Artikel 7 VO (EU) 2013/472

Makroökonomisches Anpassungsprogramm

(1) Ersucht ein Mitgliedstaat einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten oder Drittländer, den EFSM, den ESM, die EFSF, oder den IWF um Finanzhilfe, erarbeitet er in Übereinstimmung mit der Kommission, die im Benehmen mit der EZB und gegebenenfalls dem IWF handelt, einen Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms, das sich auf die Wirtschaftspartnerschaftsprogramme gemäß der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 stützt sowie diese ersetzt und auch jährliche Haushaltsziele enthält.

Der Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms geht die spezifischen Risiken an, die von diesem Mitgliedstaat auf die Stabilität im Euro-Währungsgebiet ausgehen, und soll die rasche Wiederherstellung einer gesunden und tragfähigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation gewährleisten und dem Mitgliedstaat die Fähigkeit verleihen, die von ihm benötigten Finanzmittel wieder selbst in vollem Umfang auf den Finanzmärkten aufzunehmen.

Der Entwurf für ein solches makroökonomisches Anpassungsprogramm beruht auf der in Artikel 6 genannten Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung, die aktualisiert wird, um die Wirkungen der mit den betroffenen Mitgliedstaaten ausgehandelten Entwürfe der Korrekturmaßnahmen zu berücksichtigen, und hat den nach den Artikeln 121, 126, 136 oder 148 AEUV an den Mitgliedstaat gerichteten Empfehlungen und den auf deren Umsetzung ausgerichteten Maßnahmen in angemessener Weise Rechnung zu tragen und gleichzeitig darauf abzuzielen, die geforderten politischen Maßnahmen auszuweiten, zu stärken und zu vertiefen.

Der Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms trägt den Gepflogenheiten und Einrichtungen für die Lohnbildung und dem nationalen Reformprogramm des betroffenen Mitgliedstaats im Rahmen der Strategie der Union für Wachstum und Beschäftigung Rechnung.

Der Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms hält Artikel 152 AEUV und Artikel 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union uneingeschränkt ein. Die Kommission setzt den Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments mündlich über die bei der Erarbeitung des makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte in Kenntnis. Diese Informationen werden vertraulich behandelt.

(2) Der Rat billigt das makroökonomische Anpassungsprogramm, das gemäß Absatz 1 von dem um Finanzhilfe ersuchenden Mitgliedstaat erarbeitet wird, auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit.

Die Kommission stellt sicher, dass das von der Kommission im Namen des ESM oder der EFSF unterzeichnete Memorandum of Understanding in vollem Einklang mit dem vom Rat gebilligten makroökonomischen Anpassungsprogramm steht.

(3) Bei dem Verfahren der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung stellt die Kommission Kohärenz in Bezug auf einen Mitgliedstaat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, sicher, damit eine doppelte Berichterstattungspflicht vermieden wird.

(4) Die Kommission überwacht im Benehmen mit der EZB und gegebenenfalls mit dem IWF die von einem Mitgliedstaat bei der Durchführung seines makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte.

Die Kommission informiert den Wirtschafts- und Finanzausschuss alle drei Monate über diese Fortschritte. Der betroffene Mitgliedstaat arbeitet umfassend mit der Kommission und der EZB zusammen. Er übermittelt der Kommission und der EZB insbesondere alle Informationen, die diese für die Überwachung der Umsetzung des makroökonomischen Anpassungsprogramms im Einklang mit Artikel 3 Absatz 4 für erforderlich halten.

Die Kommission setzt den Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments mündlich über die aus der Überwachung des makroökonomischen Anpassungsprogramms gezogenen Schlussfolgerungen in Kenntnis. Diese Informationen werden vertraulich behandelt.

(5) Die Kommission prüft – im Benehmen mit der EZB und gegebenenfalls dem IWF – mit dem Mitgliedstaat, ob möglicherweise Änderungen und Aktualisierungen an seinem makroökonomischen Anpassungsprogramm vorzunehmen sind, damit unter anderem wesentliche Abweichungen der erreichten Werte von den makroökonomischen Prognosen, einschließlich möglicher Folgen des makroökonomischen Anpassungsprogramms, nachteilige Auswirkungen auf andere Länder sowie makroökonomische und finanzielle Schocks angemessen berücksichtigt werden können. Auf Vorschlag der Kommission beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit über etwaige an diesem Programm vorzunehmende Änderungen.

(6) Der betroffene Mitgliedstaat prüft in enger Zusammenarbeit mit der Kommission, ob alle erforderlichen Maßnahmen, um private Investoren dafür zu gewinnen, ihr Gesamtengagement freiwillig aufrechtzuerhalten, ergriffen werden.

(7) Werden im Rahmen der in Absatz 4 genannten Überwachung wesentliche Abweichungen vom makroökonomischen Anpassungsprogramm eines Mitgliedstaats deutlich, kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit feststellen, dass der Mitgliedstaat die in seinem Programm enthaltenen politischen Anforderungen nicht erfüllt. In ihrem Vorschlag bewertet die Kommission ausdrücklich, ob derartige wesentliche Abweichungen auf Gründe zurückzuführen sind, die sich der Einflussnahme des betroffenen Mitgliedstaats entziehen.

Bei den im makroökonomischen Anpassungsplan aufgeführten Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung wird berücksichtigt, dass hinreichende Mittel für grundlegende Politikbereiche, wie Bildung und Gesundheit, bereitgestellt werden müssen.

Wenn gemäß diesem Absatz ein Beschluss gefasst wird, trifft der betroffene Mitgliedstaat in enger Zusammenarbeit mit der Kommission und im Benehmen mit der EZB sowie gegebenenfalls dem IWF Maßnahmen, um die Märkte zu stabilisieren und seinen Finanzsektor funktionsfähig zu erhalten.

(8) Wenn ein Mitgliedstaat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, unzureichende Verwaltungskapazitäten oder erhebliche Probleme bei der Durchführung des Anpassungsprogramms hat, ersucht er die Kommission um technische Hilfe; die Kommission kann zu diesem Zweck Expertengruppen einsetzen, deren Mitglieder aus anderen Mitgliedstaaten und anderen Organen der Union oder anderen einschlägigen internationalen Institutionen stammen. Die Ziele und Mittel der technischen Hilfe werden in den aktualisierten Fassungen des makroökonomischen Anpassungsprogramms explizit beschrieben; dabei ist der Schwerpunkt auf den Bereich zu legen, in dem dringender Bedarf identifiziert wird. Die technische Unterstützung kann die Einsetzung eines im betroffenen Land ansässigen Vertreters sowie von Unterstützungspersonal beinhalten, die die Behörden in Fragen der Durchführung des Programms beraten.

Das makroökonomische Anpassungsprogramm wird einschließlich seiner Ziele und der voraussichtlichen Verteilung des Anpassungsaufwands veröffentlicht.

Die Schlussfolgerungen aus der Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung werden dem makroökonomischen Anpassungsprogramm als Anhang beigefügt.

(9) Ein Mitgliedstaat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, führt eine umfassende Prüfung seiner öffentlichen Finanzen durch, um unter anderem die Gründe für die Entstehung des übermäßigen Schuldenstandes zu analysieren und etwaige Unregelmäßigkeiten zu ermitteln.

(10) Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments kann dem betroffenen Mitgliedstaat und der Kommission Gelegenheit bieten, an einer Aussprache über die bei der Durchführung des makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte teilzunehmen.

(11) Vertreter der Kommission können vom Parlament des betroffenen Mitgliedstaats zu einer Aussprache über die bei der Durchführung seines makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte eingeladen werden.

(12) Dieser Artikel gilt nicht für Instrumente zur Gewährung von vorsorglicher Finanzhilfe oder für Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten oder für etwaige neue Finanzierungsinstrumente des ESM, für die nach den Regeln des ESM kein makroökonomisches Anpassungsprogramm vorgesehen ist.

Zu Informationszwecken erstellt die Kommission eine Liste der in Unterabsatz 1 genannten Finanzhilfeinstrumente und aktualisiert diese fortlaufend, um möglichen Änderungen in der Finanzhilfepolitik des ESM Rechnung zu tragen.

Der Rat billigt – auf Empfehlung der Kommission – in Form eines an den betroffenen Mitgliedstaat gerichteten Beschlusses die wichtigsten politischen Anforderungen an diese Instrumente, die der ESM oder die EFSF in die Auflagen für durch sie gewährte Finanzhilfe aufnehmen wollen, sofern diese Maßnahmen inhaltlich gemäß den Verträgen in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen.

Die Kommission stellt sicher, dass das von der Kommission im Namen des ESM oder der EFSF unterzeichnete Memorandum of Understanding in vollem Einklang mit einem derartigen Beschluss des Rates steht.

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