Artikel 7 VO (EU) 2017/1938
Risikobewertung
(1) Bis zum 1. September 2022 führt das ENTSOG eine unionsweite Simulation von Szenarien zum Ausfall von Gaslieferungen und Infrastrukturen durch, einschließlich Szenarien eines anhaltenden Ausfalls einer einzigen Bezugsquelle. Die Simulation schließt die Festlegung von Notgasversorgungskorridoren und deren Bewertung ein und ermittelt auch, welche Mitgliedstaaten die festgestellten Risiken, auch hinsichtlich LNG, angehen können. Die Szenarien zum Ausfall von Gaslieferungen und Infrastrukturen und die Methodik für die Simulation werden vom ENTSOG in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsgruppe „Gas” festgelegt. Das ENTSOG stellt ein angemessenes Maß an Transparenz von und Zugang zu den in den Szenarien verwendeten Modellannahmen sicher. Die unionsweite Simulation von Szenarien zum Ausfall von Gaslieferungen und Infrastrukturen wird alle vier Jahre wiederholt, soweit die Umstände nicht häufigere Aktualisierungen erforderlich machen.
(2) Die zuständigen Behörden innerhalb jeder in Anhang I aufgelisteten Risikogruppe führen auf Ebene der Risikogruppe eine gemeinsame Bewertung (im Folgenden „gemeinsame Risikobewertung” ) aller relevanten Risikofaktoren wie z. B. Naturkatastrophen und technologische, kommerzielle, soziale, politische und sonstige Risiken durch, die dazu führen könnten, dass die großen grenzüberschreitenden Risiken für die Sicherheit der Gaslieferung in der Union, für die die Risikogruppe gebildet wurde, eintreten. Die zuständigen Behörden berücksichtigen die Ergebnisse der in Absatz 1 genannten Simulation bei der Erstellung der Risikobewertung, der Präventionspläne und der Notfallpläne.
Die zuständigen Behörden innerhalb jeder Risikogruppe vereinbaren einen Mechanismus der Zusammenarbeit bei der Durchführung der gemeinsamen Risikobewertung und unterrichten die Koordinierungsgruppe „Gas” elf Monate vor der Frist für die Notifizierung der gemeinsamen Risikobewertung und ihrer Aktualisierungen. Auf Antrag einer zuständigen Behörde kann die Kommission bei der Ausarbeitung der gemeinsamen Risikobewertung, insbesondere bei der Einrichtung des Mechanismus der Zusammenarbeit, die Rolle eines Moderators übernehmen. Erzielen die zuständigen Behörden innerhalb einer Risikogruppe keine Einigung über den Mechanismus der Zusammenarbeit, so schlägt die Kommission nach Konsultation der betroffenen zuständigen Behörden einen Mechanismus der Zusammenarbeit für diese Risikogruppe vor. Die betroffenen zuständigen Behörden vereinbaren einen Mechanismus der Zusammenarbeit für diese Risikogruppe unter weitestgehender Berücksichtigung des Vorschlags der Kommission.
Zehn Monate vor der Frist für die Notifizierung der gemeinsamen Risikobewertung oder ihrer Aktualisierungen verbreitet und aktualisiert jede zuständige Behörde im Rahmen des vereinbarten Mechanismus der Zusammenarbeit alle nationalen Daten, die für die Ausarbeitung der gemeinsamen Risikobewertung erforderlich sind, insbesondere für das Durchspielen der verschiedenen in Absatz 4 Buchstabe c genannten Szenarien.
(3) Die zuständige Behörde jedes Mitgliedstaats führt eine nationale Risikobewertung (im Folgenden „nationale Risikobewertung” ) aller relevanten Risiken, die sich auf die Sicherheit der Gasversorgung auswirken, durch. Diese Bewertung erfolgt in vollständigem Einklang mit den Annahmen und Ergebnissen der gemeinsamen Risikobewertung(en).
(4) Bei den in den Absätzen 2 und 3 genannten Risikobewertungen werden, falls einschlägig
- a)
- die in den Artikeln 5 und 6 angegebenen Standards verwendet. Die Risikobewertung enthält die Beschreibung der Berechnung der N – 1-Formel auf nationaler Ebene und gegebenenfalls eine Berechnung der N – 1-Formel auf regionaler Ebene. Die Risikobewertung enthält ferner die zugrunde gelegten Annahmen, gegebenenfalls auch für die Berechnung der N – 1-Formel auf regionaler Ebene, und die für eine solche Berechnung notwendigen Daten. Die Berechnung der N – 1-Formel auf nationaler Ebene wird ergänzt durch eine Simulation des Ausfalls der größten einzelnen Gasinfrastruktur anhand einer hydraulischen Modellierung für das nationale Hoheitsgebiet sowie durch eine Berechnung der N – 1-Formel bei einer angenommenen Gasmenge in Speichern von 30 % und 100 % des maximalen Arbeitsvolumens;
- b)
- alle relevanten nationalen und grenzüberschreitenden Gegebenheiten berücksichtigt, insbesondere Marktvolumen, Netzkonfiguration, tatsächliche Gasflüsse einschließlich Gasflüssen aus den betroffenen Mitgliedstaaten, die Möglichkeit physischer Gasflüsse in beide Richtungen einschließlich der möglichen, daraus folgenden Notwendigkeit einer Stärkung des Fernleitungsnetzes, das Vorhandensein von Erzeugung und Speicherung und die Rolle von Gas im Energiemix, insbesondere hinsichtlich Fernwärme und Stromerzeugung und zum Betrieb von Industrieanlagen, sowie Sicherheitserwägungen und Erwägungen zur Gasqualität;
- c)
-
verschiedene Szenarien mit außergewöhnlich hoher Gasnachfrage und Störung der Gasversorgung simuliert, wobei die Vorgeschichte, die Wahrscheinlichkeit, die Jahreszeit, die Häufigkeit und die Dauer ihres Auftretens berücksichtigt werden und ihre wahrscheinlichen Konsequenzen bewertet werden, z. B.:
- i)
- Ausfall der für die Gasversorgungssicherheit relevanten Infrastruktur, insbesondere der Fernleitungsinfrastruktur, Speicher oder LNG-Terminals, einschließlich der für die Berechnung der N – 1-Formel ermittelten größten Gasinfrastruktur, und
- ii)
- Unterbrechung der Lieferungen aus Drittländern sowie gegebenenfalls geopolitische Risiken;
- d)
- die Interaktion und Risikokorrelation mit den Mitgliedstaaten in der Risikogruppe sowie gegebenenfalls anderen Mitgliedstaaten oder anderen Risikogruppen ermittelt, auch hinsichtlich Verbindungsleitungen, grenzüberschreitender Lieferungen, des grenzüberschreitenden Zugangs zu Speicheranlagen und der bidirektionalen Kapazitäten;
- e)
- die Risiken berücksichtigt, die mit der Steuerung der Infrastruktur, die für eine sichere Gasversorgung relevant ist, einhergehen, soweit sie unter anderem Risiken wie unzureichende Investitionen, die Aushöhlung der Diversifizierung, den Missbrauch vorhandener Infrastruktur oder Verstöße gegen das Unionsrecht einschließen können;
- f)
- die Höchstkapazität der Verbindungsleitungen an jedem Grenzein- und -ausspeisepunkt und die verschiedenen Füllstände der Speicher berücksichtigt;
- g)
- unter Berücksichtigung von Szenarien eines anhaltenden Ausfalls einer einzigen Bezugsquelle.
(5) Die gemeinsamen und einzelstaatlichen Risikobewertungen sind gemäß der entsprechenden Vorlage in Anhang IV oder Anhang V auszuarbeiten. Die Mitgliedstaaten können erforderlichenfalls weitere Angaben einfügen. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, nach Konsultation der Koordinierungsgruppe „Gas” gemäß Artikel 19 delegierte Rechtsakte zur Änderung der in den Anhängen IV und V festgelegten Vorlagen zu erlassen, um den bei der Anwendung dieser Verordnung gesammelten Erfahrungen Rechnung zu tragen und den Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten zu verringern.
(6) Erdgasunternehmen, gewerbliche Gaskunden, die einschlägigen Organisationen, die die Interessen der Haushaltskunden und der gewerblichen Gaskunden vertreten, sowie die Mitgliedstaaten und die nationalen Regulierungsbehörden, sofern sie nicht mit der zuständigen Behörde identisch sind, arbeiten mit den zuständigen Behörden zusammen und stellen ihnen auf Antrag alle Informationen zur Verfügung, die für die gemeinsamen und einzelstaatlichen Risikobewertungen notwendig sind.
(7) Die Mitgliedstaaten notifizieren der Kommission bis zum 1. Oktober 2018 die erste gemeinsame Risikobewertung, sobald alle Mitgliedstaaten in der Risikogruppe mit der ersten gemeinsamen Risikobewertung einverstanden sind, zusammen mit den nationalen Risikobewertungen. Die Risikobewertungen werden danach alle vier Jahre aktualisiert, soweit die Umstände nicht häufigere Aktualisierungen erforderlich machen. Die Risikobewertungen tragen den Fortschritten bei den Investitionen Rechnung, die erforderlich sind, um dem in Artikel 5 definierten Infrastrukturstandard sowie länderspezifischen Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung neuer Alternativlösungen auftreten, gerecht zu werden. Sie bauen auch auf den Erfahrungen auf, die durch die Simulation der in Artikel 10 Absatz 3 vorgesehenen Notfallpläne erworben wurden.
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