ANHANG II RL 77/536/EWG

BEDINGUNGEN FÜR DIE PRÜFUNG DER FESTIGKEIT VON UMSTURZSCHUTZVORRICHTUNGEN UND IHRER BEFESTIGUNG AN DER ZUGMASCHINE

1.
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

1.1.
Zweck der Prüfung

Zweck der Prüfungen, die mit Spezialvorrichtungen durchgeführt werden, ist es, die Belastungen zu simulieren, denen die Umsturzschutzvorrichtung beim Umstürzen der Zugmaschine ausgesetzt ist. Diese in Anhang III beschriebenen Prüfungen sollen eine Beurteilung der Festigkeit der Umsturzschutzvorrichtung sowie ihrer Befestigung an der Zugmaschine ermöglichen.

1.2.
Vorbereitung der Prüfung

1.2.1. Für die Prüfung muß die Umsturzschutzvorrichtung an eine Zugmaschine des Typs angebaut sein, für den sie konstruiert ist. Sie muß entsprechend den Vorschriften des Herstellers der Zugmaschine und/oder des Herstellers der Umsturzschutzvorrichtung angebaut sein.

1.2.2. Die Zugmaschine muß zur Prüfung mit allen Bauelementen der serienmäßigen Ausführung versehen sein, welche die Festigkeit der Umsturzschutzvorrichtung beeinflussen und zur Durchführung der Festigkeitsprüfung erforderlich sein können. Teile der Zugmaschine, welche die Freiraumzone beeinträchtigen können, müssen ebenfalls angebracht sein, damit geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen des Anhangs II — 4.1 erfüllt werden.

1.2.3. Die Prüfungen werden bei stehender Zugmaschine durchgeführt.

1.3.
Masse der Zugmaschine

Die für die Berechnung der Fallhöhe des Pendelgewichts und der Drucklast in den Formeln verwendete Masse W (siehe Anhang III Buchstabe A und Anhang III Buchstabe B) ist mindestens gleich dem Gewicht nach der Definition des Anhangs I — 2.4 der Richtlinie 74/150/EWG (d.h. ohne Sonderzubehör, jedoch mit Kühlflüssigkeit, Schmiermittel, Kraftstoff, Werkzeug und Fahrer) abzüglich 75 kg, zuzüglich Umsturzschutzvorrichtung. Nicht berücksichtigt werden etwaige zusätzliche Belastungsgewichte vorn und hinten, Reifenballast, angebaute Geräte, angebaute Ausrüstungen oder sonstiges Zubehör.

2.
PRÜFEINRICHTUNGEN

2.1.
Pendelgewicht

2.1.1.
Ein Pendelgewicht wird bifilar an zwei Punkten aufgehängt, die sich mindestens in 6 m Höhe über dem Boden befinden. Es sind Einrichtungen vorzusehen, um die Fallhöhe des Gewichts und den Winkel zwischen Gewicht und Halteketten bzw. Halteseilen unabhängig voneinander einstellen zu können.
2.1.2.
Das Pendelgewicht muß 2000± 20 kg ohne Halteketten oder -seile wiegen, die ihrerseits nicht schwerer sein dürfen als 100 kg. Die Seitenlängen der Aufschlagfläche müssen 680 ± 20 mm betragen (siehe Anhang IV Abbildung 4). Das Gewicht ist so mit Material zu füllen, daß die Lage seines Schwerpunktes unverändert bleibt.
2.1.3.
Es sind Einrichtungen vorzusehen, mit denen das Gewicht nach rückwärts gezogen werden kann, um auf einer für jede Prüfung festgelegten Höhe als Pendel zu wirken. Eine Schnellauslöseeinrichtung muß ermöglichen, das Gewicht für seinen Fall freizugeben, ohne daß es irgendeine Schwenkbewegung gegenüber den Halteketten bzw. Halteseilen ausführt.

2.2.
Halterung des Pendels

Die Drehpunkte des Pendels sind so starr zu befestigen, daß sie sich in keiner Richtung um mehr als 1 % der Fallhöhe verschieben können.

2.3.
Verankerung

2.3.1. Die Zugmaschine wird mit Hilfe von Befestigungs- und Spannvorrichtungen an Bodenschienen verspannt, die starr auf einer stabilen Bodenplatte befestigt sind. Der Abstand der Schienen ist so zu wählen, daß die Zugmaschine in der aus Anhang IV Abbildungen 5, 6 und 7 ersichtlichen Weise verspannt werden kann. Die Räder der Zugmaschine sowie die zur Abstützung der Achsen verwendeten Widerlager stehen bei jeder Prüfung auf der stabilen Bodenplatte auf.

2.3.2. Abgesehen von der Spannvorrichtung und der Befestigung an den Bodenschienen umfaßt die Verankerung Drahtseile, deren Abmessungen den Vorschriften entsprechen. Die Drahtseile sind Rundlitzenseile mit Hanfseele, Bauart 6 × 19, nach ISO 2408. Der Nenndurchmesser der Drahtseile ist 13 mm.

2.3.3. Bei Zugmaschinen mit Knicklenkung ist der zentrale Gelenkpunkt in geeigneter Weise für die Schläge von vorn, von hinten und von den Seiten sowie für die Druckprüfungen abzustützen und zu verankern und für den seitlichen Schlag zusätzlich von der Seite abzustützen. Vorder- und Hinterräder brauchen nicht unbedingt zu fluchten, wenn dies die Anbringung geeigneter Spannkabel erleichtert.

2.4.
Kantholz zum Blockieren der Räder

2.4.1.
Zum Blockieren der Räder bei der seitlichen Schlagprüfung nach Anhang IV Abbildung 7 wird ein Kantholz verwendet.
2.4.2.
Hierfür wird ein Balken aus weichem Holz von etwa 150 × 150 mm Querschnitt zum Abstützen der Reifen an der der Aufschlagrichtung entgegengesetzten Seite am Boden befestigt (siehe Anhang IV Abbildungen 5, 6 und 7).

2.5.
Abstützung und Verankerungen bei Zugmaschinen mit Knicklenkung

2.5.1.
Bei Zugmaschinen mit Knicklenkung sind zusätzliche Verankerungen und Abstützungen vorzusehen. Sie sollen sicherstellen, daß der Teil der Zugmaschine, an dem die Umsturzschutzvorrichtung befestigt ist, in ähnlicher Weise beansprucht wird wie Zugmaschinen starrer Bauweise.
2.5.2.
Für die Schlag- und Druckprüfungen werden zusätzliche Einzelheiten in Anhang III angegeben.

2.6.
Vorrichtung für die Druckprüfung

Mit einer Vorrichtung nach Anhang IV Abbildung 8 muß es möglich sein, eine nach abwärts gerichtete Kraft auf die Umsturzschutzvorrichtung über einen ca. 250 mm breiten steifen Balken auszuüben, der mit der Belastungsvorrichtung über Kardangelenke verbunden ist. Die Achsen der Zugmaschine sind so abzustützen, daß die Reifen der Zugmaschine die Drucklast nicht zu tragen haben.

2.7.
Meßvorrichtungen

2.7.1.
Für die in Anhang III Buchstaben A und B vorgesehenen Prüfungen ist eine Meßeinrichtung zu verwenden, bei der ein beweglicher Ring auf einer horizontalen Stange mit Schiebesitz befestigt ist, um auf diese Weise die Differenz zwischen der größten augenblicklichen Verformung und der bleibenden Verformung bei der seitlichen Schlagprüfung zu messen.
2.7.2.
Bei den in Anhang III Buchstabe A vorgesehenen Prüfungen werden Messungen vorgenommen, um nach erfolgter Laborprüfung festzustellen, ob irgendein Teil der Umsturzschutzvorrichtung in die Freiraumzone nach Anhang III Buchstabe A Nummer 2 eingedrungen ist.
2.7.3.
Für die in Anhang III Buchstabe B vorgesehenen Prüfungen sind Einrichtungen vorzusehen, die eine fotografische Apparatur enthalten können, um nach erfolgter Laborprüfung feststellen zu können, ob während der Prüfungen irgendein Teil der Umsturzschutzvorrichtung in die Freiraumzone nach Anhang III Buchstabe B Nummer 2 eingedrungen oder mit ihr in Berührung gekommen ist.

2.8.
Meßtoleranzen

Bei den Messungen, die bei den Prüfungen durchgeführt werden, sind folgende Toleranzen einzuhalten:

2.8.1. Bei der Prüfung vorgenommene Längenmessung (mit Ausnahme von 2.8.2), der Abmessungen der Umsturzschutzvorrichtung und der Zugmaschine, der Freiraumzone und der Reifeneindrückung beim Verankern der Zugmaschine für den Schlagversuch: ± 3 mm.

2.8.2. Fallhöhe des Gewichts für die Schlagprüfung: ± 6 mm.

2.8.3. Masse der Zugmaschine: ± 20 kg.

2.8.4. Belastung bei der Druckprüfung: ± 2 %.

2.8.5. Winkel der Halteketten bzw. Halteseile des Gewichts am Aufschlagpunkt: ± 2°.

3.
PRÜFUNGEN

3.1.
Allgemeine Bestimmungen

3.1.1.
Ablauf der Prüfungen

3.1.1.1. Es werden folgende Prüfungen in der nachstehend angegebenen Reihenfolge durchgeführt. In der rechten Spalte ist vermerkt, unter welchen Nummern des Anhangs III Buchstaben A und B die einzelnen Prüfungen beschrieben werden.
1. Schlag von hinten 1.1,
2. Druckprüfung hinten 1.4,
3. Schlag von vorn 1.2,
4. Seitlicher Schlag 1.3,
5. Druckprüfung vorn 1.5.

3.1.1.2. Wenn während der Prüfung ein Teil oder mehrere Teile der Verankerung verschoben werden oder brechen, ist die Prüfung zu wiederholen.

3.1.1.3. Während der Prüfung dürfen weder an der Zugmaschine noch an der Umsturzschutzvorrichtung Reparaturen oder Nachstellungen vorgenommen werden.

3.1.1.4. Während der Prüfung befindet sich der Schalthebel der Zugmaschine in Nullstellung, und die Bremsen sind gelöst.

3.1.1.5. Im Fall einer Zugmaschine mit reversiblem Führerstand (mit reversiblem Sitz und Lenkrad) wird der erste Schlag in Längsrichtung auf das schwerere Ende (mit über 50 % der Masse der Zugmaschine) aufgebracht, gefolgt von einer Druckprüfung des gleichen Endes. Der zweite Schlag wird auf das leichtere Ende und der dritte Schlag seitlich aufgebracht. Schließlich erfolgt eine Druckprüfung des leichteren Endes.

3.1.2.
Spurweite

Die Spurweite der Hinterräder ist so zu wählen, daß die Umsturzschutzvorrichtung bei den Prüfungen möglichst nicht durch die Reifen abgestützt wird.

3.1.3.
Abbau der Teile, die keine Gefahr darstellen können

Alle Teile der Zugmaschine und der Umsturzschutzvorrichtung, die als in sich geschlossene Einheit einen Schutz für den Fahrer darstellen, einschließlich der Wetterschutzvorrichtung, sind mit der Zugmaschine, die der Prüfung unterzogen wird, vorzuführen. Es ist zulässig, Front- und Seitenscheiben aus Sicherheitsglas oder glasähnlichen Stoffen zu demontieren; auch alle abnehmbaren Platten, Ausrüstungsteile, Zubehörteile und dergleichen können demontiert werden, sofern sie nicht zur Festigkeit beitragen und bei etwaigem Umstürzen der Zugmaschine keine Gefahr darstellen können.

3.1.4.
Schlagrichtung

Der seitliche Schlag wird gegen die Seite der Zugmaschine geführt, an der mit der größten Verformung zu rechnen ist. Der Schlag von hinten wird gegen die Ecke geführt, die am weitesten von der seitlichen Aufschlagstelle entfernt ist, der Schlag von vorn gegen die Ecke, die der seitlichen Aufschlagstelle am nächsten liegt.

3.1.5.
Reifendruck und Reifenverformung

Die Reifen dürfen keinen Wasserballast enthalten. Die Fülldrücke und die Verformungen der Reifen, die bei den Einzelprüfungen zu blockieren sind, müssen mit den in der folgenden Tabelle angegebenen Werten übereinstimmen:
Reifendruck (bar) Verformung (mm)
Radialreifen Diagonalreifen vorn hinten
vorn hinten vorn hinten
Zugmaschine mit vier Treibrädern, Vorder- und Hinterräder gleiche Abmessungen 1,20 1,20 1,00 1,00 25 25
Zugmaschine mit vier Treibrädern, Vorderräder kleiner als Hinterräder 1,80 1,20 1,50 1,00 20 25
Zugmaschinen mit zwei Treibrädern 2,40 1,20 2,00 1,00 15 25

4.
AUSWERTUNG DER ERGEBNISSE

4.1. Eine zur Erteilung einer EWG-Bauartgenehmigung vorgeführte Umsturzschutzvorrichtung gilt hinsichtlich der Festigkeit als zufriedenstellend, wenn die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

4.1.1. Es dürfen keinerlei Brüche oder Risse im Sinne der Nummer 3.1 des Anhangs III Buchstaben A und B aufgetreten sein.

4.1.2. Bei den Prüfungen nach Anhang III Buchstabe A darf kein Teil der Freiraumzone über die Schutzzone der Umsturzschutzvorrichtung hinaustreten. Bei den Prüfungen nach Anhang III Buchstabe B darf die Umsturzschutzvorrichtung bei keiner der Schlag- oder Druckprüfungen in einen Teil der Freiraumzone eindringen, auch darf kein Teil der Freiraumzone über die Schutzzone der Umsturzschutzvorrichtung hinaustreten (vgl. Anhang III Buchstabe B Nummer 3.2).

4.1.3. Bei den Prüfungen nach Anhang III Buchstabe A darf die gemäß Anhang III Buchstabe A Nummer 3.3 gemessene Differenz zwischen der größten augenblicklichen Verformung und der bleibenden Verformung 15 cm nicht überschreiten. Bei den Prüfungen nach Anhang III Buchstabe B darf bei der seitlichen Schlagprüfung die gemäß Anhang III Buchstabe B Nummer 3.3 gemessene Differenz zwischen der größten augenblicklichen Verformung und der bleibenden Verformung 25 cm nicht überschreiten.

4.2. Der Führer darf durch keinerlei sonstige Ausrüstung besonders gefährdet werden, beispielsweise durch Glas, dessen Bruch gefährliche Splitter bildet, durch unzureichende Polsterung der Innenseite des Daches des Führerhauses oder an Stellen, an denen der Kopf des Führers anschlagen kann.

5.
PRÜFBERICHT

5.1. Der Prüfbericht ist dem EWG-Bauartgenehmigungsbogen nach Anhang VII beizufügen. Aufbau und Inhalt des Prüfberichts sind aus Anhang V ersichtlich. Der Prüfbericht muß folgende Angaben enthalten:

5.1.1. Eine allgemeine Beschreibung der Form und der Konstruktion der Umsturzschutzvorrichtung einschließlich der Werkstoffe und der Befestigung; Außenabmessungen der Zugmaschine mit angebauter Umsturzschutzvorrichtung; wichtigste Innenabmessungen; Mindestabstand vom Lenkrad; seitlicher Abstand zwischen dem Lenkrad und den Seitenwänden der Umsturzschutzvorrichtung; Abstand des Daches der Umsturzschutzvorrichtung vom Sitz bzw. vom Sitzbezugspunkt und von den Fußrasten, falls vorhanden; Einzelheiten betreffend den normalen Ein- und Ausstieg und die von der Umsturzschutzvorrichtung bedingten Möglichkeiten des Notausstiegs; Einzelheiten des Heiz- und gegebenenfalls des Lüftungssystems.

5.1.2. Einzelheiten über etwaige Sondervorrichtungen, z. B. Sicherung gegen Weiterrollen des Schleppers.

5.1.3. Eine kurze Beschreibung der Innenpolsterung, durch die die Gefahr von Kopf- und Schulterverletzungen weitestmöglich verringert und der Lärm gedämpft werden soll.

5.1.4. Angabe der Art der Windschutzscheibe und des für sie verwendeten Materials.

5.2. Im Prüfbericht ist genau anzugeben, welcher Zugmaschinentyp (Fabrikmarke, Typ und handelsübliche Benennung usw.) für die Prüfungen verwendet worden ist und für welche Typen die Umsturzschutzvorrichtung bestimmt ist.

5.3. Im Falle der Erweiterung der EWG-Bauartgenehmigung auf andere Zugmaschinentypen ist in den Prüfbericht ein genauer Hinweis auf die ursprüngliche EWG-Bauartgenehmigung aufzunehmen, und es sind präzise Angaben hinsichtlich der Vorschriften des Anhangs I — 3.4 zu machen.

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