sie in etwa zu denselben Ergebnissen führen wie die Einzelberechnungen. Der Grundsatz der Einzelberechnung steht der Bildung zusätzlicher Rückstellungen für allgemeine Risiken, die nicht individualisiert werden, in keiner Weise entgegen.
vi)
Wird der Rückkaufwert eines Vertrages garantiert, so müssen die mathematischen Rückstellungen für diesen Vertrag jederzeit mindestens dem zu dem betreffenden Zeitpunkt garantierten Rückkaufwert entsprechen.
B.
Der verwendete Zinssatz muss vorsichtig angesetzt werden. Er wird nach den Vorschriften der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats entsprechend den folgenden Grundsätzen festgesetzt:

a)
Für alle Verträge setzt die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats des Versicherungsunternehmens einen oder mehrere Höchstzinssätze fest, wobei Folgendes gilt:

i)
Enthalten die Verträge eine Zinsgarantie, so setzt die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats einen einzigen Höchstzinssatz fest. Er kann je nach der Währung, auf die der Vertrag lautet, variieren, darf jedoch höchstens 60 v. H. des Zinssatzes der Anleihen des Staates betragen, auf dessen Währung der Vertrag lautet.

Beschließt der Mitgliedstaat, gemäß Unterabsatz 1 Satz 2 einen Höchstzinssatz für Verträge, die auf eine Währung eines Mitgliedstaats lauten, festzusetzen, so konsultiert er vorher die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, auf dessen Währung der Vertrag lautet.

ii)
Wird das Vermögen des Versicherungsunternehmens jedoch nicht zum Anschaffungswert angesetzt, so kann ein Mitgliedstaat vorsehen, dass ein oder mehrere Höchstzinssätze berechnet werden können, indem ausgegangen wird von dem Ertrag der zum betreffenden Zeitpunkt im Bestand befindlichen Vermögenswerte abzüglich einer Sicherheitsmarge und indem insbesondere bei Verträgen mit laufenden Prämien darüber hinaus der Barwert der Erträge künftiger Vermögenswerte berücksichtigt wird. Die Sicherheitsmarge und der oder die Höchstzinssätze zur Berechnung des Barwerts der Erträge künftiger Vermögenswerte werden von den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats festgelegt.

b)
Die Festsetzung eines Höchstzinssatzes bedeutet nicht, dass es immer angebracht ist, dass das Versicherungsunternehmen einen maximalen Zinssatz verwendet.
c)
Der Herkunftsmitgliedstaat kann beschließen, Buchstabe a) nicht auf folgende Arten von Verträgen anzuwenden:

fondsgebundene Verträge,

Verträge mit Einmalprämien bis zu einer Laufzeit von acht Jahren,

Verträge ohne Gewinnbeteiligung und Rentenverträge ohne Rückkaufwert.

In den in Unterabsatz 1 zweiter und dritter Gedankenstrich genannten Fällen können bei Verwendung eines vorsichtig gewählten Zinssatzes die Vertragswährung und die entsprechenden im Bestand befindlichen Vermögenswerte sowie — wenn die Vermögenswerte des Unternehmens zum Zeitwert angesetzt werden — der erwartete Ertrag der künftigen Vermögenswerte berücksichtigt werden.

Der verwendete Zinssatz muss auf jeden Fall um einen angemessenen Wert niedriger sein als die gemäß den Rechnungslegungsvorschriften des Herkunftsmitgliedstaats berechneten Erträge der Vermögenswerte.

d)
Der Mitgliedstaat schreibt vor, dass das Versicherungsunternehmen eine Rückstellung für gegenüber den Versicherten eingegangene Zinssatzverpflichtungen bildet, sofern die derzeitigen oder zu erwartenden Erträge der Vermögenswerte des Unternehmens für die Deckung dieser Verpflichtungen nicht ausreichen.
e)
Die nach Buchstabe a) festgelegten Höchstzinssätze werden der Kommission sowie den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die dies wünschen, mitgeteilt.

C.
Die Elemente der statistischen Grundlagen und der Ansatz der Kosten müssen bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen vorsichtig gewählt werden. Sie müssen den Staat der Verpflichtung, den Policentyp und die erwarteten Verwaltungskosten und Provisionen berücksichtigen.
D.
Im Fall von Verträgen mit Gewinnbeteiligung kann die Methode zur Berechnung versicherungstechnischer Rückstellungen zukünftige Überschussanteile aller Art explizit oder implizit in einer Weise berücksichtigen, die mit den anderen Annahmen über die zukünftige Entwicklung und mit der aktuellen Gewinnverteilungsmethode vereinbar ist.
E.
Zukünftige Kosten können implizit berücksichtigt werden, z. B. durch den Ansatz von künftigen Prämien unter Ausschluss der Verwaltungskostenzuschläge. Jedoch darf insgesamt, implizit oder explizit, der angesetzte Betrag nicht geringer sein als ein vorsichtiger Schätzwert der maßgeblichen zukünftigen Kosten.
F.
Die Berechnungsmethode der versicherungstechnischen Rückstellungen darf nicht von Jahr zu Jahr Variationen unterworfen sein, die sich aufgrund willkürlicher Änderungen der Bewertungsgrundlagen ergeben, und muss die Beteiligung am Gewinn in angemessener Weise über die Laufzeit jeder Police berücksichtigen.

(2) Das Versicherungsunternehmen muss die zur Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen, einschließlich der Rückstellungen für Überschussanteile verwendeten Grundlagen und Methoden, der Öffentlichkeit zugänglich machen.

(3) Der Herkunftsmitgliedstaat verpflichtet jedes Versicherungsunternehmen, die versicherungstechnischen Rückstellungen für seine gesamte Geschäftstätigkeit durch kongruente Vermögenswerte gemäß Artikel 26 zu decken. Hinsichtlich der Geschäftstätigkeit in der Gemeinschaft sind diese Vermögenswerte im Gebiet der Gemeinschaft zu belegen. Die Mitgliedstaaten verlangen von den Versicherungsunternehmen nicht, dass ihre Vermögenswerte in einem bestimmten Mitgliedstaat belegen sein müssen. Der Herkunftsmitgliedstaat kann jedoch Lockerungen hinsichtlich der Belegenheit der Vermögenswerte zulassen.

(4) Ist der Rückversicherer ein gemäß der Richtlinie 2005/68/EG zugelassenes Rückversicherungsunternehmen oder ein gemäß der vorliegenden Richtlinie oder der Richtlinie 73/239/EWG zugelassenes Versicherungsunternehmen, so sehen die Mitgliedstaaten davon ab, ein System von versicherungstechnischen Bruttorückstellungen durch die Besicherung von Vermögenswerten zur Bedeckung noch nicht verdienter Prämien und noch nicht abgewickelter Schadensfälle beizubehalten oder einzuführen.

Gestattet der Herkunftsmitgliedstaat die Bedeckung versicherungstechnischer Rückstellungen durch Forderungen gegen einen Rückversicherer, der weder ein gemäß der Richtlinie 2005/68/EG zugelassenes Rückversicherungsunternehmen noch ein gemäß der Richtlinie 73/239/EWG oder dieser Richtlinie zugelassenes Versicherungsunternehmen ist, so legt er die Bedingungen fest, unter denen dies zulässig ist.

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