Artikel 44 RL 2009/138/EG

Risikomanagement

(1) Die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen verfügen über ein wirksames Risikomanagementsystem, das die Strategien, Prozesse und Meldeverfahren umfasst, die erforderlich sind, um die eingegangenen oder potenziellen Risiken kontinuierlich auf Einzelbasis und aggregierter Basis sowie ihre Interdependenzen zu erkennen, zu messen, zu überwachen, zu managen und darüber Bericht zu erstatten.

Das Risikomanagementsystem muss wirksam sein und gut in die Organisationsstruktur und die Entscheidungsprozesse des Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmens integriert sein, unter gebührender Berücksichtigung der Personen, die das Unternehmen tatsächlich leiten oder andere Schlüsselfunktionen innehaben.

(2) Das Risikomanagementsystem deckt die Risiken ab, die in die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung im Sinne von Artikel 101 Absatz 4 einzubeziehen sind, sowie die Risiken, die bei dieser Berechnung nicht vollständig erfasst werden.

Das Risikomanagementsystem deckt zumindest die folgenden Bereiche ab:

a)
Risikoübernahme und Rückstellungsbildung;
b)
Aktiv-Passiv-Management;
c)
Anlagen, insbesondere Derivate und ähnliche Verpflichtungen;
d)
Liquiditäts- und Konzentrationsrisikomanagement;
e)
Risikomanagement operationeller Risiken;
f)
Rückversicherung und andere Risikominderungstechniken.

Die schriftlich festgelegten Leitlinien zum Risikomanagement im Sinne von Artikel 41 Absatz 3 müssen Strategien umfassen, die sich auf Unterabsatz 2 Buchstaben a bis f dieses Absatzes beziehen.

Wenn Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen die Matching-Anpassung gemäß Artikel 77b oder die Volatilitätsanpassung gemäß Artikel 77d anwenden, erstellen sie einen Liquiditätsplan, der die eingehenden und ausgehenden Cashflows in Bezug auf die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten projiziert, die diesen Anpassungen unterliegen.

(2a) In Bezug auf das Aktiv-Passiv-Management bewertet das Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen regelmäßig:

a)
die Sensitivität ihrer versicherungstechnischen Rückstellungen und anrechenbaren Eigenmittel in Bezug auf die Annahmen, die der Extrapolation der maßgeblichen risikofreien Zinskurve gemäß Artikel 77a zugrunde liegen;
b)
wenn die Matching-Anpassung gemäß Artikel 77 b angewendet wird:

i)
die Sensitivität ihrer versicherungstechnischen Rückstellungen und anrechenbaren Eigenmittel in Bezug auf die Annahmen, die der Berechnung der Matching-Anpassung zugrunde liegen, einschließlich der Berechnung des grundlegenden Spreads gemäß Artikel 77c Absatz 1 Buchstabe b, und die potenziellen Auswirkungen von Zwangsverkäufen von Vermögenswerten auf ihre anrechenbaren Eigenmittel;
ii)
die Sensitivität ihrer versicherungstechnischen Rückstellungen und anrechenbaren Eigenmittel in Bezug auf Änderungen der Zusammensetzung des zugeordneten Vermögensportfolios;
iii)
die Auswirkung einer Verringerung der Matching-Anpassung auf null;

c)
wenn die Volatilitätsanpassung gemäß Artikel 77d angewendet wird:

i)
die Sensitivität ihrer versicherungstechnischen Rückstellungen und anrechenbaren Eigenmittel in Bezug auf die Annahmen, die der Berechnung der Volatilitätsanpassung zugrunde liegen, und die potenziellen Auswirkungen einer erzwungenen Veräußerung von Vermögenswerten auf ihre anrechenbaren Eigenmittel;
ii)
die Auswirkung einer Verringerung der Volatilitätsanpassung auf null.

Die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen übermitteln die in Unterabsatz 1 Buchstaben a, b und c genannten Bewertungen der Aufsichtsbehörde jährlich im Rahmen der gemäß Artikel 35 zu übermittelnden Informationen. Falls eine Reduzierung der Matching-Anpassung oder der Volatilitätsanpassung auf null zur Nichteinhaltung der Solvenzkapitalanforderung führen würde, legt das Unternehmen darüber hinaus eine Analyse der Maßnahmen vor, die es in einer derartigen Situation anwenden könnte, um die anrechnungsfähigen Eigenmittel in der zur Bedeckung der Solvenzkapitalanforderung erforderlichen Höhe wieder aufzubringen oder das Risikoprofil zu senken, sodass die Bedeckung der Solvenzkapitalanforderung wieder hergestellt ist.

Wird die Volatilitätsanpassung gemäß Artikel 77d angewendet, umfassen die schriftlich festgelegten Leitlinien für das Risikomanagement gemäß Artikel 41 Absatz 3 Leitlinien für die Kriterien zur Anwendung der Volatilitätsanpassung.

(3) In Bezug auf das Anlagerisiko müssen Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen nachweisen, dass sie Kapitel VI Abschnitt 6 genügen.

(4) Die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen schaffen eine Funktion „Risikomanagement” , die so strukturiert sein muss, dass sie die Umsetzung des Risikomanagementsystems erleichtert.

(4a) Damit ein übermäßiges Vertrauen auf externe Ratingagenturen vermieden wird, überprüfen die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen bei der Nutzung externer Ratings für die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen und der Solvenzkapitalanforderung im Rahmen ihres Risikomanagements die Angemessenheit dieser externen Ratings, indem sie soweit praktisch möglich zusätzliche Bewertungen vornehmen, um eine automatische Abhängigkeit von externen Ratings zu verhindern.

Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung dieses Absatzes sicherzustellen, arbeitet EIOPA Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, um die Verfahren zur Überprüfung externer Ratings festzulegen.

Die EIOPA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Durchführungsstandards bis zum 30. Juni 2015 vor.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 2 genannten Entwürfe technischer Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 zu erlassen.

(5) Für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, die im Einklang mit den Artikeln 112 und 113 ein Voll- oder ein Partialmodell als internes Modell benutzen, muss die Risikomanagementfunktion auch die folgenden zusätzlichen Aufgaben abdecken:

a)
Konzeption und Umsetzung des internen Modells;
b)
Austesten und Validierung des internen Modells;
c)
Dokumentierung des internen Modells und etwaiger späterer Änderungen;
d)
Analyse der Leistung des internen Modells und Erstellung zusammenfassender Berichte;
e)
Unterrichtung des Verwaltungs-, Management- oder Aufsichtsorgans über die Leistung des internen Modells unter Anregung von Verbesserungen für verbesserungsbedürftige Bereiche und aktueller Unterrichtung dieses Organs über die Anstrengungen, die zur Verbesserung vorher festgestellter Schwachstellen unternommen wurden.

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