Artikel 134 VO (EU) 2012/1268
Anwendung des Verhandlungsverfahrens (negotiated procedure) ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung (Artikel 104 Absatz 5 der Haushaltsordnung)
(1) Wenn der öffentliche Auftraggeber auf das Verhandlungsverfahren (negotiated procedure) ohne vorherige Bekanntmachung zurückgreift, befolgt er die Modalitäten für Verhandlungen gemäß Artikel 104 Absatz 4 der Haushaltsordnung und Artikel 128 Absatz 5 der vorliegenden Verordnung.
In folgenden Fällen kann der öffentliche Auftraggeber ungeachtet des geschätzten Auftragswerts Aufträge im Verhandlungsverfahren (negotiated procedure) vergeben:
- a)
- wenn im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens bis zum Abschluss des Verfahrens keine oder keine geeigneten Angebote oder Teilnahmeanträge gemäß Absatz 2 abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Auftragsunterlagen nicht wesentlich geändert werden;
- b)
-
wenn die Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen nach den in Absatz 3 genannten Bedingungen aus einem der folgenden Gründe nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer erbracht werden können:
- i)
- Ziel der Beschaffung ist die Erschaffung oder der Erwerb eines einzigartigen Kunstwerks oder einer einzigartigen künstlerischen Leistung;
- ii)
- nicht vorhandener Wettbewerb aus technischen Gründen;
- iii)
- der Schutz von ausschließlichen Rechten einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums ist sicherzustellen;
- c)
- soweit dies unbedingt erforderlich ist, da dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit nicht vorhersehbaren Ereignissen es nicht zulassen, die Fristen gemäß den Artikeln 152, 154 und 275 einzuhalten, und die Rechtfertigung einer solchen äußersten Dringlichkeit nicht dem öffentlichen Auftraggeber zuzuschreiben ist;
- d)
- wenn ein Dienstleistungsauftrag an einen Wettbewerb anschließt und an den Gewinner oder einen der Gewinner zu vergeben ist; im letzteren Fall müssen alle Gewinner zur Teilnahme an den Verhandlungen aufgefordert werden;
- e)
- unter den in Absatz 4 genannten Bedingungen bei neuen Dienst- oder Bauleistungen, die in der Wiederholung ähnlicher Dienst- oder Bauleistungen bestehen, die von demselben öffentlichen Auftraggeber an den Wirtschaftsteilnehmer vergeben werden, der den ursprünglichen Auftrag erhalten hat, sofern diese Dienst- oder Bauleistungen einem Grundprojekt entsprechen und dieses Projekt Gegenstand des ursprünglichen Auftrags war, der nach einer Auftragsbekanntmachung vergeben wurde;
- f)
-
bei Lieferaufträgen:
- i)
- bei zusätzlichen Lieferungen, die entweder zur teilweisen Erneuerung gelieferter Waren oder von Einrichtungen oder zur Erweiterung bestehender Lieferungen oder Einrichtungen bestimmt sind, sofern ein Wechsel des Lieferanten dazu führen würde, dass der öffentliche Auftraggeber Waren anderer technischer Beschaffenheit liefern lassen müsste und dies eine technische Unvereinbarkeit oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung mit sich bringen würde; bei Aufträgen, die die Organe auf eigene Rechnung vergeben, darf die Laufzeit drei Jahre nicht überschreiten;
- ii)
- wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die ausschließlich zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken hergestellt werden; allerdings gilt dies nicht für Aufträge, die die Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit eines Produkts oder zur Deckung von Forschungs- und Entwicklungskosten umfassen;
- iii)
- bei auf einer Warenbörse notierten und bezogenen Lieferungen;
- iv)
- wenn Lieferungen zu besonders günstigen Bedingungen entweder von Wirtschaftsteilnehmern, die ihre Geschäftstätigkeit endgültig einstellen, oder von Insolvenzverwaltern im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, einer Vereinbarung mit Gläubigern oder eines in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahrens beschafft werden;
- g)
- bei Immobilientransaktionen nach vorheriger Erkundung des lokalen Marktes;
- h)
-
bei folgenden Aufträgen:
- i)
- Vertretung und Verteidigung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 77/249/EWG des Rates(1) in Schiedsgerichts-, Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren;
- ii)
- Rechtsberatung zur Vorbereitung der obengenannten Verfahren oder Rechtsberatung, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Beratung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens wird, sofern die Beratung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 77/249/EWG erfolgt;
- iii)
- Schieds- und Schlichtungsdienstleistungen;
- iv)
- Beglaubigungs- und Beurkundungsdienstleistungen, die von Notaren zu erbringen sind;
- i)
- bei Aufträgen, die für geheim erklärt worden sind oder deren Ausführung nach den geltenden Verwaltungsvorschriften oder zum Schutz wesentlicher Interessen der Union besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert, sofern die betreffenden wesentlichen Interessen nicht durch andere Maßnahmen gewahrt werden können; bei diesen Maßnahmen kann es sich um Anforderungen handeln, die den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen bezwecken, die der öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren zur Verfügung stellt;
- j)
- bei Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten im Sinne der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(2), Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus durchgeführten Transaktionen;
- k)
- Kredite und Darlehen, unabhängig davon, ob im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Kauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten oder nicht;
- l)
- bei der Beschaffung öffentlicher Kommunikationsnetze und elektronischer Kommunikationsdienste im Sinne der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(3);
- m)
- bei Dienstleistungen, die von einer internationalen Organisation erbracht werden, die sich gemäß ihrer Satzung oder Gründungsakte nicht an Wettbewerbsverfahren beteiligen darf.
(2) Ein Angebot gilt als ungeeignet, wenn kein Bezug zum Gegenstand des Auftrags vorhanden ist; ein Teilnahmeantrag gilt als ungeeignet, wenn der Wirtschaftsteilnehmer gemäß Artikel 106 Absatz 1 der Haushaltsordnung auszuschließen ist oder die Eignungskriterien nicht erfüllt.
(3) Die Ausnahmen gemäß Absatz 1 Buchstabe b Ziffern ii und iii finden nur Anwendung, wenn es keine sinnvolle Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht die Folge einer künstlichen Einengung der Auftragsvergabeparameter ist.
(4) In den in Absatz 1 Buchstabe e genannten Fällen sind im Grundprojekt der Umfang möglicher neuer Dienst- oder Bauleistungen sowie die Bedingungen, unter denen sie vergeben werden, anzugeben. Die Möglichkeit der Anwendung des Verhandlungsverfahrens (negotiated procedure) wird bereits beim Aufruf zum Wettbewerb für das Grundprojekt angegeben; bei der Anwendung der in Artikel 118 Absatz 1 der Haushaltsordnung bzw. — in Bezug auf die Maßnahmen im Außenbereich — in Artikel 265 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 267 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 269 Absatz 1 Buchstabe a der vorliegenden Verordnung genannten Schwellenwerte wird der für die Fortführung der Dienst- oder Bauleistungen in Aussicht genommene Gesamtauftragswert berücksichtigt. Wenn die Organe Aufträge auf eigene Rechnung vergeben, darf dieses Verfahren nur während der Ausführung des ursprünglichen Auftrags und bis höchstens drei Jahre nach Vertragsunterzeichnung angewandt werden.
Fußnote(n):
- (1)
Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. L 78 vom 26.3.1977, S. 17).
- (2)
Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1).
- (3)
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33).
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