Artikel 3 RL 2019/633/EU

Verbot unlauterer Handelspraktiken

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass mindestens alle folgenden unlauteren Handelspraktiken verboten sind:

a)
Der Käufer bezahlt den Lieferanten,

i)
wenn die Liefervereinbarung eine regelmäßige Lieferung von Erzeugnissen festlegt,

für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 30 Tage nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums, in dem Lieferungen erfolgt sind, oder mehr als 30 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags für diesen Lieferzeitraum, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist;

für andere Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 60 Tage nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums, in dem Lieferungen erfolgt sind, oder mehr als 60 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags für diesen Lieferzeitraum, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist.

für die Zwecke der in dieser Ziffer genannten Zahlungsfristen ist in jedem Fall anzunehmen, dass die vereinbarten Lieferzeiträume einen Monat nicht überschreiten;

ii)
wenn die Liefervereinbarung keine regelmäßige Lieferung von Erzeugnissen festlegt,

für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 30 Tage nach dem Tag der Lieferung oder mehr als 30 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist;

für andere Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 60 Tage nach dem Tag der Lieferung oder mehr als 60 Tage nach der Festlegung des zu zahlenden Betrags, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist.

Legt der Käufer den zu zahlenden Betrag fest, so beginnt unbeschadet der Ziffern i und ii des vorliegenden Buchstabens

die in Ziffer i genannte Zahlungsfrist mit dem Ende des vereinbarten Lieferzeitraums, in dem Lieferungen erfolgt sind, und

die in Ziffer ii genannte Zahlungsfrist mit dem Tag der Lieferung.

b)
Der Käufer storniert die Bestellung verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse so kurzfristig, dass von einem Lieferanten nach vernünftigem Ermessen nicht erwartet werden kann, dass er eine alternative Vermarktungs- oder Verwendungsmöglichkeit für diese Erzeugnisse findet; eine Stornierungsfrist von weniger als 30 Tagen gilt in jedem Fall als kurzfristig in hinreichend begründeten Fällen und für spezifische Sektoren können die Mitgliedstaaten eine kürzere Frist als 30 Tage festsetzen.
c)
Der Käufer ändert einseitig die Bedingungen einer Liefervereinbarung für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse in Bezug auf Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise oder im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen, soweit diese in Absatz 2 ausdrücklich genannt werden.
d)
Der Käufer verlangt vom Lieferanten Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen des Lieferanten stehen.
e)
Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Qualitätsminderung oder den Verlust von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen oder beides bezahlt, die in den Räumlichkeiten des Käufers auftreten oder nachdem der Besitz auf den Käufer übergegangen ist, wenn die Qualitätsminderung oder der Verlust nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten verursacht werden.
f)
Der Käufer verweigert die schriftliche Bestätigung der Bedingungen einer Liefervereinbarung zwischen dem Käufer und dem Lieferanten, für die der Lieferant eine schriftliche Bestätigung verlangt hat; dies gilt nicht, wenn die Liefervereinbarung sich auf Erzeugnisse bezieht, die von einem Mitglied einer Erzeugerorganisation einschließlich einer Genossenschaft an die Erzeugerorganisation, der der Lieferant angehört, geliefert werden sollen, wenn die Satzung dieser Erzeugerorganisation oder die sich aus dieser Satzung ergebenden oder darin vorgesehenen Regeln und Beschlüsse Bestimmungen enthalten, mit denen eine ähnliche Wirkung erzielt wird wie mit den Bedingungen der Liefervereinbarung.
g)
Der Käufer erwirbt oder nutzt Geschäftsgeheimnisse des Lieferanten rechtswidrig im Sinne der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) oder legt diese rechtswidrig im Sinne der genannten Richtlinie offen.
h)
Der Käufer droht dem Lieferanten Vergeltungsmaßnahmen kommerzieller Art an oder ergreift gegen ihn derartige Maßnahmen, wenn der Lieferant seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht, auch indem er bei den Durchsetzungsbehörden Beschwerde einreicht oder bei einer Ermittlung mit den Durchsetzungsbehörden zusammenarbeitet.
i)
Der Käufer verlangt vom Lieferanten eine Entschädigung für die Kosten der Bearbeitung von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten, obwohl weder fahrlässig noch vorsätzlich ein Verschulden des Lieferanten vorliegt.

Das Verbot gemäß Unterabsatz 1Buchstabe a gilt unbeschadet

der Folgen von Zahlungsverzug und der Rechtsbehelfe gemäß der Richtlinie 2011/7/EU, die — abweichend von den in der genannten Richtlinie festgelegten Zahlungsfristen — auf Grundlage der in der vorliegenden Richtlinie festgelegten Zahlungsfristen gelten;

der Möglichkeit eines Käufers oder Lieferanten, eine Wertaufteilungsklausel gemäß Artikel 172a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 zu vereinbaren.

Das Verbot gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe a gilt nicht für Zahlungen

eines Käufers an einen Lieferanten, wenn diese Zahlungen im Rahmen des Schulprogramms gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 geleistet werden;

von öffentlichen Einrichtungen, die Gesundheitsdienste im Sinne des Artikels 4 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2011/7/EU anbieten;

im Rahmen von Liefervereinbarungen zwischen Lieferanten von Trauben und Most für die Weinerzeugung und deren unmittelbaren Käufern, sofern

i)
die spezifischen Zahlungsbedingungen für Verkäufe in den Musterverträgen enthalten sind, die gemäß Artikel 164 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vor dem 1. Januar 2019 von dem betreffenden Mitgliedstaat verbindlich vorgeschrieben wurden, und diese Ausdehnung der Musterverträge vom Mitgliedstaat ab dem genannten Tag ohne wesentliche Änderungen der Zahlungsbedingungen zum Nachteil von Lieferanten von Trauben oder Most erneuert wird und
ii)
die Liefervereinbarungen zwischen Lieferanten von Trauben oder Most für die Weinerzeugung und deren unmittelbaren Käufern mehrjährige Verträge sind oder zu mehrjährigen Verträgen werden.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass mindestens alle folgenden Handelspraktiken verboten sind, es sei denn, diese sind zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder in einer Folgevereinbarung zwischen dem Lieferanten und dem Käufer vereinbart worden:

a)
Der Käufer schickt nicht verkaufte Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse an den Lieferanten zurück, ohne für diese nicht verkauften Erzeugnisse oder für die Beseitigung dieser Erzeugnisse oder für beides zu bezahlen.
b)
Vom Lieferanten wird eine Zahlung dafür verlangt, dass seine Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse gelagert, zum Verkauf angeboten, gelistet oder auf dem Markt bereitgestellt werden.
c)
Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser die gesamten Kosten oder einen Teil davon für Preisnachlässe bei Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, die der Käufer im Rahmen einer Verkaufsaktion verkauft, trägt.
d)
Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Werbung für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse durch den Käufer zahlt.
e)
Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Vermarktung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen durch den Käufer zahlt.
f)
Der Käufer verlangt vom Lieferanten eine Zahlung für das Personal für die Einrichtung der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Unterabsatz 1 Buchstabe c genannte Handelspraxis verboten ist, außer in den Fällen, in denen der Käufer eine Verkaufsaktion veranlasst, vor deren Beginn der Käufer mitteilt, in welchem Zeitraum die Aktion laufen wird und welche Menge an Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen voraussichtlich zu dem niedrigeren Preis bestellt wird.

(3) Verlangt der Käufer in den in Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstaben b, c, d, e oder f genannten Fällen eine Zahlung, so muss der Käufer dem Lieferanten auf dessen Verlangen — je nach Sachlage — eine Schätzung der Zahlungen je Einheit oder der Zahlungen insgesamt in schriftlicher Form und in den in Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstaben b, d, e oder f genannten Fällen auch eine Kostenschätzung sowie die Grundlage für diese Schätzung in schriftlicher Form vorlegen.

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es sich bei den in den Absätzen 1 und 2 festgelegten Verboten um übergeordnete zwingende Bestimmungen handelt, die auf alle in den Anwendungsbereich dieser Verbote fallenden Situationen anwendbar sind, unabhängig davon, welche rechtlichen Bestimmungen sonst für die Liefervereinbarung zwischen den Vertragsparteien gelten.

Fußnote(n):

(1)

Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1).

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