Artikel 24 RL 2014/41/EU

Vernehmung per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung

(1) Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den zuständigen Behörden des Anordnungsstaats vernommen werden, so kann die Anordnungsbehörde eine EEA erlassen, um den Zeugen oder Sachverständigen per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 zu vernehmen.

Die Anordnungsbehörde kann eine EEA auch zum Zweck der Vernehmung einer verdächtigen oder beschuldigten Person per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung erlassen.

(2) Zusätzlich zu den Gründen für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Artikel 11 kann die Vollstreckung einer EEA versagt werden, wenn

a)
die verdächtige oder beschuldigte Person nicht zustimmt oder
b)
die Durchführung dieser Ermittlungsmaßnahme in einem spezifischen Fall im Widerspruch zu den wesentlichen Grundsätzen des Rechts des Vollstreckungsstaats stünde.

(3) Die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde vereinbaren die praktischen Vorkehrungen für die Vernehmung. Bei der Vereinbarung dieser Modalitäten verpflichtet sich die Vollstreckungsbehörde,

a)
den jeweiligen Zeugen oder Sachverständigen mit Angabe des Zeitpunkts und Orts der Vernehmung vorzuladen;
b)
die verdächtigen oder beschuldigten Personen im Einklang mit den besonderen Vorschriften des Rechts des Vollstreckungsstaats zur Vernehmung vorzuladen und diese Personen in einem Zeitrahmen über ihre Rechte nach dem Recht des Anordnungsstaats zu belehren, der es ihnen ermöglicht, ihre Verteidigungsrechte wirksam auszuüben;
c)
die Identität der zu vernehmenden Person festzustellen.

(4) Falls die Vollstreckungsbehörde unter den Umständen des Einzelfalls nicht über die technischen Vorrichtungen für eine mittels Videokonferenz abgehaltene Vernehmung verfügt, so können ihr diese von dem Anordnungsstaat in gegenseitigem Einvernehmen zur Verfügung gestellt werden.

(5) Für eine Vernehmung per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung gelten folgende Regeln:

a)
Bei der Vernehmung ist ein Vertreter der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats, bei Bedarf unterstützt von einem Dolmetscher, anwesend, der auch die Identität der zu vernehmenden Person feststellt und auf die Einhaltung der wesentlichen Grundsätze des Rechts des Vollstreckungsstaats achtet.

Werden nach Ansicht der Vollstreckungsbehörde bei der Vernehmung die wesentlichen Grundsätze des Rechts des Vollstreckungsstaats verletzt, so trifft er sofort die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit bei der weiteren Vernehmung diese Prinzipien beachtet werden;

b)
zwischen den zuständigen Behörden des Anordnungsstaats und des Vollstreckungsstaats werden gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der zu vernehmenden Person vereinbart;
c)
die Vernehmung wird unmittelbar von oder unter Leitung der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats nach deren nationalem Recht durchgeführt;
d)
auf Wunsch des Anordnungsstaats oder der zu vernehmenden Person stellt der Vollstreckungsstaat sicher, dass die zu vernehmende Person bei Bedarf von einem Dolmetscher unterstützt wird;
e)
die verdächtigen oder beschuldigten Personen werden vor der Vernehmung darüber belehrt, welche Verfahrensrechte ihnen nach dem Recht des Vollstreckungsstaats und des Anordnungsstaats zustehen, unter anderem auch über das Aussageverweigerungsrecht. Zeugen und Sachverständige können sich auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das ihnen nach dem Recht des Vollstreckungs- oder des Anordnungsstaats zusteht, und sie sind vor der Vernehmung über dieses Recht zu belehren.

(6) Unbeschadet etwaiger zum Schutz von Personen vereinbarter Maßnahmen erstellt die Vollstreckungsbehörde nach der Vernehmung ein Protokoll, das Angaben zum Termin und zum Ort der Vernehmung, zur Identität der vernommenen Person, zur Identität und zur Funktion aller anderen im Vollstreckungsstaat an der Vernehmung teilnehmenden Personen, zu einer etwaigen Vereidigung und zu den technischen Bedingungen, unter denen die Vernehmung stattfand, enthält. Die Vollstreckungsbehörde übermittelt das Dokument der Anordnungsbehörde.

(7) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen die Person gemäß diesem Artikel in seinem Hoheitsgebiet vernommen wird und trotz Aussagepflicht die Aussage verweigert oder falsch aussagt, sein nationales Recht genauso gilt, als wäre die Vernehmung in einem nationalen Verfahren erfolgt.

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