Artikel 11 RL 2020/2184/EU

Mindesthygieneanforderungen für Materialien und Werkstoffe, die mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Berührung kommen

(1) Für die Zwecke des Artikels 4 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Materialien und Werkstoffe, die für die Verwendung in Neuanlagen oder — im Fall von Reparatur- oder Sanierungsmaßnahmen — in bereits bestehenden Anlagen zur Entnahme, Aufbereitung, Speicherung oder Verteilung von Wasser für den menschlichen Gebrauch vorgesehen sind und mit diesem Wasser in Berührung kommen,

a)
den durch die vorliegende Richtlinie vorgesehenen Schutz der menschlichen Gesundheit weder direkt noch indirekt gefährden;
b)
die Färbung, den Geruch oder den Geschmack des Wassers nicht beeinträchtigen;
c)
nicht die Vermehrung von Mikroorganismen fördern;
d)
nicht dazu führen, dass Kontaminanten in höheren Konzentrationen als aufgrund des mit dem Material oder Werkstoff verfolgten Zwecks unbedingt nötig in das Wasser gelangen.

(2) Um sicherzustellen, dass Absatz 1 einheitlich zur Anwendung kommt, erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte, um die spezifischen Mindesthygieneanforderungen für Materialien und Werkstoffe, die mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Berührung kommen, auf der Grundlage der in Anhang V festgelegten Grundsätze festzulegen. In diesen Durchführungsrechtsakten wird Folgendes festgelegt:

a)
Bis zum 12. Januar 2024 Methoden für die Prüfung und Akzeptanz von Ausgangsstoffen, Zusammensetzungen und Bestandteilen, die in europäische Positivlisten von Ausgangsstoffen, Zusammensetzungen oder Bestandteilen aufgenommen werden sollen, darunter bestimmte Migrationsgrenzwerte und wissenschaftliche Voraussetzungen, die sich auf Stoffe, Materialien oder Werkstoffe beziehen;
b)
bis zum 12. Januar 2025 auf der Grundlage der von der ECHA zusammengeführten Listen, die Ablaufdaten enthalten, europäische Positivlisten der Ausgangsstoffe, Zusammensetzungen oder Bestandteile für die einzelnen Gruppen von Materialien und Werkstoffen, nämlich organische Materialien, zementgebundene oder metallene Werkstoffe, Emails, keramische oder andere anorganische Werkstoffe, die für die Herstellung von Materialien und Werkstoffen oder Produkten, die mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Berührung kommen, zugelassen sind, einschließlich gegebenenfalls der Bedingungen für ihre Verwendung und der Migrationsgrenzwerte, die auf der Grundlage der einheitlichen Methoden gemäß Buchstabe a des vorliegenden Unterabsatzes angenommen werden, und unter Berücksichtigung der Absätze 3 und 4;
c)
bis zum 12. Januar 2024 Verfahren und Methoden für das Testen und die Akzeptanz von endgültigen Materialien und Werkstoffen, wie sie in Produkten verwendet werden, die aus Materialien, Werkstoffen oder Kombinationen von Ausgangsstoffen, Zusammensetzungen oder Bestandteilen auf den europäischen Positivlisten hergestellt werden, einschließlich

i)
Festlegung relevanter Stoffe und anderer Parameter, wie Trübung, Geschmack, Geruch, Färbung, gesamter organischer Kohlenstoff, Freisetzung unerwarteter Stoffe und Förderung der Vermehrung von Mikroorganismen, auf die die Migrationswässer zu untersuchen sind;
ii)
Methoden für das Prüfen der Auswirkungen auf die Wasserqualität, unter Berücksichtigung einschlägiger Europäische Normen;
iii)
Kriterien für das Bestehen/Nichtbestehen in Bezug auf die Prüfergebnisse, die unter anderem den Konversionsfaktoren zur Umrechnung der Migration von Stoffen in die geschätzte Konzentration an der Zapfstelle und gegebenenfalls den Anwendungs- oder Verwendungsbedingungen Rechnung tragen.

Die in diesem Absatz aufgeführten Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 22 genannten Prüfverfahren erlassen.

(3) Die ersten gemäß Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe b festgelegten europäischen Positivlisten beruhen unter anderem auf vorhandenen nationalen Positivlisten, sonstigen bestehenden nationalen Bestimmungen und auf den Risikobewertungen, die als Grundlage für die Festlegung solcher nationalen Listen dienten. Zu diesem Zweck setzen die Mitgliedstaaten die ECHA bis zum 12. Juli 2021 über vorhandene nationale Positivlisten, sonstige Bestimmungen und verfügbare Bewertungsdokumente in Kenntnis.

Die europäische Positivliste von Ausgangsstoffen für organische Materialien trägt dem Verzeichnis Rechnung, das von der Kommission gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 erstellt wurde.

(4) Die europäischen Positivlisten enthalten die einzigen Ausgangsstoffe, Zusammensetzungen oder Bestandteile, die für die Nutzung gemäß Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a zugelassen sind.

Die europäischen Positivlisten enthalten Ablaufdaten auf der Grundlage einer Empfehlung der ECHA. Die Ablaufdaten werden insbesondere auf der Grundlage der gefährdenden Eigenschaften der Stoffe, der Qualität der zugrunde liegenden Risikobewertungen und der Aktualität dieser Risikobewertungen festgelegt. Die europäischen Positivlisten können auch Übergangsbestimmungen enthalten.

Auf der Grundlage von Stellungnahmen der ECHA gemäß Absatz 6 und entsprechend den neuesten wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen überprüft die Kommission die in Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe b genannten Durchführungsrechtsakte regelmäßig und aktualisiert sie gegebenenfalls.

Die erste Überprüfung ist bis 15 Jahre nach Annahme der ersten Europäischen Positivliste abzuschließen.

Die Kommission stellt sicher, dass alle einschlägigen Rechtsakte oder Normungsaufträge, die sie gemäß anderen Rechtsvorschriften der Union erlässt bzw. erteilt, dieser Richtlinie entsprechen.

(5) Für die Zwecke der Aufnahme oder Streichung von Ausgangsstoffen, Zusammensetzungen oder Bestandteilen in die bzw. aus den europäischen Positivlisten übermitteln Wirtschaftsakteure oder einschlägige Behörden Anträge an die ECHA.

Die Kommission erlässt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 21, um diese Richtlinie durch die Festlegung eines Verfahrens, einschließlich Informationsanforderungen, für das Antragsverfahren zu ergänzen. Das Verfahren stellt sicher, dass den Anträgen Risikobewertungen beiliegen und die Wirtschaftsakteure oder einschlägigen Behörden die für die Risikobewertung erforderlichen Informationen in einem bestimmten Format bereitstellen.

(6) Der gemäß Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingesetzte Ausschuss für Risikobeurteilung der ECHA gibt innerhalb einer Frist, die in den in Absatz 5 genannten delegierten Rechtsakten festzulegen ist, zu jedem gemäß Absatz 5 eingereichten Antrag eine Stellungnahme ab. Weitere Verfahrensvorschriften über das Antragsverfahren und die Abgabe von Stellungnahmen durch den Ausschuss für Risikobeurteilung der ECHA, einschließlich einer Frist für die Abgabe von Stellungnahmen, können ebenfalls in diese delegierten Rechtsakte aufgenommen werden.

(7) Die Mitgliedstaaten gehen davon aus, dass im Einklang mit den spezifischen Mindesthygieneanforderungen gemäß Absatz 2 zugelassene Produkte den Anforderungen des Absatzes 1 genügen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass nur solche mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Berührung kommende Produkte für die Zwecke der vorliegenden Richtlinie in Verkehr gebracht werden dürfen, die aus gemäß dieser Richtlinie zugelassenen endgültigen Materialien oder Werkstoffen bestehen.

Dies hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, in besonderen oder hinreichend begründeten Fällen gemäß Artikel 193 AEUV strengere Schutzmaßnahmen für die Verwendung von endgültigen Materialien oder Werkstoffen zu ergreifen, insbesondere wenn die spezifische örtliche Rohwasserqualität dies erfordert. Diese Maßnahmen sind der Kommission zu notifizieren.

Für die unter diesen Artikel fallenden Produkte gilt die Verordnung (EU) 2019/1020.

(8) Die Kommission erlässt gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte, um die vorliegende Richtlinie durch die Festlegung des geeigneten Konformitätsbewertungsverfahrens, das auf der Grundlage der Module in Anhang II des Beschlusses Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(1) auf Produkte, die unter diesen Artikel fallen, anzuwenden ist, zu ergänzen. Bei der Festlegung, welches Konformitätsbewertungsverfahren anzuwenden ist, gewährleistet die Kommission die Einhaltung der in Artikel 1 Absatz 2 der vorliegenden Richtlinie genannten Ziele, wobei sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt. Zu diesem Zweck legt die Kommission als Ausgangspunkt das System 1+ zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit gemäß Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 oder ein weitgehend gleichwertiges Verfahren zugrunde, es sei denn, dies wäre unverhältnismäßig. Die in diesem Absatz genannten delegierten Rechtsakte enthalten auch Vorschriften für die Benennung von Konformitätsbewertungsstellen, sofern solche an den jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahren beteiligt sind.

(9) Bis zum Erlass der in Absatz 2 genannten Durchführungsrechtsakte können die Mitgliedstaaten nationale Maßnahmen bezüglich spezifischer Mindesthygieneanforderungen für die Materialien oder Werkstoffe gemäß Absatz 1 beibehalten oder erlassen, sofern diese Maßnahmen den Vorschriften des AEUV entsprechen.

(10) Die Kommission ersucht gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) eine oder mehrere europäische Normungsorganisationen, eine europäische Norm für die einheitliche Prüfung und Bewertung von Produkten, die mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Berührung kommen, zu erarbeiten, um die Einhaltung des vorliegenden Artikels zu erleichtern.

(11) Die Kommission erlässt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 21, um diese Richtlinie durch harmonisierte Spezifikationen für eine unübersehbare, deutlich lesbare und unauslöschliche Kennzeichnung zu ergänzen, die zu verwenden ist, um anzugeben, dass Produkte, die mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Berührung kommen, die Anforderungen dieses Artikels einhalten.

(12) Spätestens bis zum 12. Januar 2032 überprüft die Kommission auf der Grundlage insbesondere der durch die Anwendung der Verordnungen (EG) Nr. 1935/2004 und (EU) Nr. 305/2011 gemachten Erfahrungen das im vorliegenden Artikel beschriebene System auf seine Funktionsfähigkeit und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vor, in dem bewertet wird, ob

a)
die menschliche Gesundheit im Hinblick auf den Gegenstand dieses Artikels in der gesamten Union angemessen geschützt ist;
b)
der Binnenmarkt für mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Berührung kommende Produkte ordnungsgemäß funktioniert;
c)
es weiterer Gesetzgebungsvorschläge zum Gegenstand dieses Artikels bedarf.

Fußnote(n):

(1)

Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 82).

(2)

Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12).

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