Artikel 4 RL 2016/1919/EU

Prozesskostenhilfe in Strafverfahren

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verdächtigen und beschuldigten Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistands verfügen, Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist.

(2) Die Mitgliedstaaten können eine Bedürftigkeitsprüfung, eine Prüfung der materiellen Kriterien oder beides vornehmen, um festzustellen, ob Prozesskostenhilfe nach Absatz 1 zu bewilligen ist.

(3) Wenn ein Mitgliedstaat eine Bedürftigkeitsprüfung vornimmt, trägt er sämtlichen relevanten und objektiven Kriterien Rechnung, zu denen beispielsweise Einkommen, Vermögen und familiäre Verhältnisse der betroffenen Person, die Kosten der Unterstützung durch einen Rechtsanwalt und der Lebensstandard in diesem Mitgliedstaat gehören, um festzustellen, ob ein Verdächtiger oder eine beschuldigte Person gemäß den in diesem Mitgliedstaat geltenden Kriterien nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung der Unterstützung durch einen Rechtsanwalt verfügen.

(4) Wenn der Mitgliedstaat eine Prüfung der materiellen Kriterien vornimmt, trägt er der Schwere der Straftat, der Komplexität des Falles und der Schwere der zu erwartenden Strafe Rechnung, damit festgestellt werden kann, ob die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Unter folgenden Umständen gelten die materiellen Kriterien in jedem Fall als erfüllt:

a)
wenn ein Verdächtiger oder eine beschuldigte Person in jeder Phase des Verfahrens im Anwendungsbereich dieser Richtlinie einem zuständigen Gericht oder einem zuständigen Richter zur Entscheidung über eine Haft vorgeführt wird und
b)
wenn er sich in Haft befindet.

(5) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Prozesskostenhilfe unverzüglich und spätestens vor einer Befragung durch die Polizei, eine andere Strafverfolgungsbehörde oder eine Justizbehörde oder vor der Durchführung einer der in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c genannten Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlungen bewilligt wird.

(6) Prozesskostenhilfe wird nur für die Zwecke des Strafverfahrens bewilligt, in dem die betreffende Person der Begehung einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt wird.

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