Artikel 139 VO (EU) 2012/1268

Technische Spezifikationen (Artikel 105 Absatz 2 der Haushaltsordnung)

(1) Die technischen Spezifikationen müssen allen Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zu den Vergabeverfahren ermöglichen und dürfen die Öffnung der Auftragsvergabe für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern.

In den technischen Spezifikationen werden die für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen nötigen Merkmale einschließlich Mindestanforderungen genannt, damit sie den vom öffentlichen Auftraggeber beabsichtigten Zweck erfüllen.

(2) Die Anforderungen nach Absatz 1 können bei Bedarf umfassen:

a)
Qualitätsstufen;
b)
Umwelt- und Klimaleistung;
c)
bei Beschaffungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen bestimmt sind: Kriterien für den Zugang von Behinderten oder aber eine Konzeption für alle Benutzerkategorien, außer in hinreichend begründeten Fällen;
d)
Konformitätsbewertungsstufen und -verfahren;
e)
Leistung oder Nutzung der Lieferung;
f)
Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich — bei Lieferaufträgen — Verkaufsbezeichnung und Gebrauchsanleitungen, und bei allen Aufträgen Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung, Produktionsprozesse und -methoden;
g)
bei Bauaufträgen die Verfahren zur Qualitätssicherung sowie die Vorschriften für die Planung und die Berechnung von Bauwerken, die Bedingungen für die Prüfung, Inspektion und Abnahme von Bauwerken, die Konstruktionsmethoden oder -verfahren und alle anderen technischen Anforderungen, die der öffentliche Auftraggeber bezüglich fertiggestellter Bauwerke und der dazu notwendigen Materialien oder Teile durch allgemeine und spezielle Vorschriften anzugeben in der Lage ist.

(3) Die technischen Spezifikationen werden in einer der folgenden Weisen festgelegt:

a)
in der genannten Rangfolge unter Bezugnahme auf europäische Normen, auf europäische technische Bewertungen, auf gemeinsame technische Spezifikationen, auf internationale Normen oder auf andere von europäischen Normungsgremien erarbeitete technische Bezugsgrößen oder, falls dies nicht vorhanden ist, auf gleichwertige nationale Normen; jede Bezugnahme ist mit dem Zusatz „oder gleichwertig” zu versehen;
b)
in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen einschließlich Umweltmerkmalen, sofern die Parameter hinreichend genau sind, um den Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand zu vermitteln und dem öffentlichen Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags zu ermöglichen;
c)
durch eine Kombination der beiden unter den Buchstaben a und b dargelegten Methoden.

(4) Macht der öffentliche Auftraggeber von der Möglichkeit Gebrauch, sich auf die in Absatz 3 Buchstabe a genannten Spezifikationen zu beziehen, so kann er ein Angebot nicht mit der Begründung zurückweisen, dass es diesen Spezifikationen nicht entspricht, sobald der Bieter auf eine geeignete Weise nachweist, dass die vorgeschlagene Lösung den in den technischen Spezifikationen genannten Anforderungen gleichermaßen entspricht.

(5) Macht der öffentliche Auftraggeber von der Möglichkeit nach Absatz 3 Buchstabe b Gebrauch, die technischen Spezifikationen in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen zu formulieren, so kann er ein Angebot, das einer nationalen Norm, mit der eine europäische Norm umgesetzt wird, einer europäischen technischen Zulassung, einer gemeinsamen technischen Spezifikation, einer internationalen Norm oder technischen Bezugssystemen, die von einem europäischen Normungsgremium erarbeitet wurden, entspricht, nicht zurückweisen, wenn diese Normen und Zulassungen die von ihm gestellten Leistungs- oder Funktionsanforderungen betreffen.

Der Bieter muss auf eine geeignete Weise nachweisen, dass die der Norm entsprechende jeweilige Bauleistung, Lieferung oder Dienstleistung den Leistungs- oder Funktionsanforderungen des öffentlichen Auftraggebers entspricht.

(6) Beabsichtigt ein öffentlicher Auftraggeber die Beschaffung von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen mit spezifischen umweltbezogenen, sozialen oder sonstigen Merkmalen, so kann er in den technischen Spezifikationen ein bestimmtes Gütezeichen oder bestimmte Anforderungen eines Gütezeichens verlangen, sofern alle nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt sind:

a)
die Gütezeichen-Anforderungen betreffen ausschließlich Kriterien, die im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Auftrags stehen und dazu geeignet sind, die Merkmale der Beschaffung zu definieren;
b)
die Gütezeichen-Anforderungen basieren auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien;
c)
die Gütezeichen werden im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens eingeführt, an dem alle einschlägigen Interessenträger teilnehmen können;
d)
die Gütezeichen sind für alle interessierten Parteien zugänglich;
e)
die Gütezeichen-Anforderungen werden von einem Dritten festgelegt, auf den der Wirtschaftsteilnehmer, der das Gütezeichen beantragt, keinen ausschlaggebenden Einfluss ausüben kann.

Der öffentliche Auftraggeber kann den Wirtschaftsteilnehmern vorschreiben, als Nachweis für die Konformität mit den Auftragsunterlagen einen Testbericht oder eine Zertifizierung einer Konformitätsbewertungsstelle, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) akkreditiert ist, oder einer gleichwertigen Konformitätsbewertungsstelle vorzulegen.

(7) Der öffentliche Auftraggeber erkennt auch andere geeignete Nachweise als die in Absatz 6 genannten an, wie z. B. ein technisches Dossier des Herstellers, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer aus nicht von ihm selbst zu verantwortenden Gründen keinen Zugang zu den Zertifikaten oder Testberichten oder keine Möglichkeit hatte, diese oder ein bestimmtes Gütezeichen innerhalb der einschlägigen Fristen einzuholen, sofern der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nachweist, dass die zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen die Anforderungen des bestimmten Gütezeichens oder vom öffentlichen Auftraggeber angegebene spezifische Anforderungen erfüllen.

(8) Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Waren oder Wirtschaftsteilnehmer begünstigt oder ausgeschlossen würden.

Wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann, sind solche Verweise ausnahmsweise zulässig. Sie sind mit dem Zusatz „oder gleichwertiger Art” zu versehen.

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 30).

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