Artikel 6 VO (EG) 97/1466

(1) Im Rahmen der multilateralen Überwachung gemäß Artikel 121 Absatz 3 AEUV überwachen der Rat und die Kommission anhand von Angaben der teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie von Bewertungen der Kommission und des Wirtschafts- und Finanzausschusses die Umsetzung der Stabilitätsprogramme, um dabei insbesondere tatsächliche oder erwartete erhebliche Abweichungen der Haushaltslage vom mittelfristigen Haushaltsziel oder von einem angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel zu ermitteln.

(2) Bei einer festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 3 richtet die Kommission zur Vermeidung eines übermäßigen Defizits eine Verwarnung an den betreffenden Mitgliedstaat gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV.

Der Rat prüft innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt der Annahme der Verwarnung gemäß Unterabsatz 1 die Lage und nimmt auf der Grundlage einer Empfehlung der Kommission gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV eine Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen an. In der Empfehlung wird eine Frist von höchstens fünf Monaten für die Behebung der Abweichung festgelegt. Die Frist wird auf drei Monate verkürzt, wenn die Kommission in ihrer Verwarnung zu der Auffassung gelangt, dass die Lage besonders ernst ist und dringende Maßnahmen erfordert. Der Rat macht seine Empfehlung auf Vorschlag der Kommission öffentlich.

Der betreffende Mitgliedstaat erstattet dem Rat innerhalb der Frist, die der Rat in der Empfehlung gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV festlegt, Bericht über die auf die Empfehlung hin ergriffenen Maßnahmen.

Ergreift der betreffende Mitgliedstaat nicht innerhalb der Frist, die in einer Empfehlung des Rates im Sinne von Unterabsatz 2 festgesetzt wurde, angemessene Maßnahmen, so empfiehlt die Kommission dem Rat unverzüglich, mit qualifizierter Mehrheit einen Beschluss mit der Feststellung anzunehmen, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. Gleichzeitig kann die Kommission dem Rat vorschlagen, eine überarbeitete Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV anzunehmen.

Nimmt der Rat nicht auf Empfehlung der Kommission den Beschluss an, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden, und unterlässt es der betreffende Mitgliedstaat weiterhin, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, so empfiehlt die Kommission einen Monat nach ihrer früheren Empfehlung dem Rat, den Beschluss anzunehmen, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. Wird der Beschluss nicht innerhalb von zehn Tagen nach der Annahme durch die Kommission vom Rat mit einfacher Mehrheit abgelehnt, so gilt er als vom Rat angenommen. Gleichzeitig kann die Kommission dem Rat vorschlagen, eine überarbeitete Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV anzunehmen.

An der Abstimmung über den Beschluss über die Nichteinhaltung gemäß den Unterabsätzen 4 und 5 nehmen nur die Mitglieder des Rates teil, die teilnehmende Mitgliedstaaten vertreten, und der Rat beschließt ohne Berücksichtigung der Stimme des den betreffenden Mitgliedstaat vertretenden Mitglieds des Rates.

Der Rat legt dem Europäischen Rat einen förmlichen Bericht über die so gefassten Beschlüsse vor.

(3) Eine Abweichung von dem mittelfristigen Haushaltsziel oder von dem angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel wird auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient, einschließlich einer Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen, wie in Artikel 5 Absatz 1 festgelegt.

Für die Bewertung, ob die Abweichung erheblich ist, werden insbesondere folgende Kriterien herangezogen:

a)
Bei Mitgliedstaaten, die das mittelfristige Haushaltsziel nicht erreicht haben, bei der Beurteilung der Veränderung des strukturellen Haushaltssaldos, ob die Abweichung in einem Jahr mindestens 0,5 % des BIP oder in zwei aufeinanderfolgenden Jahren im Durchschnitt mindestens 0,25 % des BIP jährlich beträgt;
b)
bei der Beurteilung der Ausgabenentwicklung ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen, ob die Abweichung eine Gesamtauswirkung auf den Haushaltssaldo von mindestens 0,5 % des BIP in einem Jahr oder kumulativ in zwei aufeinanderfolgenden Jahren hat.

Die Abweichung der Ausgabenentwicklung gilt nicht als erheblich, wenn der betreffende Mitgliedstaat sein mittelfristiges Haushaltsziel übertroffen hat, wobei der Möglichkeit erheblicher unerwarteter Mehreinnahmen Rechnung getragen wird, und wenn die im Stabilitätsprogramm dargelegten Haushaltspläne dieses Ziel im Programmzeitraum nicht gefährden.

Ebenfalls unberücksichtigt bleiben kann eine solche Abweichung bei einem außergewöhnlichen Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaats entzieht und die Lage der öffentlichen Finanzen erheblich beeinträchtigt, oder bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

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