ANHANG II VO (EU) 2012/351

Anforderungen und Prüfungen für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich Spurhaltewarnsystemen

1.
Anforderungen

1.1.
Allgemeine Anforderungen

1.1.1. Die Wirksamkeit des Spurhaltewarnsystems darf nicht durch magnetische oder elektrische Felder beeinträchtigt werden. Dies ist durch Einhaltung der UNECE-Regelung Nr. 10(1) nachzuweisen.

1.2.
Leistungsanforderungen

1.2.1. Wenn das System gemäß Absatz 1.2.3 in Betrieb ist, muss das Spurhaltewarnsystem den Fahrer beim Fahren auf einer Straße, die aus einer Geraden und einer Kurve besteht, die eine innere Fahrspurmarkierung aufweist und deren Mindestradius 250 m beträgt, immer dann warnen, wenn das Fahrzeug ohne absichtliche Anweisung des Fahrers über eine sichtbare Fahrspurmarkierung fährt, die für seine Fahrspur gilt. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.2.1.1.
Das System warnt den Fahrer durch die in Absatz 1.4.1 beschriebene Warnung, wenn es gemäß den Vorschriften von Absatz 2.5 (Prüfung des Spurhaltewarnsystems) und mit vorhandenen Fahrspurmarkierungen gemäß 2.2.3 geprüft wird.
1.2.1.2.
Die Warnung gemäß Absatz 1.2.1 kann jedoch unterdrückt werden, wenn eine Handlung des Fahrers vorliegt, die auf die Absicht des Verlassens der Fahrspur hindeutet.

1.2.2. Das System warnt den Fahrer außerdem durch die in Absatz 1.4.2 beschriebene Warnung, wenn es gemäß den Vorschriften von Absatz 2.6 (Prüfung der Störungserkennung) geprüft wird. Das entsprechende Signal muss ein ununterbrochenes sein.

1.2.3. Das Spurhaltewarnsystem muss mindestens ab einer Fahrzeuggeschwindigkeit von 60 km/h in Betrieb sein, es sein denn, es ist gemäß Absatz 1.3. manuell deaktiviert worden.

1.3. Ist ein Fahrzeug mit einer Vorrichtung zur Deaktivierung des Spurhaltewarnsystems ausgestattet, gelten die folgenden Bedingungen wie jeweils anwendbar:
1.3.1.
Das Spurhaltewarnsystem reaktiviert sich automatisch bei jeder neuen Einschaltung der Zündung (Anlasszyklus).
1.3.2.
Ein ununterbrochenes optisches Warnsignal informiert den Fahrer darüber, dass das System deaktiviert worden ist. Dazu kann das gelbe Warnsignal nach Absatz 1.4.2 dienen.

1.4.
Warnanzeige

1.4.1. Die in Absatz 1.2.1 genannte Warnung muss für den Fahrer wahrnehmbar sein und auf eine der folgenden Arten erfolgen:
a)
durch mindestens zwei Warnmedien, wobei zwischen optisch, akustisch und haptisch gewählt werden muss;
b)
durch ein Warnmedium, wobei zwischen haptisch und akustisch gewählt werden muss, mit Angabe der Richtung, in die das Fahrzeug ohne Absicht des Fahrers von der Fahrspur abweicht.
1.4.1.1.
Wird für die Spurhaltewarnung ein optisches Signal verwendet, so kann dies aus dem Störungswarnsignal gemäß Absatz 1.2.2 im Blinkmodus bestehen.

1.4.2. Die Störungswarnung gemäß Absatz 1.2.2 muss in Form eines gelben optischen Warnsignals abgegeben werden.

1.4.3. Die optischen Warnsignale des Spurhaltewarnsystems müssen aktiviert werden entweder, wenn sich der Zündschalter (Startschalter) in der Stellung „ein” (in Betrieb) befindet oder wenn sich der Zündschalter (Startschalter) in einer Stellung befindet, die zwischen der Stellung „ein” (in Betrieb) und der Stellung „Start” liegt und vom Hersteller als Prüfstellung (Anfangssystem (eingeschaltet)) angegeben ist. Diese Anforderung gilt nicht, wenn Warnleuchten in einem gemeinsamen Feld angeordnet sind.

1.4.4. Die optischen Warnsignale müssen auch bei Tageslicht sichtbar sein; der Fahrer muss von seinem Sitz aus das einwandfreie Funktionieren der Signale leicht nachprüfen können.

1.4.5. Wird der Fahrer durch ein optisches Warnsignal darauf hingewiesen, dass das Spurhaltewarnsystem vorübergehend nicht benutzbar ist, beispielsweise wegen ungünstiger Witterungsbedingungen, muss das Signal ununterbrochen aufleuchten. Dazu kann das Störungswarnsignal gemäß Absatz 1.4.2 verwendet werden.

1.5.
Vorschriften für die regelmäßige technische Überwachung

1.5.1. Bei einer regelmäßigen technischen Überwachung muss es möglich sein, den richtigen Betriebszustand des Spurhaltewarnsystems anhand einer Sichtprüfung des Status des Störungswarnsignals zu überprüfen, nachdem das System eingeschaltet wurde (aus: System in Ordnung; an: Systemstörung liegt vor). Ist das Störungswarnsignal in einem gemeinsamen Feld angeordnet, muss vor der Prüfung des Status des Störungswarnsignals zunächst geprüft werden, ob das gemeinsame Feld funktionsfähig ist.

1.5.2. Zum Zeitpunkt der Typgenehmigung sind die Mittel, die zum Schutz gegen eine einfache, unbefugte Veränderung des Betriebs des vom Hersteller gewählten Störungswarnsignals angewendet werden, in einer vertraulichen Unterlage zu beschreiben. Diese Schutzvorschrift ist auch eingehalten, wenn ein sekundäres Mittel zur Überprüfung des richtigen Betriebszustands des Spurhaltewarnsystems zur Verfügung steht.

2.
Prüfverfahren

2.1. Der Hersteller muss ein kurzes Dokumentationspaket zur Verfügung stellen, das Angaben über die Grundkonstruktion des Systems und gegebenenfalls die Mittel zur Verbindung mit anderen Fahrzeugsystemen enthält. Darin ist die Funktionsweise des Systems zu beschreiben und anzugeben, wie der Betriebszustand des Systems überprüft wird, ob das System andere Fahrzeugsysteme beeinflusst und anhand welcher Methode(n) die Situationen ermittelt werden, die zur Anzeige eines Störungswarnsignals führen.

2.2.
Prüfbedingungen

2.2.1. Die Prüfung ist auf einer flachen und trockenen, asphaltierten oder betonierten Oberfläche vorzunehmen.

2.2.2. Die Umgebungstemperatur muss zwischen 0 °C und 45 °C liegen.

2.2.3.
Sichtbare Fahrspurmarkierungen

2.2.3.1.
Bei den sichtbaren Fahrspurmarkierungen, die in der Prüfung des Spurhaltewarnsystems gemäß Absatz 2.6 verwendet werden, muss es sich um die in der Anlage zu diesem Anhang beschriebenen handeln; die Markierungen müssen sich in einem guten Zustand befinden und aus einem Material bestehen, das dem Standard für in dem betreffenden Mitgliedstaat verwendete sichtbare Fahrspurmarkierungen entspricht. Die für die Prüfung verwendete Anordnung der sichtbaren Fahrspurmarkierungen ist aufzuzeichnen.
2.2.3.2.
Der Fahrzeughersteller muss anhand von Unterlagen nachweisen, dass das System mit allen anderen in der Anlage zu diesem Anhang beschriebenen Fahrspurmarkierungen funktioniert. Die diesbezüglichen Unterlagen sind dem Prüfbericht beizufügen.
2.2.3.3.
Falls das Fahrzeug mit verschiedenen Varianten des Spurhaltewarnsystems mit gebietsspezifischen Anpassungen ausgerüstet werden kann, muss der Hersteller anhand von Unterlagen nachweisen, dass die Anforderungen dieser Verordnung durch alle Varianten erfüllt werden.

2.2.4. Die Prüfung ist bei Sichtverhältnissen durchzuführen, die ein sicheres Fahren mit der erforderlichen Prüfgeschwindigkeit erlauben.

2.3.
Fahrzeugzustand

2.3.1.
Prüfgewicht

Das Fahrzeug kann bei jeglicher Beladung geprüft werden, wobei die Verteilung der Masse auf die Achsen der vom Fahrzeughersteller erklärten Verteilung entsprechen muss und die zulässige Gesamtmasse für die einzelnen Achsen nicht überschritten werden darf. Nach Beginn der Prüfung dürfen keine Änderungen mehr vorgenommen werden. Der Fahrzeughersteller muss anhand von Unterlagen nachweisen, dass das System bei jeglicher Beladung funktioniert.

2.3.2. Das Fahrzeug ist mit Reifen zu prüfen, die auf den vom Fahrzeughersteller empfohlenen Reifendruck aufgepumpt sind.

2.3.3. Ist das Spurhaltewarnsystem mit einem vom Benutzer einstellbaren Schwellenwert für die Auslösung des Warnsystems ausgestattet, so ist bei der Prüfung gemäß Absatz 2.5 der Schwellenwert auf das stärkste Ausscheren von der Fahrspur einzustellen. Nach Beginn der Prüfung dürfen keine Änderungen mehr vorgenommen werden.

2.4.
Überprüfung des optischen Warnsignals

Bei stehendem Fahrzeug ist zu prüfen, ob das/die optische(n) Warnsignal(e) den Anforderungen von Absatz 1.4.3 entsprechen.

2.5.
Prüfung des Spurhaltewarnsystems

2.5.1. Das Fahrzeug ist bei einer Geschwindigkeit von 65 km/h +/- 3 km/h ruckfrei so in die Mitte der Fahrspur zu fahren, dass seine Position stabil ist. Unter Beibehaltung der vorgeschriebenen Fahrzeuggeschwindigkeit ist das Fahrzeug so zu fahren, dass es allmählich mit einer Geschwindigkeit zwischen 0,1 und 0,8 m/s entweder nach links oder nach rechts von der Fahrspur abkommt. Die Prüfung ist mit einer anderen zwischen 0,1 und 0,8 m/s liegenden Abweichungsgeschwindigkeit zu wiederholen. Anschließend sind die oben genannten Prüfungen mit einer Abweichung in die entgegengesetzte Richtung zu wiederholen.

2.5.2. Das Spurhaltewarnsystem muss die Spurhaltewarnung gemäß Absatz 1.4.1 spätestens dann abgeben, wenn die Außenseite des Reifens des Vorderrades des Fahrzeugs, das den Fahrspurmarkierungen am nächsten ist, eine Linie überschreitet, die 0,3 m jenseits der Außenkante der sichtbaren Fahrspurmarkierung liegt, in deren Richtung das Fahrzeug zum Abdriften gebracht wird.

2.6.
Prüfung der Störungserkennung

2.6.1. Es ist eine Störung des Spurhaltewarnsystems zu simulieren, beispielsweise dadurch, dass die Stromzufuhr zu einem Bauteil des Systems oder die elektrische Verbindung zwischen einzelnen Bauteilen des Systems unterbrochen wird. Die elektrischen Anschlüsse für das Störungswarnsignal gemäß Absatz 1.4.2 und das Bedienungselement für die Deaktivierung des Spurhaltewarnsystems gemäß Absatz 1.3 dürfen während der Simulation einer Störung des Spurhaltewarnsystems nicht unterbrochen sein.

2.6.2. Das Störungswarnsignal gemäß Absatz 1.4.2 muss aktiviert werden und bleiben, während das Fahrzeug gefahren wird, und es muss nach einem anschließenden Zyklus „Zündung aus — Zündung an” erneut aktiviert werden, solange die simulierte Störung besteht.

2.7.
Deaktivierungsprüfung

2.7.1. Wenn das Fahrzeug mit einer Vorrichtung zur Deaktivierung des Spurhaltewarnsystems ausgestattet ist, ist der Zündschalter (Anlassschalter) in die Stellung „eingeschaltet” (in Betrieb) zu bringen und das Spurhaltewarnsystem zu deaktivieren. Das Warnsignal gemäß Absatz 1.3.2 muss aktiviert werden. Der Zündschalter (Anlassschalter) ist in die Stellung „ausgeschaltet” zu bringen. Der Zündschalter (Anlassschalter) ist erneut in die Stellung „eingeschaltet” (in Betrieb) zu bringen, wobei darauf zu achten ist, dass das zuvor aktivierte Warnsignal nicht erneut aktiviert wird; dadurch wird angezeigt, dass das Spurhaltewarnsystem wie in Absatz 1.3.1 beschrieben erneut in Betrieb gegangen ist. Wird die Zündanlage mit einem Schlüssel betätigt, ist die obige Anforderung ohne Entfernen des Schlüssels zu erfüllen.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 116 vom 8.5.2010, S. 1.

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