Artikel 27 RL 2002/83/EG

Verfügbare Solvabilitätsspanne

(1) Jeder Mitgliedstaat verpflichtet die Versicherungsunternehmen mit Sitz in seinem Gebiet, stets eine mit Rücksicht auf den Gesamtumfang ihrer Geschäftstätigkeit ausreichende verfügbare Solvabilitätsspanne bereitzustellen, die mindestens den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht.

(2) Die verfügbare Solvabilitätsspanne besteht aus dem freien, unbelasteten Eigenkapital des Versicherungsunternehmens unter Nichtberücksichtigung immaterieller Werte; dazu gehören

a)
das eingezahlte Grundkapital oder bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit der tatsächliche Gründungsstock zuzüglich der Mitgliederkonten, die alle folgenden Kriterien erfüllen:

i)
in der Satzung muss vorgesehen sein, dass Zahlungen an Mitglieder aus diesen Konten nur vorgenommen werden dürfen, sofern die verfügbare Solvabilitätsspanne dadurch nicht unter die vorgeschriebene Höhe absinkt oder sofern im Fall der Auflösung des Unternehmens alle anderen Schulden des Unternehmens beglichen worden sind;
ii)
in der Satzung muss vorgesehen sein, dass bei unter Ziffer i) genannten Zahlungen, wenn sie aus anderen Gründen als der Beendigung einer einzelnen Mitgliedschaft erfolgen, die zuständigen Behörden mindestens einen Monat im Voraus zu benachrichtigen sind und innerhalb dieses Zeitraums berechtigt sind, die Zahlung zu untersagen;
iii)
es muss vorgesehen sein, dass die einschlägigen Bestimmungen der Satzung nur geändert werden dürfen, nachdem die zuständigen Behörden mitgeteilt haben, dass unbeschadet der unter den Ziffern i) und ii) genannten Kriterien keine Einwände gegen die Änderung bestehen;

b)
die gesetzlichen und freien Rücklagen;
c)
der Gewinn- oder Verlustvortrag nach Abzug der auszuschüttenden Dividenden;
d)
in dem Maß, in dem das Recht eines Mitgliedstaats es zulässt, die in der Bilanz erscheinenden Gewinnrücklagen, sofern diese zur Deckung etwaiger Verluste herangezogen werden können und soweit für die Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer noch keine Deklarierung erfolgt ist.

Die verfügbare Solvabilitätsspanne wird um den Betrag der im unmittelbaren Besitz des Versicherungsunternehmens befindlichen eigenen Aktien verringert.

Die verfügbare Solvabilitätsspanne wird auch um folgende Bestandteile verringert:

a)
Beteiligungen des Versicherungsunternehmens an:

Versicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 4 dieser Richtlinie, Artikel 6 der Richtlinie 73/239/EWG oder Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 98/78/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über die zusätzliche Beaufsichtigung der einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen(1),

Rückversicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 2005/68/EG oder Rückversicherungsunternehmen eines Drittlandes im Sinne von Artikel 1 Buchstabe l der Richtlinie 98/78/EG,

Rückversicherungsholdinggesellschaften im Sinne von Artikel 1 Buchstabe i der Richtlinie 98/78/EG,

Kreditinstituten und Finanzinstituten im Sinne von Artikel 1 Absätze 1 und 5 der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute(2),

Wertpapierfirmen und Finanzinstituten im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen(3) und von Artikel 2 Absätze 4 und 7 der Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten(4);

b)
jeden der folgenden Titel, die das Versicherungsunternehmen an den in Buchstabe a genannten Unternehmen hält, an denen es beteiligt ist:

die in Absatz 3 genannten Instrumente,

die in Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 73/239/EWG genannten Instrumente,

die in Artikel 35 und Artikel 36 Absatz 3 der Richtlinie 2000/12/EG genannten nachrangigen Forderungen und Instrumente.

Werden vorübergehend Aktien eines anderen Kreditinstituts, einer anderen Wertpapierfirma, eines anderen Finanzinstituts, eines Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmens oder einer Versicherungsholdinggesellschaft gehalten, um das betreffende Unternehmen zwecks Sanierung und Rettung finanziell zu unterstützen, so kann die zuständige Behörde von den in Unterabsatz 3 Buchstaben a und b genannten Bestimmungen über den Abzug absehen.

Als Alternative zum Abzug der in Unterabsatz 3 Buchstaben a und b genannten Titel, die das Versicherungsunternehmen an Kreditinstituten, Wertpapierfirmen und Finanzinstituten hält, können die Mitgliedstaaten ihren Versicherungsunternehmen erlauben, die Methoden 1, 2 oder 3 im Anhang I zur Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats(5) entsprechend anzuwenden. Die Methode 1 (Buchführungskonsolidierung) wird nur angewandt, wenn die zuständige Behörde vom Niveau des integrierten Managements und der internen Kontrolle bei den Einheiten überzeugt ist, die in den Bereich der Konsolidierung einzubeziehen sind. Die gewählte Methode ist auf Dauer einheitlich anzuwenden.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass bei der Berechnung der Solvabilitätsspanne gemäß dieser Richtlinie, die der zusätzlichen Überwachung gemäß der Richtlinie 98/78/EG oder der zusätzlichen Überwachung gemäß der Richtlinie 2002/87/EG unterliegenden Versicherungsunternehmen die in Unterabsatz 3 Buchstaben a und b aufgeführten Titel nicht abziehen müssen, die sie an Kreditinstituten, Wertpapierfirmen, Finanzinstituten, Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen oder Versicherungsholdinggesellschaften halten, die in die zusätzliche Beaufsichtigung einbezogen sind. Für die Zwecke des Abzugs der in diesem Absatz genannten Beteiligungen bedeutet Beteiligung eine Beteiligung im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f der Richtlinie 98/78/EG.

(3) Die verfügbare Solvabilitätsspanne darf auch umfassen:

a)
kumulative Vorzugsaktien und nachrangige Darlehen bis zu einer Höchstgrenze von 50 % des niedrigeren Betrags der verfügbaren Solvabilitätsspanne und der geforderten Solvabilitätsspanne; davon können höchstens 25 % auf nachrangige Darlehen mit fester Laufzeit oder auf kumulative Vorzugsaktien von begrenzter Laufzeit entfallen, soweit bindende Vereinbarungen vorliegen, nach denen im Fall des Konkurses oder der Liquidation des Versicherungsunternehmens die nachrangigen Darlehen oder Vorzugsaktien hinter den Forderungen aller anderen Gläubiger zurückstehen und erst nach der Begleichung aller anderen zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verpflichtungen zurückgezahlt werden.

Die nachrangigen Darlehen müssen zusätzlich die folgenden Bedingungen erfüllen:

i)
lediglich die tatsächlich eingezahlten Mittel dürfen berücksichtigt werden;
ii)
bei Darlehen mit fester Laufzeit muss die Ursprungslaufzeit mindestens fünf Jahre betragen. Spätestens ein Jahr vor Ende der Laufzeit legt das Versicherungsunternehmen den zuständigen Behörden einen Plan zur Genehmigung vor, aus dem hervorgeht, wie die verfügbare Solvabilitätsspanne erhalten oder auf das bei Ende der Laufzeit geforderte Niveau gebracht wird, sofern der Umfang, bis zu dem das Darlehen in die verfügbare Solvabilitätsspanne einbezogen werden kann, nicht innerhalb der zumindest fünf letzten Jahre vor Ende der Laufzeit allmählich verringert worden ist. Die zuständigen Behörden können die vorzeitige Rückzahlung dieser Darlehen genehmigen, sofern der Antrag hierzu vom emittierenden Versicherungsunternehmen gestellt wird und dessen verfügbare Solvabilitätsspanne nicht unter das geforderte Niveau sinkt;
iii)
bei Darlehen ohne feste Laufzeit ist eine Kündigungsfrist von fünf Jahren vorzusehen, es sei denn, sie werden nicht länger als Bestandteile der verfügbaren Solvabilitätsspanne angesehen oder für ihre vorzeitige Rückzahlung wird ausdrücklich die vorherige Zustimmung der zuständigen Behörden verlangt. Im letzteren Fall unterrichtet das Versicherungsunternehmen die zuständigen Behörden mindestens sechs Monate vor dem vorgeschlagenen Rückzahlungszeitpunkt, wobei es die verfügbare Solvabilitätsspanne und die geforderte Solvabilitätsspanne vor und nach der Rückzahlung angibt. Die zuständigen Behörden genehmigen die Rückzahlung nur, wenn die verfügbare Solvabilitätsspanne des Versicherungsunternehmens nicht unter das geforderte Niveau abzusinken droht;
iv)
die Darlehensvereinbarung darf keine Klauseln enthalten, wonach die Schuld unter anderen Umständen als einer Auflösung des Versicherungsunternehmens vor dem vereinbarten Rückzahlungstermin rückzahlbar wird;
v)
die Darlehensvereinbarung kann erst geändert werden, wenn die zuständigen Behörden erklärt haben, dass sie gegen die Änderung keine Einwände erheben;

b)
Wertpapiere mit unbestimmter Laufzeit und sonstige Instrumente, einschließlich anderer als der unter Buchstabe a) genannten kumulativen Vorzugsaktien, bis zu einer Höchstgrenze von 50 % des jeweils niedrigeren Betrags der verfügbaren Solvabilitätsspanne und der geforderten Solvabilitätsspanne für den Gesamtbetrag dieser Wertpapiere und der unter Buchstabe a) genannten nachrangigen Darlehen, sofern sie folgende Kriterien erfüllen:

i)
sie dürfen nicht auf Initiative des Inhabers bzw. ohne vorherige Genehmigung der zuständigen Behörde zurückgezahlt werden;
ii)
der Emissionsvertrag muss dem Versicherungsunternehmen die Möglichkeit einräumen, die Zahlung der Darlehenszinsen zu verschieben;
iii)
die Forderungen des Darlehensgebers an das Versicherungsunternehmen müssen den Forderungen aller bevorrechtigten Gläubiger in vollem Umfang nachgeordnet sein;
iv)
in den Dokumenten, in denen die Ausgabe der Wertpapiere geregelt wird, muss vorgesehen werden, dass Verluste durch Schulden und nicht gezahlte Zinsen ausgeglichen werden können, wobei dem Versicherungsunternehmen jedoch gleichzeitig die Fortsetzung seiner Tätigkeit ermöglicht werden muss;
v)
es werden nur die tatsächlich gezahlten Beträge berücksichtigt.

(4) Auf mit entsprechenden Nachweisen versehenen Antrag des Unternehmens bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats sowie mit der Zustimmung dieser zuständigen Behörde darf die verfügbare Solvabilitätsspanne auch aus Folgendem bestehen:

a)
bis zum 31. Dezember 2009 einem Wert in Höhe von 50 % der künftigen Gewinne des Unternehmens, aber nicht mehr als 25 % des jeweils niedrigeren Betrags der verfügbaren Solvabilitätsspanne und der geforderten Solvabilitätsspanne; der Betrag der künftigen Gewinne ergibt sich durch Multiplikation des geschätzten Jahresgewinns mit einem Faktor, der der durchschnittlichen Restlaufzeit der Verträge entspricht. Dieser Faktor darf höchstens 6 betragen. Der geschätzte Jahresgewinn darf das arithmetische Mittel der Gewinne nicht übersteigen, die in den letzten fünf Jahren in den in Artikel 2 Nummer 1 aufgeführten Tätigkeiten erzielt worden sind.

Die zuständigen Behörden können der Berücksichtigung eines solchen Betrags bei der Berechnung der verfügbaren Solvabilitätsspanne nur zustimmen:

i)
wenn ihnen ein versicherungsmathematischer Bericht vorgelegt wird, der die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser künftigen Gewinne belegt und
ii)
insofern der Teil der künftigen Gewinne, der den stillen Nettoreserven unter Buchstabe c) entspricht, noch nicht berücksichtigt wurde;

b)
dem Unterschiedsbetrag zwischen der un- oder nur teilweise gezillmerten und einer mit einem dem in der Prämie enthaltenen Abschlusskostenzuschlag entsprechenden Zillmersatz gezillmerten mathematischen Rückstellung, wenn nicht oder zu einem unter dem in der Prämie enthaltenen Abschlusskostenzuschlag liegenden Zillmersatz gezillmert wurde. Dieser Betrag darf jedoch für sämtliche Verträge, bei denen eine Zillmerung möglich ist, 3,5 % der Summe der Unterschiedsbeträge zwischen dem in Betracht kommenden Kapital der Tätigkeit „Leben” und den mathematischen Rückstellungen nicht überschreiten; dieser Unterschiedsbetrag wird aber gegebenenfalls um die nicht amortisierten Abschlusskosten gekürzt, die auf der Aktivseite erscheinen;
c)
den stillen Nettoreserven, die sich aus der Bewertung der Aktiva ergeben, soweit diese stillen Nettoreserven nicht Ausnahmecharakter haben;
d)
der Hälfte des nichteingezahlten Teils des Grundkapitals oder des Gründungsstocks, sobald der eingezahlte Teil 25 % des Grundkapitals oder des Gründungsstocks erreicht, und zwar bis zu einer Höchstgrenze von 50 % des jeweils niedrigeren Betrags der verfügbaren Solvabilitätsspanne und der geforderten Solvabilitätsspanne.

(5) Änderungen der Absätze 2, 3 und 4 zur Berücksichtigung von Entwicklungen, die eine technische Anpassung der für die verfügbare Solvabilitätsspanne in Frage kommenden Bestandteile rechtfertigen, werden nach dem Verfahren des Artikels 65 Absatz 2 vorgenommen.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 330 vom 5.12.1998, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/1/EG (ABl. L 79 vom 24.3.2005, S. 9).

(2)

ABl. L 126 vom 26.5.2000, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/1/EG.

(3)

ABl. L 141 vom 11.6.1993, S. 27. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2002/87/EG (ABl. L 35 vom 11.2.2003, S. 1).

(4)

ABl. L 141 vom 11.6.1993, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/1/EG.

(5)

ABl. L 35 vom 11.2.2003, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/1/EG.

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