ANHANG I VO (EU) 2016/2031

KRITERIEN ZUR EINSTUFUNG VON SCHÄDLINGEN GEMÄSS DEM VON IHNEN AUSGEHENDEN RISIKO FÜR DAS GEBIET DER UNION

ABSCHNITT 1

1.
Identität des Schädlings

Die taxonomische Identität des Schädlings ist klar definiert, oder der Schädling ruft nachweislich konsistente Symptome hervor und ist übertragbar. Die taxonomische Identität des Schädlings ist auf dem Rang der Art definiert oder alternativ auf einer höheren oder niedrigeren taxonomischen Ebene, sofern diese taxonomische Ebene angesichts der Virulenz, des Wirtsspektrums oder der Vektorbeziehungen aus wissenschaftlicher Sicht angemessen ist.

2.
Auftreten des Schädlings im betreffenden Gebiet

Eine oder mehrere der folgenden Bedingungen treffen zu:
a)
Das Auftreten des Schädlings ist im betreffenden Gebiet nicht bekannt;
b)
das Auftreten des Schädlings ist im betreffenden Gebiet — von einem begrenzten Teil davon abgesehen — nicht bekannt;
c)
das Auftreten des Schädlings ist — von seltenem, unregelmäßigem, isoliertem und sporadischem Auftreten abgesehen — im betreffenden Gebiet nicht bekannt.
Wenn die Bedingungen der Buchstaben b oder c zutreffen, so gilt der Schädling als nicht weit verbreitet.

3.
Fähigkeit des Schädlings zum Eindringen, zur Ansiedlung und zur Ausbreitung im betreffenden Gebiet

a)
Fähigkeit zum Eindringen

Ein Schädling gilt dann als fähig, in das betreffende Gebiet bzw. — sofern er bereits auftritt, aber nicht weit verbreitet ist — in den Teil dieses Gebiets, in dem er nicht auftritt ( „relevanter Teil des gefährdeten Gebiets” ), einzudringen, wenn ihm dies durch natürliche Ausbreitung gelingt oder wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
i)
Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und andere Gegenstände, die in das betreffende Gebiet verbracht werden, stehen mit dem Schädling in dem Ursprungsgebiet dieser Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und anderen Gegenstände oder in dem Gebiet, von dem aus diese Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und anderen Gegenstände in das betreffende Gebiet verbracht werden, in Verbindung;
ii)
der Schädling überdauert die Beförderung bzw. Lagerung;
iii)
der Schädling könnte im betreffenden Gebiet auf einen geeigneten Wirt in Form einer Pflanze, eines Pflanzenerzeugnisses oder eines anderen Gegenstandes übertragen werden.

b)
Fähigkeit zur Ansiedlung

Ein Schädling gilt dann als fähig, sich in dem betreffenden Gebiet bzw. — sofern er bereits auftritt, aber nicht weit verbreitet ist — in dem Teil des Gebiets, in dem er nicht auftritt, anzusiedeln, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
i)
Es stehen Wirte für den Schädling und gegebenenfalls Vektoren für die Übertragung des Schädlings zur Verfügung;
ii)
die entscheidenden Umweltfaktoren sind für den betreffenden Schädling und gegebenenfalls für seinen Vektor günstig, sodass er Phasen klimatischer Belastungen überdauern und seinen Lebenszyklus vollständig durchlaufen kann;
iii)
die im Gebiet angewandten Anbaumethoden und Bekämpfungsmaßnahmen sind für den Schädling günstig;
iv)
die vom Schädling zum Überdauern angewandten Methoden, seine Fortpflanzungsstrategie, seine genetische Anpassungsfähigkeit und die Größe seiner kleinsten überlebensfähigen Population unterstützen seine Ansiedlung.

c)
Fähigkeit zur Ausbreitung

Ein Schädling gilt dann als fähig, sich in dem betreffenden Gebiet bzw. — sofern er bereits auftritt, aber nicht weit verbreitet ist — in dem Teil des Gebiets, in dem er nicht auftritt, räumlich auszubreiten, wenn eine oder mehrere der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
i)
Die Umweltbedingungen begünstigen die natürliche Ausbreitung des Schädlings;
ii)
die Hindernisse für die natürliche Ausbreitung des Schädlings sind unzureichend;
iii)
eine Verbringung des Schädlings auf Waren und Transportmitteln ist möglich;
iv)
es stehen Wirte und gegebenenfalls Vektoren für den Schädling zur Verfügung;
v)
die im Gebiet angewandten Anbaumethoden und Bekämpfungsmaßnahmen sind für den Schädling günstig;
vi)
natürliche Feinde und Antagonisten des Schädlings stehen nicht zur Verfügung oder sind nicht in ausreichendem Maße in der Lage, dem Schädling entgegenzuwirken.

4.
Potenzielle wirtschaftliche, soziale und ökologische Folgen

Das Eindringen, die Ansiedlung und die Ausbreitung des Schädlings in dem betreffenden Gebiet bzw. — sofern er bereits auftritt, aber nicht weit verbreitet ist — in dem Teil des Gebiets, in dem er nicht auftritt, hat für das Gebiet bzw. für den Teil des Gebiets, in dem er nicht weit verbreitet ist, in Bezug auf einen oder mehrere der unter den folgenden Buchstaben genannten Sachverhalte nicht hinnehmbare wirtschaftliche, soziale und/oder ökologische Folgen:
a)
Ernteausfälle hinsichtlich Ertrag und Qualität;
b)
Kosten von Bekämpfungsmaßnahmen;
c)
Kosten durch Wiederanpflanzen und/oder aufgrund der Notwendigkeit von Ersatzpflanzen;
d)
Auswirkungen auf bestehende Erzeugungsverfahren;
e)
Auswirkungen auf Straßenbäume, Parks sowie natürliche und bepflanzte Flächen;
f)
Auswirkungen auf heimische Pflanzen, die biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen;
g)
Auswirkungen auf die Ansiedlung, die Ausbreitung und die Folgen anderer Schädlinge, beispielsweise aufgrund der Fähigkeit des betreffenden Schädlings, als Vektor für andere Schädlinge zu agieren;
h)
Veränderung der Erzeugerkosten oder der Input-Anforderungen, einschließlich Bekämpfungskosten sowie Tilgungs- und Eindämmungskosten;
i)
Auswirkungen auf die Gewinne der Erzeuger aufgrund der Änderung von Qualität, Produktionskosten, Erträgen oder Preisniveaus;
j)
Änderungen bei der Inlands- oder Auslandsnachfrage der Verbraucher nach einem Erzeugnis aufgrund qualitativer Veränderungen;
k)
Auswirkungen auf den Inlandsmarkt und auf Ausfuhrmärkte sowie auf die gezahlten Preise, einschließlich Auswirkungen auf den Zugang zu Ausfuhrmärkten und der Wahrscheinlichkeit, dass Handelspartner Beschränkungen zum Pflanzenschutz anordnen;
l)
für zusätzliche Forschung und Beratung benötigte Ressourcen;
m)
Umweltauswirkungen und andere unerwünschte Auswirkungen von Bekämpfungsmaßnahmen;
n)
Auswirkungen auf Natura 2000 und andere geschützte Gebiete;
o)
Veränderungen der ökologischen Prozesse sowie der Struktur, der Stabilität und der Prozesse von Ökosystemen, einschließlich weiterer Auswirkungen im Zusammenhang mit Pflanzenarten, Erosion, dem Grundwasserspiegel, Brandgefahren und dem Nährstoffkreislauf;
p)
Kosten der Umweltsanierung und der Präventionsmaßnahmen;
q)
Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und Lebensmittelsicherheit;
r)
Auswirkungen auf die Beschäftigung;
s)
Auswirkungen auf Wasserqualität, Erholung, Tourismus, Landschaftserbe, Weidehaltung, Jagd und Fischerei.

ABSCHNITT 2

Unionsquarantäneschädlinge gelten dann als Schädlinge mit den schwerwiegendsten wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen für das Gebiet der Union, wenn ihr Eindringen, ihre Ansiedlung und ihre Ausbreitung einen oder mehrere der unter den folgenden Buchstaben genannten Sachverhalte bewirken:
a)
wirtschaftliche Folgen: Der Schädling hat das Potenzial, durch die in Abschnitt 1 Nummer 4 genannten direkten und indirekten Auswirkungen bei Pflanzen, die einen äußerst schwerwiegenden wirtschaftlichen Wert auf dem Gebiet der Union haben, erhebliche Verluste zu verursachen.

Bei den Pflanzen im Sinne von Unterabsatz 1 kann es sich um nicht im Ertrag stehende Bäume handeln;

b)
soziale Folgen: der Schädling hat das Potenzial, eine oder mehrere der nachstehenden Auswirkungen zu verursachen:

i)
einen erheblichen Beschäftigungsrückgang im betreffenden Landwirtschafts-, Gartenbau- oder Forstwirtschaftssektor oder in den mit diesen Sektoren verbundenen Branchen, einschließlich Tourismus und Erholung;
ii)
erhebliche Risiken für die Ernährungssicherheit und Lebensmittelsicherheit;
iii)
das Verschwinden oder die langfristige großflächige Schädigung von wichtigen Baumarten, die im Gebiet der Union wachsen bzw. angebaut werden, oder von Baumarten, die im Hinblick auf die Landschaft sowie auf das kulturelle oder historische Erbe für die Union von großer Bedeutung sind;

c)
ökologische Folgen: der Schädling hat das Potenzial, eine oder mehrere der nachstehenden Auswirkungen zu verursachen:

i)
erhebliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen, einschließlich Auswirkungen auf Arten und Lebensräume, die in der Richtlinie 92/43/EWG des Rates(1) sowie in der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(2) aufgeführt sind;
ii)
erhebliche und langfristige Zunahmen der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln bei den betreffenden Pflanzen;
iii)
das Verschwinden oder die langfristige großflächige Schädigung von wichtigen Baumarten, die im Gebiet der Union wachsen bzw. angebaut werden, oder von Baumarten, die im Hinblick auf die Landschaft sowie auf das kulturelle oder historische Erbe für die Union von großer Bedeutung sind.

ABSCHNITT 3

Unterabschnitt 1

1.
Identität des Schädlings

Auf den Schädling trifft das in Abschnitt 1 Nummer 1 genannte Kriterium zu.

2.
Auftreten des Schädlings im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats

Der Schädling kommt bislang — soweit bekannt — nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats vor. Den diesem Mitgliedstaat vorliegenden Informationen zufolge kommt der Schädling bislang auch — soweit bekannt — nicht im Gebiet der Union vor, oder es ist davon auszugehen, dass auf den Schädling in Bezug auf das Gebiet der Union die in Abschnitt 1 Nummer 2 Buchstaben b oder c genannten Bedingungen zutreffen.

3.
Wahrscheinlichkeit der Ansiedlung und der Ausbreitung des Schädlings im Gebiet der Union oder dem spezifischen Teil/den spezifischen Teilen des Gebiets der Union, in dem/denen er nicht auftritt

Den dem Mitgliedstaat vorliegenden Informationen zufolge treffen auf den Schädling die in Abschnitt 1 Nummer 3 Buchstaben b und c genannten Kriterien zu, und zwar in Bezug auf sein Hoheitsgebiet und — soweit der Mitgliedstaat dies beurteilen kann — in Bezug auf das Gebiet der Union.

4.
Potenzielle ökonomische, soziale und ökologische Folgen des Schädlings

Den dem Mitgliedstaat vorliegenden Informationen zufolge hätte der Schädling nicht hinnehmbare wirtschaftliche, soziale und/oder ökologische Folgen für sein Hoheitsgebiet und — soweit der Mitgliedstaat dies beurteilen kann — für das Gebiet der Union, falls er sich in diesem Gebiet ansiedeln und ausbreiten würde. Diese Folgen umfassen mindestens eine oder mehrere der in Abschnitt 1 Nummer 4 Buchstaben a bis g genannten direkten Auswirkungen.

Unterabschnitt 2

1.
Identität des Schädlings

Auf den Schädling trifft das in Abschnitt 1 Nummer 1 genannte Kriterium zu.

2.
Auftreten des Schädlings im Gebiet der Union

Der Schädling kommt bislang — soweit bekannt — nicht im Gebiet der Union vor, oder es ist davon auszugehen, dass auf den Schädling in Bezug auf das Gebiet der Union die in Abschnitt 1 Nummer 2 Buchstaben b oder c genannten Bedingungen zutreffen.

3.
Wahrscheinlichkeit der Ansiedlung und der Ausbreitung des Schädlings im Gebiet der Union oder dem spezifischen Teil/den spezifischen Teilen des Gebiets der Union, in dem/denen er nicht auftritt

Den der Union vorliegenden Informationen zufolge treffen auf den Schädling in Bezug auf das Gebiet der Union die in Abschnitt 1 Nummer 3 Buchstaben b und c genannten Kriterien zu.

4.
Potenzielle ökonomische, soziale und ökologische Folgen des Schädlings

Den der Union vorliegenden Informationen zufolge hätte der Schädling nicht hinnehmbare wirtschaftliche, soziale und/oder ökologische Folgen für das Gebiet der Union, falls er sich in diesem Gebiet ansiedeln und ausbreiten würde. Diese Folgen umfassen mindestens eine oder mehrere der in Abschnitt 1 Nummer 4 Buchstaben a bis g genannten direkten Auswirkungen.

ABSCHNITT 4

1.
Identität des Schädlings

Auf den Schädling trifft das in Abschnitt 1 Nummer 1 genannte Kriterium zu.

2.
Wahrscheinlichkeit der Ausbreitung des Schädlings im Gebiet der Union

Bei einer Bewertung wird festgestellt, dass die Übertragung des Schädlings hauptsächlich über spezifische zum Anpflanzen bestimmte Pflanzen und weniger auf natürlichem Wege oder über die Verbringung von Pflanzenerzeugnissen oder anderen Gegenständen erfolgt. Diese Bewertung umfasst — soweit zutreffend — die folgenden Aspekte:
a)
Anzahl der Lebenszyklen des Schädlings bei den betreffenden Wirten;
b)
Biologie, Epidemiologie und Überleben des Schädlings;
c)
mögliche natürliche, durch Menschen unterstützte oder sonstige Wege der Übertragung des Schädlings auf den betreffenden Wirt und Effizienz des Übertragungswegs einschließlich Ausbreitungsmechanismen und Ausbreitungsrate;
d)
anschließender Sekundärbefall und anschließende Übertragung des Schädlings vom betreffenden Wirt auf andere Pflanzen und umgekehrt;
e)
klimatologische Faktoren;
f)
Kulturmethoden vor und nach der Ernte;
g)
Bodentypen;
h)
Anfälligkeit des betreffenden Wirts und relevante Entwicklungsphasen von Wirtspflanzen;
i)
Vorhandensein von Vektoren für den Schädling;
j)
Vorhandensein natürlicher Feinde und Antagonisten des Schädlings;
k)
Vorhandensein anderer für den Schädling anfälliger Wirte;
l)
Prävalenz des Schädlings im Gebiet der Union;
m)
vorgesehene Verwendung der Pflanzen.

3.
Potenzielle ökonomische, soziale und ökologische Folgen des Schädlings

Der Befall der unter Nummer 2 genannten zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen mit dem Schädling hat in Bezug auf einen oder mehrere der unter den folgenden Buchstaben genannten Sachverhalte nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen hinsichtlich der vorgesehenen Verwendung dieser Pflanzen:
a)
Ernteausfälle hinsichtlich Ertrag und Qualität;
b)
Zusatzkosten durch Bekämpfungsmaßnahmen;
c)
Zusatzkosten bei Ernte und Sortierung;
d)
Kosten durch Wiederanpflanzen;
e)
Verluste aufgrund der Notwendigkeit von Ersatzpflanzen;
f)
Auswirkungen auf bestehende Erzeugungsverfahren;
g)
Auswirkungen auf andere Wirtspflanzen am Erzeugungsort;
h)
Auswirkungen auf die Ansiedlung, die Ausbreitung und die Folgen anderer Schädlinge aufgrund der Fähigkeit des betreffenden Schädlings, als Vektor für diese anderen Schädlinge zu agieren;
i)
Auswirkungen auf Erzeugerkosten oder Input-Anforderungen, einschließlich Bekämpfungskosten sowie Tilgungs- und Eindämmungskosten;
j)
Auswirkungen auf die Gewinne der Erzeuger aufgrund der Änderung von Produktionskosten, Erträgen oder Preisniveaus;
k)
Änderungen bei der Inlands- oder Auslandsnachfrage der Verbraucher nach einem Erzeugnis aufgrund qualitativer Veränderungen;
l)
Auswirkungen auf den Inlandsmarkt und auf Ausfuhrmärkte sowie auf die gezahlten Preise;
m)
Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Fußnote(n):

(1)

Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7).

(2)

Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7).

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.