ANHANG III RL 74/408/EWG

GELTUNGSBEREICH, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND VORSCHRIFTEN FÜR BESTIMMTE FAHRZEUGE DER KLASSEN M<sub>2</sub> UND M<sub>3</sub>

1.
Geltungsbereich

1.1. Die Vorschriften dieses Anhangs gelten für Sitze in Fahrzeugen der Klassen M2 und M3 mit Ausnahme von Fahrzeugen dieser Klassen, die sowohl für den Einsatz im Nahverkehr als auch für stehende Fahrgäste ausgelegt sind, in bezug auf:

1.1.1. Fahrgastsitze, die nach vorn gerichtet eingebaut werden sollen;

1.1.2. die im Fahrzeug vorgesehenen Sitzverankerungen, die mit den Sitzen nach 1.1 eingebaut werden sollen oder jeder andere Sitztyp, der an diesen Verankerungen befestigt werden kann.

1.2. Alternativ zu diesem Anhang können Fahrzeuge der Klasse M2 nach Anhang II genehmigt werden.

1.3. Fahrzeuge, bei denen für einige Sitze die Ausnahmeregelung nach 5.5.4 des Anhangs I der Richtlinie 76/115/EWG gilt, sind nach diesem Anhang zu genehmigen.

1.4. Die in diesem Anhang beschriebenen Prüfungen können entsprechend 3.1.10 des Anhangs I der Richtlinie 77/541/EWG und 4.3.7 des Anhangs I der Richtlinie 76/115/EWG auch auf andere Fahrzeugteile (einschließlich nach hinten gerichtete Sitze) angewandt werden.

2.
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Anhangs bedeuten:

2.1. „Genehmigung eines Sitzes” die Genehmigung eines Sitztyps als Bauteil in bezug auf die Sicherheit der Insassen auf nach vorn gerichteten Sitzen im Hinblick auf deren Widerstandsfähigkeit und die Gestaltung der Rückenlehnen;

2.2. „Genehmigung eines Fahrzeugs” die Genehmigung eines Fahrzeugtyps hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit der Teile der Fahrzeugstruktur, an die die Sitze anzubringen sind, und hinsichtlich des Einbaus der Sitze;

2.3. „Sitztyp” Sitze, die untereinander keine wesentlichen Unterschiede aufweisen in bezug auf die folgenden Merkmale, die ihre Widerstandsfähigkeit und Gefährlichkeit beeinträchtigen können:

2.3.1. Struktur, Form, Abmessungen und Werkstoffe der tragenden Teile;

2.3.2. Typen und Abmessungen des Einstellungs- und Verriegelungssystems der Rückenlehne;

2.3.3. Abmessungen, Struktur und Werkstoffe der Befestigungsteile und Stützen (z. B. Beine);

2.4. „Fahrzeugtyp” Fahrzeuge, die untereinander keine wesentlichen Unterschiede aufweisen in bezug auf

die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Baumerkmale und

gegebenenfalls den (die) in das Fahrzeug eingebauten Sitztyp (Sitztypen) für die eine EG-Bauteil-Typgenehmigung erteilt wurde.

2.5. „Sitz” eine Struktur einschließlich Polsterung und Befestigungsteilen, die fester Bestandteil der Fahrzeugstruktur sein kann, die zur Verwendung in einem Fahrzeug vorgesehen ist und einen Sitzplatz für einen oder mehrere Erwachsene bietet. Seiner Orientierung entsprechend bezeichnet ein:

2.5.1. „nach vorn gerichteter Sitz” einen Sitz, der während der Fahrt benutzt werden kann und so nach vorn gerichtet ist, dass die senkrechte Mittelebene des Sitzes mit der senkrechten Mittelebene des Fahrzeugs einen Winkel von weniger als + 10o oder - 10o bildet;

2.5.2. „nach hinten gerichteter Sitz” einen Sitz, der während der Fahrt benutzt werden kann und so nach hinten gerichtet ist, dass die senkrechte Mittelebene des Sitzes mit der senkrechten Mittelebene des Fahrzeugs einen Winkel von weniger als + 10o oder - 10o bildet;

2.5.3. „nach der Seite gerichteter Sitz” einen Sitz, der in Bezug auf seine Ausrichtung zur senkrechten Mittelebene des Fahrzeugs nicht den Begriffsbestimmungen der Nummern 2.5.1 und 2.5.2 entspricht;

2.6. „Einzelsitz” ein für eine Person ausgelegter und gebauter Sitz;

2.7. „Doppelsitz” ein für zwei nebeneinander sitzende Personen ausgelegter und gebauter Sitz; zwei Sitze nebeneinander ohne Verbindung gelten als zwei Einzelsitze;

2.8. „Sitzreihe” ein Sitz, der für drei oder mehr nebeneinander sitzende Personen ausgelegt und gebaut wurde; mehrere nebeneinander angeordnete Einzel- oder Doppelsitze gelten nicht als Sitzreihe;

2.9. „Sitzpolster” der Teil des Sitzes, der fast horizontal angeordnet ist und zur Aufnahme eines sitzenden Fahrgasts bestimmt ist;

2.10. „Rückenlehne” der Teil des Sitzes, der fast vertikal angeordnet ist und zur Stützung von Rücken, Schulter und möglichst des Kopfes des Fahrgasts bestimmt ist;

2.11. „Einstelleinrichtung” die Einrichtung, mit der der Sitz oder seine Teile in eine dem Sitzenden angepaßte Stellung gebracht werden können;

2.12. „Verstelleinrichtung” eine Einrichtung, mit deren Hilfe der Sitz oder ein Teil des Sitzes seitlich oder in Längsrichtung ohne feste Zwischenstellung des Sitzes oder eines seiner Teile verstellt werden kann, um den Zugang der Insassen zu erleichtern;

2.13. „Verriegelungseinrichtung” eine Einrichtung, die den Sitz und seine Teile in der Benutzungsstellung hält;

2.14. „Verankerung” einen Teil des Fußbodens oder des Aufbaus eines Fahrzeugs, an dem der Sitz befestigt werden kann;

2.15. „Befestigungsteile” Bolzen oder andere Bauteile für die Befestigung des Sitzes an das Fahrzeug;

2.16. „Prüfschlitten” das Prüfgerät, das für die dynamische Reproduktion von Straßenverkehrsunfällen mit Frontalaufprall hergestellt und verwendet wird;

2.17. „Zusatzsitz” ein Sitz, der auf dem Prüfschlitten hinter dem zu prüfenden Sitz für die Prüfpuppe angebracht ist. Dieser Sitz ist repräsentativ für den Sitz, der im Fahrzeug hinter dem zu prüfenden Sitz verwendet wird;

2.18. „Bezugsebene” die Ebene, die durch die Kontaktpunkte der Fersen der Prüfpuppe verläuft und für die Bestimmung des H-Punkts und des tatsächlichen Rumpfwinkels für die Sitzposition in den Kraftfahrzeugen verwendet wird;

2.19. „Bezugshöhe” die Höhe des obersten Punkts des Sitzes oberhalb der Bezugsebene;

2.20. „Prüfpuppe” eine Prüfpuppe gemäß den Vorschriften für Hybrid II oder III(1);

2.21. „Bezugsbereich” der Bereich zwischen zwei vertikalen 400 mm voneinander entfernten und in bezug auf den H-Punkt symmetrisch verlaufenden Längsebenen, der durch Drehung der in Anhang II der Richtlinie 74/60/EWG beschriebenen Prüfeinrichtung von der Vertikalen in die Horizontale definiert ist. Die Prüfeinrichtung ist wie in diesem Anhang beschrieben aufzustellen und auf eine maximale Länge von 840 mm einzustellen;

2.22. „Dreipunktsicherheitsgurt” im Sinne dieser Richtlinie umfaßt auch Gurte mit mehr als drei Verankerungspunkten;

2.23. „Sitzabstand” der horizontale Abstand zwischen zwei hintereinander angeordneten Sitzen, gemessen in einer Höhe von 620 mm über dem Fußboden von der Vorderseite der Rücklehne des einen Sitzes bis zur Rückseite der Rückenlehne des davorliegenden Sitzes.

3.
Vorschriften für Sitze

3.1. Jeder Sitztyp unterliegt auf Antrag des Herstellers entweder den Prüfvorschriften der Anlage 1 (dynamische Prüfung) oder der Anlagen 5 und 6 (statische Prüfung).

3.2. Die an dem Sitztyp vorgenommenen Prüfungen sind in dem Nachtrag zum Genehmigungsbogen zu verzeichnen (Anlage 4 des Anhangs I).

3.3. Jede vorgesehene Einstell- und Verstelleinrichtung muß mit einer selbsttätigen Verriegelungseinrichtung versehen sein.

3.4. Nach der Prüfung brauchen die Einstell- und Verriegelungseinrichtungen nicht voll funktionsfähig zu sein.

3.5. In Fahrzeugen der Klasse M2 mit einer Gesamtmasse von bis zu 3500 kg ist an jedem äußeren Vordersitz eine Kopfstütze anzubringen; die in diesen Fahrzeugen eingebauten Kopfstützen müssen den Vorschriften der Richtlinie 78/932/EWG genügen.

4.
Vorschriften für Sitzverankerungen eines Fahrzeugtyps

4.1. Die Sitzverankerungen im Fahrzeug müssen folgende Prüfungen bestehen:

4.1.1. entweder die Prüfung nach Anlage 2

4.1.2. oder, wenn der Sitz an dem geprüften Teil der Fahrzeugstruktur angebracht ist, die Prüfungen nach Anlage 1. Der Sitz muß kein genehmigter Sitz sein, sofern er die Vorschriften von 3.2.1 der obigen Anlage erfüllt.

4.2. Ständige Verformung, einschließlich Bruch, einer Verankerung oder des umgebenden Bereichs sind zulässig, sofern der vorgeschriebenen Kraft während des vorgeschriebenen Zeitraums standgehalten wurde.

4.3. Wenn es in einem Fahrzeug mehr als einen Verankerungstyp gibt, ist für die Genehmigung des Fahrzeugs jede Variante zu prüfen.

4.4. Es kann eine einzige Prüfung durchgeführt werden, um gleichzeitig einen Sitz und ein Fahrzeug zu prüfen.

4.5. Bei Fahrzeugen der Klasse M3 wird angenommen, daß die Sitzverankerungen den Vorschriften nach 4.1 und 4.2 genügen, wenn die Sicherheitsgurtverankerungen der entsprechenden Sitzplätze unmittelbar an den einzubauenden Sitzen befestigt sind, und diese Gurtverankerungen die Vorschriften der Richtlinie 76/115/EWG erfüllen, erforderlichenfalls mit der Ausnahmeregelung nach 5.5.4 des Anhangs I dieser Richtlinie.

5.
Vorschriften für den Einbau der Sitze in einen Fahrzeugtyp

5.1. Alle eingebauten nach vorn gerichteten Sitze sind nach den Vorschriften von 3 dieses Anhangs und vorbehaltlich der folgenden Bedingungen zu genehmigen:

5.1.1. die Sitze haben eine Bezugshöhe von mindestens 1 m und

5.1.2. der H-Punkt des unmittelbar dahinter angeordneten Sitzes ist maximal 72 mm höher als der H-Punkt des in Frage stehenden Sitzes oder, wenn der Sitz dahinter mehr als 72 mm höher ist, ist der Sitz für den Einbau in einer solchen Lage zu prüfen und zu genehmigen.

5.2. Bei Genehmigungen nach Anlage 1 sind die Prüfungen 1 und 2 durchzuführen, mit folgenden Ausnahmen:

5.2.1. Prüfung 1 ist nicht vorzunehmen, wenn kein nichtangeschnallter Insasse auf die Rückseite eines Sitzes aufprallen kann (d. h., wenn sich direkt hinter dem zu prüfenden Sitz kein nach vorn gerichteter Sitz befindet).

5.2.2. Prüfung 2 ist nicht durchzuführen,

5.2.2.1. wenn kein angeschnallter Insasse auf den rückwärtigen Teil des Sitzes aufprallen kann oder

5.2.2.2. wenn der Sitz dahinter mit einem Dreipunktsicherheitsgurt und Verankerungen ausgestattet ist, die vollständig der Richtlinie 76/115/EWG entsprechen (ohne Ausnahme), oder

5.2.2.3. der Sitz die Vorschriften von Anlage 6 dieses Anhangs erfüllt.

5.3. Wenn Genehmigungen nach den Anlagen 5 und 6 erteilt werden, sind alle Prüfungen durchzuführen, mit folgenden Ausnahmen:

5.3.1. Die Prüfung nach Anlage 5 ist nicht vorzunehmen, wenn kein nicht angeschnallter Insasse auf den rückwärtigen Teil eines Sitzes aufprallen kann (d. h., wenn sich direkt hinter dem zu prüfenden Sitz kein nach vorn gerichteter Sitz befindet).

5.3.2. Die Prüfung nach Anlage 6 ist nicht vorzunehmen,

5.3.2.1. wenn kein angeschnallter Insasse auf den rückwärtigen Teil des Sitzes aufprallen kann oder

5.3.2.2. wenn der Sitz dahinter mit einem Dreipunktsicherheitsgurt und Verankerungen ausgestattet ist, die vollständig der Richtlinie 76/115/EWG entsprechen (ohne Ausnahme).

Fußnote(n):

(1)

Die technischen Vorschriften und Detailzeichnungen für die Prüfpuppe Hybrid II und III, die den Hauptabmessungen eines 50-Perzentil-Mannes der Vereinigten Staaten von Amerika entspricht, und die Vorschriften für ihre Einstellung für diese Prüfung liegen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vor und können auf Wunsch beim Sekretariat der Wirtschaftskommission für Europa, Palais des Nations, Genf, Schweiz, eingesehen werden.

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