ANHANG V VO (EU) 2015/208

Anforderungen für Lenkanlagen

1.
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Anhangs gelten die Begriffsbestimmungen des Anhangs XXXIII Abschnitt 1. Darüber hinaus gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1.1. „Lenkanlage” :

die gesamte Einrichtung, die dazu dient, eine Richtungsänderung der Zugmaschine herbeizuführen.

Zur Lenkanlage können gehören: Betätigungseinrichtung, Übertragungseinrichtung, gelenkte Räder und, gegebenenfalls, besondere Einrichtungen zur Erzeugung von Hilfs- oder Fremdkraft.

1.2. „Übertragungseinrichtung” :
der Teil der Lenkanlage, der zwischen der Betätigungseinrichtung und den gelenkten Rädern liegt, mit Ausnahme der besonderen Einrichtung nach Nummer 1.3. Die Übertragung kann mechanisch, hydraulisch, pneumatisch, elektrisch oder kombiniert erfolgen.
1.3. „Besondere Einrichtung” :
der Teil der Lenkanlage, mit dem eine Hilfs- oder Fremdkraft erzeugt wird. Die Hilfs- oder Fremdkraft kann mechanisch, hydraulisch, pneumatisch, elektrisch oder durch ein kombiniertes System erzeugt werden (beispielsweise durch Druckölpumpen, Luftpumpe, Batterie usw.).
1.4. „Hilfskraft-Lenkanlage” :
die Anlage, in der die Kraft für die Richtungsänderung an den gelenkten Rädern sowohl durch die Muskelkraft des Fahrers als auch durch die besondere Einrichtung aufgebracht wird; dazu gehören auch Lenkanlagen, bei denen die Lenkkraft normalerweise ausschließlich durch die besondere Einrichtung aufgebracht wird, bei denen jedoch bei Ausfall der besonderen Einrichtung die Muskelkraft des Fahrers zum Lenken verwendet wird.
1.5. „Fremdkraft-Lenkanlage” :
Anlage, bei der die Kraft für die Richtungsänderung an den gelenkten Rädern ausschließlich von der besonderen Einrichtung aufgebracht wird.
1.6. „Differenziallenkung” :
Methode zum Lenken von Rad- oder Kettenfahrzeugen, bei der die Ausrichtung der Zugmaschine dadurch erfolgt, dass eine unterschiedliche Drehgeschwindigkeit der linken und rechten Räder bzw. Ketten erzeugt wird.
1.7. „Gelenkte Räder” bezeichnet eines der Folgenden:
a)
die Räder, deren Ausrichtung im Verhältnis zur Zugmaschine direkt oder indirekt geändert werden kann, um eine Richtungsänderung der Zugmaschine zu bewirken,
b)
alle Räder von Zugmaschinen mit Knicklenkung,
c)
die Räder von Zugmaschinen, bei denen die Richtungsänderung durch die Geschwindigkeitsänderung der Räder derselben Achse bewirkt wird.

BAU, MONTAGE- UND PRÜFANFORDERUNGEN

2.
Allgemeine Anforderungen

2.1.
Die Lenkanlage muss ein leichtes und sicheres Lenken der Zugmaschine gewährleisten und den besonderen Anforderungen von Nummer 3 entsprechen.
2.2.
Die Lenkbewegungen von Zugmaschinen der Klasse C erfolgen gemäß den Anforderungen in Anhang XXXIII Nummer 3.9.
2.3.
Die Anforderungen von Nummer 2.2. gelten nicht für Zugmaschinen der Klasse C mit Gleisketten aus Stahl und Differenziallenkung. Die unterschiedliche Rotationsgeschwindigkeit gemäß Nummer 1.6 kommt entweder durch eine Kombination mechanischer Bauteile wie Bremsen und einem Differenzial zustande oder durch gesonderte Antriebswege für die linke und die rechte Seite, z. B. getrennte hydrostatische Antriebe. Ist die Lenkanlage mit dem Bremssystem kombiniert, gelten die Anforderungen der delegierten Verordnung (EU) 2015/68 der Kommission(1).

3.
Besondere Anforderungen

3.1.
Betätigungseinrichtung

3.1.1.
Die Betätigungseinrichtung muss für eine absehbare Bandbreite erwachsener Bedienpersonen, die sich in Körpergröße und -kraft unterscheiden, einfach zu handhaben und zu ergreifen sein. Sie muss so beschaffen sein, dass ein abstufbares Lenken gewährleistet ist. Die Bewegungsrichtung der Betätigungseinrichtung muss mit der beabsichtigten Richtungsänderung der Zugmaschine übereinstimmen.
3.1.2.
Die Betätigungskraft darf beim Übergang von der Geradeausfahrt zum Lenkeinschlag, der zur Erzielung eines Wendekreises von 12 m Halbmesser erforderlich ist, bei intakten Lenkanlagen 25 daN nicht überschreiten. Bei nicht in andere Anlagen integrierten Hilfskraft-Lenkanlagen darf bei Ausfall der Hilfskraft die Betätigungskraft 60 daN nicht überschreiten.
3.1.3.
Zur Überprüfung der Übereinstimmung mit den Anforderungen unter Nummer 3.1.2 ist die Zugmaschine auf einer trockenen, ebenen Straße mit griffiger Oberfläche aus der Geradeausfahrt mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h in eine Spirale zu fahren. Bis zu dem Augenblick, in dem die Lenkradstellung einem Wendekreis von 12 m Halbmesser entspricht, wird die Betätigungskraft am Lenkrad gemessen. Die Zeit für das Wendemanöver (d. h. die Zeit zwischen dem Beginn der Betätigung des Lenkrads bis zum Augenblick des Erreichens der Messstellung) darf im Normalfall nicht mehr als 5 s und bei Ausfall der besonderen Einrichtung nicht mehr als 8 s betragen. Es sind ein Lenkeinschlag nach rechts und ein Lenkeinschlag nach links auszuführen.

Bei der Prüfung muss die Zugmaschine die technisch zulässige Gesamtmasse, die vom Hersteller angegebene Verteilung dieser Gesamtmasse auf die Achsen und den vorgeschriebenen Reifendruck haben. Insbesondere darf der Gleiskettendruck den in Anhang XXXIII Nummer 3.3 angegebenen Wert nicht überschreiten.

3.2.
Übertragungseinrichtung

3.2.1.
Lenkanlagen dürfen keine elektrischen und keine rein pneumatischen Übertragungseinrichtungen haben.
3.2.2.
Übertragungseinrichtungen sind so zu konstruieren, dass sie die beim Betrieb auftretenden Beanspruchungen aufnehmen können. Sie müssen zur Wartung und Prüfung leicht zugänglich sein.
3.2.3.
Bei nicht rein hydraulischen Übertragungseinrichtungen muss die Lenkbarkeit der Zugmaschine auch dann erhalten bleiben, wenn die hydraulischen bzw. die pneumatischen Teile der Übertragungseinrichtung ausfallen.
3.2.4.
Lenkanlagen mit rein hydraulischen Übertragungseinrichtungen sowie ihre besonderen Einrichtungen müssen folgende Anforderungen erfüllen:

3.2.4.1.
Zum Schutz der gesamten Anlage oder von Teilen der Anlage gegen Überdruck sind eine oder mehrere Druckbegrenzungseinrichtungen vorzusehen.
3.2.4.2.
Die Druckbegrenzungseinrichtungen sind so einzustellen, dass ein Druck T, gleich dem vom Hersteller angegebenen höchsten Betriebsdruck, nicht überschritten wird.
3.2.4.3.
Die Leitungen sind für das Vierfache des Druckes T (Einstelldruck der Druckbegrenzungseinrichtung) auszulegen und zu dimensionieren; sie sind an geschützten Stellen so anzuordnen, dass die Gefahr von Schäden infolge von Erschütterungen oder Zusammenstößen auf ein Mindestmaß verringert wird und die Gefahr einer Beschädigung durch Scheuerwirkung als vernachlässigbar anzusehen ist.

3.3.
Gelenkte Räder

3.3.1.
Sämtliche Räder dürfen gelenkte Räder sein.

3.4
Besondere Einrichtungen

3.4.1.
Die Verwendung besonderer Einrichtungen mit bestimmten Arten von Lenkanlagen ist unter folgenden Umständen erlaubt:

3.4.1.1.
Ist die Zugmaschine mit einer Hilfskraft-Lenkanlage ausgestattet, so muss die Lenkbarkeit der Zugmaschine auch bei Ausfall der besonderen Einrichtungen sichergestellt sein. Ist die Hilfskraft-Lenkanlage nicht mit einer eigenen Kraftquelle versehen, so muss sie einen eigenen Energiespeicher haben. Dieser Energiespeicher kann durch eine unabhängige Einrichtung ersetzt werden, die die Lenkanlage vorrangig vor den übrigen Systemen, die mit der gemeinsamen Energiequelle verbunden sind, mit Energie versorgt. Unbeschadet der Anforderungen der delegierten Verordnung (EU) 2015/68 gilt: Besteht eine hydraulische Verbindung zwischen der hydraulischen Lenkanlage und dem hydraulischen Bremssystem und sind beide an eine gemeinsame Energiequelle angeschlossen, so darf die Kraft zur Betätigung der Lenkanlage bei Ausfall eines der beiden Systeme 40 daN nicht übersteigen. Wird als Energie Druckluft verwendet, so muss der Luftbehälter durch ein Überströmventil ohne Rückströmung abgesichert sein.

Wird die Lenkkraft ausschließlich durch die besondere Einrichtung aufgebracht, muss die Hilfskraft-Lenkanlage mit einem optischen oder akustischen Signal versehen sein, das ausgelöst wird, wenn die Betätigungskraft bei Ausfall der besonderen Einrichtungen 25 daN überschreitet.

3.4.1.2.
Ist die Zugmaschine mit einer Fremdkraft-Lenkanlage ausgestattet, die dann zulässig ist, wenn die Übertragung rein hydraulisch erfolgt, so müssen bei Ausfall der besonderen Einrichtung oder des Motors die beiden Wendemanöver nach Nummer 3.1.3 mittels einer zusätzlichen besonderen Einrichtung möglich sein. Die zusätzliche besondere Einrichtung darf ein Luft- oder Gas-Druckspeicher sein. Als zusätzliche besondere Einrichtung darf eine Ölpumpe oder ein Luftpresser verwendet werden, wenn diese Einrichtung unmittelbar von den Rädern der Zugmaschine in Gang gesetzt wird und nicht ausgekuppelt werden kann. Der Ausfall der besonderen Einrichtung ist durch ein optisches oder akustisches Signal anzuzeigen.

3.4.1.2.1.
Ist die besondere Einrichtung pneumatisch, so muss sie einen Luftbehälter haben, der durch ein Überströmventil ohne Rückströmung abgesichert ist. Das Volumen dieses Luftbehälters muss so bemessen sein, dass mindestens sieben volle Lenkeinschläge (von Anschlag zu Anschlag) möglich sind, bis der Behälterdruck auf die Hälfte seines Betriebsdrucks abgefallen ist; dies ist mit vom Boden abgehobenen gelenkten Rädern zu prüfen.

4. Die Hersteller können zwischen der Anwendung der Anforderungen dieses Anhangs und der Anwendung der Anforderungen in Anhang IV wählen.

Fußnote(n):

(1)

Delegierte Verordnung (EU) 2015/68 der Kommission vom 15. Oktober 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 167/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen für die Bremsen von Fahrzeugen im Zusammenhang mit der Typgenehmigung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen (ABl. L 17 vom 23.1.2015, S. 1).

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