Artikel 87 VO (EG, Euratom) 2002/2342
Forderungsverzicht (Artikel 73 der Haushaltsordnung)
(1) Der zuständige Anweisungsbefugte kann den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf eine festgestellte Forderung nur aussprechen,
- a)
- wenn die voraussichtlichen Einziehungskosten den Betrag der einzuziehenden Forderung übersteigen und der Verzicht dem Ansehen der Gemeinschaften nicht schaden würden;
- b)
- wenn sich die Einziehung aufgrund des Alters der Forderung oder wegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners als unmöglich erweist;
- c)
- wenn die Einziehung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.
(2) Im Falle des Absatzes 1 Buchstabe c) hält der zuständige Anweisungsbefugte die bei jedem Organ zuvor festgelegten Verfahren ein und wendet folgende verbindlich vorgeschriebenen, in allen Fällen geltenden Kriterien an:
- a)
- Art des Tatbestands in Anbetracht des Schweregrads der Unregelmäßigkeit, die Anlass zur Feststellung der Forderung gegeben hat (Betrug, Wiederholungsfall, Vorsatz, Verletzung der Sorgfaltspflicht, Gutgläubigkeit, offensichtlicher Irrtum);
- b)
- potenzielle Folgen des Forderungsverzichts für das Funktionieren und die finanziellen Interessen der Gemeinschaften (Betrag, auf den verzichtet werden soll, Gefahr der Schaffung eines Präzedenzfalls, Beeinträchtigung des Verbindlichkeitscharakters der Norm).
Je nach Lage des Falls hat der Anweisungsbefugte möglicherweise auch folgende zusätzliche Kriterien zu berücksichtigen:
- a)
- etwaige Wettbewerbsverzerrungen aufgrund des Forderungsverzichts;
- b)
- wirtschaftliche und soziale Nachteile aufgrund der vollständigen Einziehung der Forderung.
(3) Die Verzichtentscheidung gemäß Artikel 73 Absatz 2 der Haushaltsordnung wird begründet und enthält Angaben über die zwecks Einziehung der Forderung getroffenen Maßnahmen sowie die rechtlichen und sachlichen Gründe, auf die sie sich stützt. Der Verzicht wird vom zuständigen Anweisungsbefugten nach Maßgabe von Artikel 81 ausgesprochen.
(4) Die Befugnis zum Verzicht auf die Einziehung einer festgestellten Forderung kann vom Organ nicht übertragen werden, wenn der Verzicht
- a)
- entweder einen Betrag in Höhe von mindestens 1 Mio. Euro betrifft;
- b)
- oder einen Betrag von mindestens 100000 Euro betrifft und mindestens 25 % der festgestellten Forderung ausmacht.
Liegen die Beträge unter den in Unterabsatz 1 genannten Schwellenwerten, legt jedes Organ in seinen Internen Vorschriften die Bedingungen und Modalitäten für die Übertragung der Befugnis zum Verzicht auf die Einziehung einer festgestellten Forderung fest.
(5) Jedes Organ übermittelt der Haushaltsbehörde jedes Jahr einen Bericht über die Fälle, in denen gemäß den Absätzen 1 bis 4 auf Forderungen von mindestens 100000 Euro verzichtet wurde. Für die Kommission wird dieser Bericht der Zusammenfassung der Jahresberichte über die Tätigkeiten des vorhergehenden Jahres gemäß Artikel 60 Absatz 7 der Haushaltsordnung beigefügt.
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