Präambel RL 85/384/EWG
DER RAT DER EUROPÄISCHENGEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 49, 57 und 66,
auf Vorschlag der Kommission(1),
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(2),
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),
in Erwägung nachstehender Gründe:
Aufgrund des Vertrages ist seit Ablauf der Ubergangszeit jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung bei der Niederlassung und im Dienstleistungsverkehr untersagt. Der Grundsatz der auf diese Weise erzielten Inländergleichbehandlung gilt insbesondere für die Erteilung einer für die Aufnahme der Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur gegebenenfalls erforderlichen Genehmigung sowie für die Eintragung oder Mitgliedschaft bei Berufsverbänden oder -körperschaften.
Es erscheint jedoch angebracht, gewisse Bestimmungen vorzusehen, um die tatsächliche Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet der Architektur zu erleichtern.
Aufgrund des Vertrages sind die Mitgliedstaaten gehalten, keine Beihilfe zu gewähren, die die Niederlassungsbedingungen verfälschen könnte.
Artikel 57 Absatz 1 des Vertrages sieht vor, daß Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise erlassen werden.
Die architektonische Gestaltung, die Qualität der Bauwerke, ihre harmonische Einpassung in die Umgebung, die Achtung vor der natürlichen und der städtischen Landschaft sowie vor dem kollektiven und dem privaten Erbe sind von öffentlichem Interesse; daher muß sich die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf qualitative und quantitative Kriterien stützen, die gewährleisten, daß die Inhaber der anerkannten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise in der Lage sind, die Bedürfnisse der Einzelpersonen, der sozialen Gruppen und der Gemeinwesen im Bereich der Raumordnung, der Konzeption, der Vorbereitung und Verwirklichung von Bauwerken, der Erhaltung und Herausstellung des architektonischen Erbes sowie des Schutzes der natürlichen Gleichgewichte zu verstehen und ihnen Ausdruck zu verleihen.
Die Ausbildung für berufliche Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur ist gegenwärtig sehr unterschiedlicher Art. Es muß jedoch eine Konvergenz der Ausbildung vorgesehen werden, die zur Ausübung dieser Tätigkeiten unter der Berufsbezeichnung „Architekt” führt.
In einigen Mitgliedstaaten ist für die Aufnahme und Ausübung der Architektentätigkeiten der Besitz eines Architektendiploms gesetzlich vorgeschrieben; in einigen anderen Mitgliedstaaten, in denen dieses Erfordernis nicht besteht, ist jedoch das Recht auf Führung des Architektentitels gesetzlich geregelt. In Mitgliedstaaten, in denen weder das eine noch das andere zutrifft, werden zur Zeit Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Aufnahme und Ausübung derartiger Tätigkeiten unter der Berufsbezeichnung „Architekt” ausgearbeitet. Daher sind die Voraussetzungen, unter denen in diesen Mitgliedstaaten die Aufnahme und Ausübung der betreffenden Tätigkeiten möglich wären, noch nicht festgelegt. Eine gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen setzt voraus, daß diese im ausstellenden Staat die Aufnahme und Ausübung bestimmter Tätigkeiten ermöglichen. Daher sollte die Anerkennung bestimmter Bescheinigungen aufgrund dieser Richtlinie nur insofern gültig bleiben, als deren Inhaber nach der noch festzulegenden gesetzlichen Regelung im ausstellenden Mitgliedstaat Zugang zu den Tätigkeiten unter der Berufsbezeichnung „Architekt” haben werden.
Der Zugang zu der gesetzlichen Berufsbezeichnung „Architekt” ist in einigen Mitgliedstaaten davon abhängig, daß nach dem Erwerb des Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises ein berufliches Praktikum abgeleistet wird; da in dieser Hinsicht noch keine Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten besteht, muß zur Vermeidung allfälliger Schwierigkeiten der Erwerb angemessener praktischer Erfahrungen von gleicher Dauer in einem anderen Mitgliedstaat als ausreichende Voraussetzung anerkannt werden.
Mit dem durch die Lage in einigen Mitgliedstaaten gerechtfertigten Hinweis auf die Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur, die üblicherweise unter dem Berufstitel „Architekten” ausgeübt werden in Artikel 1 Absatz 2 soll lediglich der Anwendungsbereich dieser Richtlinie umrissen werden; eine rechtliche Definition der Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur ist damit nicht beabsichtigt.
In den meisten Mitgliedstaaten werden die Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur de jure oder de facto von Personen mit dem Berufstitel des Architekten, auch in Verbindung mit einem weiteren Berufstitel, ausgeübt, ohne daß deshalb ausschließlich diese Personen das Recht hätten, diese Tätigkeiten auszuüben, es sei denn, es liegen gegenteilige Rechtsvorschriften vor. Die vorgenannten Tätigkeiten oder einige von ihnen können auch von Angehörigen anderer Berufe ausgeübt werden, insbesondere von Ingenieuren, die z. B. auf dem Gebiet des Baugewerbes oder der Baukunst eine besondere Ausbildung erhalten haben.
Die gegenseitige Anerkennung der Befähigungsnachweise wird die Aufnahme und Ausübung der Architektentätigkeiten erleichtern.
In einigen Mitgliedstaaten bestehen Rechtsvorschriften, aufgrund deren in Ausnahmefällen abweichend von den Ausbildungsbedingungen, die normalerweise für die Führung der gesetzmäßigen Berufsbezeichnung „Architekt” gestellt werden, der Titel des Architekten auch von bestimmten — übrigens sehr wenigen — Kunstschaffenden geführt werden darf, die ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Architektur durch ihre Werke unter Beweis gestellt haben. In der vorliegenden Richtlinie sollte auch der Fall dieser Architekten geregelt werden, zumal sie häufig internationalen Ruf genießen.
Mit der Anerkennung mehrerer derzeit bestehender Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise, die in den Artikeln 10, 11 und 12 genannt sind, soll den Inhabern dieser Ausbildungsnachweise mit sofortiger Wirkung gestattet werden, sich in anderen Mitgliedstaaten niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen. Bei unvermittelter Anwendung dieser Bestimmung im Großherzogtum Luxemburg könnte es jedoch aufgrund der geringen Ausdehnung seines Hoheitsgebiets zu Wettbewerbsverzerrungen und Störungen bei der Berufsausübung kommen. Es scheint daher gerechtfertigt, diesem Mitgliedstaat eine zusätzliche Anpassungsfrist einzuräumen.
Da eine Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise nicht unbedingt die sachliche Gleichwertigkeit der Ausbildungsgänge, die zu einem solchen Ausbildungsnachweis führen, zur Folge hat, darf die jeweilige Ausbildungsbezeichnung nur in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsstaats geführt werden.
Zur Erleichterung der Anwendung dieser Richtlinie durch die nationalen Verwaltungen können die Mitgliedstaaten vorschreiben, daß die Begünstigten, die die in der Richtlinie vorgesehenen Ausbildungsbedingungen erfüllen, zusammen mit ihrem Ausbildungsnachweis eine Bescheinigung der zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaats darüber vorlegen, daß es sich bei diesen Berufsbezeichnungen um die in der Richtlinie genannten Bezeichnungen handelt.
Die einzelstaatlichen Bestimmungen über den Zuverlässigkeitsnachweis können als Normen für den Zugang zu den Tätigkeiten Anwendung finden, wenn eine Niederlassung vorhanden ist; es ist daher im übrigen zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen die Betreffenden noch nie Tätigkeiten im Architekturbereich ausgeübt haben und den Fällen, in denen sie bereits derartige Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt haben.
Im Falle einer Dienstleistung würde das Erfordernis der Eintragung oder Mitgliedschaft bei Berufsverbänden oder -körperschaften, die an sich mit der festen und dauerhaften Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat verbunden ist, zweifellos eine Behinderung für den Dienstleistungserbringer darstellen, der seine Tätigkeit nur vorübergehend ausübt. Auf dieses Erfordernis ist daher zu verzichten. Allerdings sollte in diesem Fall die Einhaltung der Berufsordnung, über die diese Berufsverbände oder -körperschaften zu wachen haben, sichergestellt werden. Zu diesem Zweck ist vorbehaltlich der Anwendung von Artikel 62 des Vertrages vorzusehen, daß von dem Begünstigten eine Anzeige bei der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats über die Dienstleistung verlangt werden kann.
Was die Tätigkeiten im Angestelltenverhältnis auf dem Gebiet der Architektur betrifft, so enthält die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft(4) für die von ihr erfaßten Berufe keine spezifischen Bestimmungen in bezug auf die persönliche Zuverläßigkeit, die Berufsordnung und das Führen des Titels. Je nach Mitgliedstaat gelten die betreffenden Regelungen für angestellte wie für freiberuflich tätige Berufsangehörige oder können auf sie angewandt werden. Für die Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur ist in mehreren Mitgliedstaaten der Besitz eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises erforderlich. Diese Tätigkeiten werden sowohl von freiberuflich Tätigen als auch von Berufstätigen im Angestelltenverhältnis oder auch von denselben Personen im Verlauf ihrer beruflichen Laufbahn abwechselnd in der einen oder der anderen dieser beruflichen Stellungen ausgeübt. Um die Freizügigkeit dieser Berufstätigen in der Gemeinschaft zu erleichtern, erscheint es daher notwendig, die Anwendung dieser Richtlinie auf Berufstätige im Angestelltenverhältnis auf dem Gebiet der Architektur auszudehnen.
Durch diese Richtlinie wird eine gegenseitige Anerkennung der den Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit eröffnenden Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise ohne gleichzeitige Koordinierung der innerstaatlichen Bestimmungen über die Ausbildung eingeführt; außerdem ist die Anzahl der betroffenen Berufsangehörigen von einem Mitgliedstaat zum anderen sehr verschieden; unter diesen Umständen muß die Kommission die Anwendung der Richtlinie während der ersten Jahre besonders aufmerksam beobachten —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. Nr. 239 vom 4. 10. 1967, S. 15.
- (2)
ABl. Nr. C 72 vom 19. 7. 1968, S. 3.
- (3)
ABl. Nr. C 24 vom 22. 3. 1968, S. 3.
- (4)
ABl. Nr. L 257 vom 19. 10. 1968, S. 2.
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