Artikel 2 VO (EU) 2014/795
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung sind die nachfolgend aufgeführten Begriffe wie folgt zu verstehen:
- 1.
- „Zahlungsverkehrssystem” : eine förmliche Vereinbarung zwischen mindestens drei Teilnehmern — wobei etwaige Verrechnungsbanken, zentrale Kontrahenten, Clearingstellen oder indirekte Teilnehmer nicht mitgerechnet werden — mit gemeinsamen Regeln und einheitlichen Vorgaben für die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern;
- 2.
- „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag” hat dieselbe Bedeutung wie in Artikel 2 Buchstabe i erster Gedankenstrich der Richtlinie 98/26/EG;
- 3.
- „Systemrisiko” : das Risiko der Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus dem SIPS durch einen Teilnehmer oder einen SIPS-Betreiber, die zur Folge hat, dass auch andere Marktteilnehmer und/oder der SIPS-Betreiber nicht mehr in der Lage sind, ihre Verpflichtungen bei deren Fälligkeit zu erfüllen. In der Folge kann es zu Übertragungseffekten kommen, die eine Bedrohung für die Stabilität des Finanzsystems oder das Vertrauen in das Finanzsystem darstellen;
- 4.
- „SIPS-Betreiber” : die juristische Person, die für den Betrieb eines SIPS rechtlich verantwortlich ist;
- 5.
-
„zuständige Behörde” :
- a)
- die nationale Zentralbank des Eurosystems, die gemäß Artikel 1 Absatz 2 als in erster Linie für die Überwachung zuständig bestimmt wurde; oder
- b)
-
wenn es sich um ein Zahlungssystem handelt, das ein SIPS ist, das die in Artikel 1 Absatz 3 Ziffer iii genannten Kriterien erfüllt, entweder
- i)
- die EZB oder
- ii)
- sowohl die EZB als auch eine nationale Zentralbank des Eurosystems, wenn die betreffende nationale Zentralbank während eines Zeitraums von fünf oder mehr Jahren unmittelbar vor Erlass des in Artikel 1 Absatz 2 genannten Beschlusses als in erster Linie für die Überwachung zuständig bestimmt wurde;
- 6.
- „Eurosystem-SIPS” : ein SIPS, dessen Eigentümerin und Betreiberin eine Zentralbank des Eurosystems ist;
- 7.
- „Rechtsrisiko” : das Risiko, das sich aus der Anwendung von Rechtsvorschriften ergibt und in der Regel einen Verlust zur Folge hat;
- 8.
- „Kreditrisiko” : das Risiko, dass eine Vertragspartei, unabhängig davon, ob es sich um einen Teilnehmer oder eine andere Stelle handelt, ihren finanziellen Verpflichtungen weder zum Fälligkeitstermin noch zu einem zukünftigen Zeitpunkt nachkommt;
- 9.
- „Liquiditätsrisiko” : das Risiko, dass einer Vertragspartei, unabhängig davon, ob es sich um einen Teilnehmer oder eine andere Stelle handelt, zum Fälligkeitstermin keine ausreichenden Mittel zur Einhaltung ihrer finanziellen Verpflichtungen zur Verfügung stehen, selbst wenn ihr dafür in der Zukunft eventuell ausreichende Mittel zur Verfügung stehen sollten;
- 10.
- „operationelles Risiko” : das Risiko, dass Fehler oder Ausfälle von Informationssystemen oder internen Verfahren, menschliches Versagen, Fehler des Managements oder Störungen, die durch externe Ereignisse oder ausgelagerte Dienstleistungen verursacht werden, zu einer Verringerung, Verschlechterung oder einem Zusammenbruch der von einem SIPS bereitgestellten Dienstleistungen führen;
- 11.
- „Verwahrrisiko” : das Risiko eines Verlustes an verwahrten Vermögenswerten im Fall von Insolvenz, Fahrlässigkeit, Betrug, mangelhafter Verwaltung oder unzureichender Buchführung seitens des Verwahrers oder Unterverwahrers;
- 12.
- „Anlagerisiko” : das Verlustrisiko, das ein SIPS-Betreiber oder ein Teilnehmer eingeht, wenn der SIPS-Betreiber seine eigenen oder die Mittel seiner Teilnehmer investiert, z. B. Sicherheiten;
- 13.
- „Marktrisiko” : auf Grund von Marktpreisänderungen auftretendes Risiko von Verlusten in bilanziell und außerbilanziell erfassten Positionen;
- 14.
- „System mit aufgeschobenem Netto-Zahlungsausgleich” (deferred net settlement system — DNS): ein System, bei welchem am Ende eines im Voraus festgelegten Abwicklungszyklus, z. B. am Ende oder während des Geschäftstages, eine Abwicklung in Zentralbankgeld auf Nettobasis erfolgt;
- 15.
- „grenzüberschreitende Sicherheiten” : Sicherheiten, für die aus der Sicht des Landes, in dem die Vermögensgegenstände als Sicherheiten zugelassen sind, mindestens eines der folgenden Merkmale ausländisch ist: a) die Währungsdenominierung, b) das Land, in dem sich die Vermögenswerte befinden, oder c) das Land, in dem der Emittent ansässig ist;
- 16.
- „grenzüberschreitende Zahlung” : eine Zahlung zwischen Teilnehmern, die in unterschiedlichen Ländern ansässig sind;
- 17.
- „Finanzmarktinfrastruktur” (financial market infrastructure — FMI): ein multilaterales System zwischen teilnehmenden Instituten — einschließlich des Systembetreibers —, das zum Clearing, zur Abwicklung oder zur Aufzeichnung von Zahlungen, Wertpapieren, Derivaten oder sonstigen Finanztransaktionen verwendet wird;
- 18.
- „direkter Teilnehmer” : eine juristische Person, die in einer vertraglichen Beziehung mit einem SIPS-Betreiber steht, an die entsprechenden Regelungen des SIPS gebunden ist und Überweisungsaufträge an das System senden darf sowie Überweisungsaufträge empfangen kann;
- 18a.
-
„Indirekter Teilnehmer” : ein Rechtsträger, der keinen direkten Zugang zu Dienstleistungen eines SIPS hat und in der Regel nicht direkt an die entsprechenden Regelungen des SIPS gebunden ist, und dessen Überweisungen vom Clearing, der Abwicklung und der Aufzeichnung durch das SIPS über einen direkten Teilnehmer erfasst wurden. Ein indirekter Teilnehmer steht in einer vertraglichen Beziehung mit einem direkten Teilnehmer. Die betreffenden juristischen Personen beschränken sich auf:
- i)
- Kreditinstitute im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(1),
- ii)
- Wertpapierfirmen im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(2),
- iii)
- sämtliche Unternehmen mit Hauptverwaltung außerhalb der Union, deren Aufgaben der einem Kreditinstitut oder einer Wertpapierfirma im Sinne der Ziffern i und ii vergleichbar sind,
- iv)
- Behörden sowie mit einer öffentlichen Garantie ausgestattete Unternehmen, zentrale Vertragsparteien, Verrechnungsstellen, Clearingstellen und Systembetreiber im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c, d, e und p der Richtlinie 98/26/EG,
- v)
- Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute im Sinne von Artikel 4 Nummer 4 der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) und Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4);
- 19.
- „der Rat” : ein Organ, das die Funktion des Verwaltungs- oder Aufsichtsrats eines SIPS-Betreibers oder beide Funktionen nach nationalem Recht wahrnimmt;
- 20.
- „die Geschäftsleitung” : die geschäftsführenden Direktoren, d. h. die für die tägliche Geschäftsführung des SIPS-Betreibers zuständigen Mitglieder eines einheitlichen Leitungsorgans im Rahmen eines monistischen Systems sowie die Mitglieder einer im dualistischen System geführten Geschäftsleitung eines SIPS-Betreibers;
- 21.
- „relevante Interessengruppen” : Teilnehmer, FMIs mit Auswirkungen auf das Risiko des SIPS und — im Einzelfall — andere betroffene Marktakteure;
- 22.
- „Kreditrisikoposition” : ein Betrag oder Wert, bei dem das Risiko besteht, dass der Teilnehmer diesen weder zum Fälligkeitstermin noch zu einem späteren Zeitpunkt in vollem Umfang begleicht;
- 23.
- „Sicherheit” : ein Vermögenswert oder eine Verpflichtung eines Dritten, der/die vom Sicherungsgeber zur Besicherung einer Verbindlichkeit des Sicherungsnehmers verwendet wird. Der Begriff Sicherheit umfasst sowohl inländische als auch grenzüberschreitende Sicherheiten;
- 24.
- „Liquiditätsgeber” : ein Anbieter von Bargeld gemäß Artikel 5 Absatz 3, Artikel 6 Absatz 5, Artikel 8 Absätze 1, 9 und 11 oder von Vermögenswerten gemäß Artikel 8 Absatz 4, einschließlich eines SIPS-Teilnehmers oder eines externen Dritten;
- 25.
- „extreme, aber plausible Marktbedingungen” : eine umfassende Reihe historischer und hypothetischer Bedingungen, einschließlich der volatilsten Perioden, die bisher auf den von einem SIPS bedienten Märkten beobachtet wurden;
- 26.
- „vorgesehener Abwicklungstag” : der Tag, der im SIPS vom Sender eines Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrags als der Abwicklungstag eingegeben wurde;
- 27.
- „allgemeines Geschäftsrisiko” : jede mögliche Beeinträchtigung der Finanzlage des SIPS als Geschäftsbetrieb infolge von Ertragsrückgängen oder Kostensteigerungen, sodass die Kosten die Erträge übersteigen, was zu einem Verlust führt, der zu Lasten des Eigenkapitals berechnet werden muss;
- 28.
- „Sanierungsplan” : ein von einem SIPS-Betreiber erarbeiteter Plan zur Wiederherstellung des reibungslosen Funktionierens eines SIPS;
- 29.
- „Plan für die geordnete Abwicklung” : ein von einem SIPS-Betreiber erarbeiteter Plan für die geordnete Schließung eines SIPS;
- 30.
- „wesentlich” : ein Risiko, eine Abhängigkeit und/oder eine Veränderung, die die Fähigkeit einer Stelle beeinträchtigen kann, Dienstleistungen wie erwartet zu erbringen oder bereitzustellen;
- 31.
- „relevante Behörden” : Behörden, die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten ein berechtigtes Interesse daran haben, Informationen von einem SIPS zu erhalten, z. B. Abwicklungsbehörden und für die Aufsicht über wichtige Teilnehmer zuständige Behörden;
- 32.
- „Erfüllungsrisiko” : das Risiko, dass eine Vertragspartei den gesamten Wert einer Transaktion verliert, d. h. entweder das Risiko, dass ein Verkäufer eines finanziellen Vermögenswerts den Vermögenswert unwiderruflich liefert, aber keine Zahlung dafür erhält, oder das Risiko, dass ein Käufer eines finanziellen Vermögenswerts diesen unwiderruflich zahlt, aber den Vermögenswert nicht erhält;
- 33.
- „Depotbank” : eine Bank, die die finanziellen Vermögenswerte von Dritten verwahrt und sichert;
- 34.
- „Verrechnungsbank” : eine Bank, die Konten für Zahlungen führt, auf denen die Tilgung von Forderungen aus einem Zahlungsverkehrssystem erfolgt;
- 35.
- „Nostro-Agent” : eine Bank, die von den Teilnehmern eines SIPS zur Verrechnung verwendet wird;
- 36.
- „einseitige Zahlung” : eine Zahlung mit nur einer Überweisung in einer Währung;
- 37.
- „zweiseitige Zahlung” : eine Zahlung mit zwei Überweisungen in verschiedenen Währungen in einem Wertaustauschsystem;
- 38.
- „Korrelationsrisiko” : das Risiko, das vom Engagement eines Teilnehmers oder Emittenten ausgeht, wenn die durch diesen Teilnehmer bereitgestellten oder durch den genannten Emittenten ausgegebenen Sicherheiten stark mit dem Kreditrisiko dieses Teilnehmers bzw. Emittenten korrelieren;
- 39.
- „Geschäftstag” hat dieselbe Bedeutung wie in Artikel 2 Buchstabe n der Richtlinie 98/26/EG;
- 40.
- „Unabhängiges Ratsmitglied” ist ein nicht geschäftsführendes Mitglied des Rates, welches in keiner geschäftlichen, familiären oder anderen Beziehung zum SIPS oder SIPS-Betreiber, ihrer Mehrheitsanteilseigner, ihrer Geschäftsleitung oder ihrer Teilnehmer steht oder in den letzten zwei Jahren vor der Ratsmitgliedschaft gestanden hat, die Anlass für einen Interessenkonflikt gibt;
- 41.
- „verbunden” : ein Unternehmen, das den Teilnehmer kontrolliert oder von ihm kontrolliert wird oder mit ihm unter gemeinsamer Kontrolle steht. Unter Kontrolle eines Unternehmens ist a) Eigentum an, Kontrolle über oder Halten von mindestens 20 % einer stimmberechtigten Wertpapiergattung des Unternehmen; oder b) Konsolidierung des Unternehmens im Rahmen des Finanzberichterstattung zu verstehen;
- 42.
- „Notfallsituation” : ein Ereignis, Vorkommnis oder Umstand, die das Potenzial haben, zum Verlust oder zur Störung des Geschäftsbetriebs, der Dienstleistungen oder des Funktionierens des SIPS zu führen, einschließlich eines Be- oder Verhinderns der endgültigen Abwicklung;
- 43.
- „finanzielle Verpflichtungen” : rechtliche Verpflichtungen, die innerhalb des SIPS, zwischen Teilnehmern, oder zwischen Teilnehmern und den SIPS-Betreibern, als eine Folge der beim SIPS eingehenden Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge entstehen;
- 44.
- „Korrekturmaßnahme” : eine gezielte Maßnahme oder Handlung, die unabhängig von ihrer Form, Dauer oder Intensität, einem SIPS-Betreiber von einer zuständigen Behörde zur Behebung bzw. zur Vermeidung der Wiederholung einer Nichteinhaltung der Anforderungen aus den Artikeln 3 bis 21 auferlegt wird.
Fußnote(n):
- (1)
Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).
- (2)
Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1).
- (3)
Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 35).
- (4)
Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2016 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. L 267 vom 10.10.2009, S. 7).
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