Artikel 35 VO (EU) 2017/390

Steuerung des Innertagesliquiditätsrisikos

(1) Für jede Währung eines der Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme, für die der Bankdienstleister eines Zentralverwahrers als Verrechnungsstelle fungiert, wird er die folgenden Punkte durchführen:

a)
Schätzung der Innertagesliquiditätszuflüsse und -abflüsse für alle erbrachten bankartigen Nebendienstleistungen;
b)
Prognose des Zeitablaufs dieser Innertagesflüsse;
c)
Vorhersage des Innertagesliquiditätsbedarfs, der zu verschiedenen Tageszeiten entstehen kann.

(2) Für jede Währung eines der Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme, für die der Bankdienstleister eines Zentralverwahrers als Verrechnungsstelle fungiert, wird er die folgenden Punkte durchführen:

a)
Er trägt Sorge, dass ausreichend Innertagesmittel erworben werden, um die Innertagesziele zu erreichen, die sich aus der in Absatz 1 genannten Analyse ergeben;
b)
er steuert und bereitet die unmittelbare Liquidation der Sicherheiten vor, die notwendig ist, um die Innertagesmittel in angespannten Situationen zu erhalten, wobei er die Sicherheitsabschläge nach Artikel 13 und Konzentrationsgrenzen nach Artikel 14 berücksichtigt;
c)
er steuert den Zeitablauf der Liquiditätsabflüsse im Einklang mit seinen Innertageszielen;
d)
er trifft Vorkehrungen für unerwartete Unterbrechungen der Innertagesliquiditätsflüsse.

(3) Zur Erfüllung der Anforderung hinsichtlich der Mindestausstattung mit zulässigen liquiden Mitteln identifiziert und steuert ein Bankdienstleister eines Zentralverwahrers die Risiken, denen er sich nach dem Ausfall von mindestens zwei Teilnehmern, einschließlich deren Mutterunternehmen und Tochterunternehmen, gegenübersehen würde, gegenüber denen die größten Liquiditätsrisikopositionen bestehen.

(4) Der Bankdienstleister eines Zentralverwahrers gibt für das Risiko von in Absatz 2 Buchstabe d genannten unerwarteten Unterbrechungen der Innertagesliquiditätsflüsse extreme aber plausible Szenarien an, einschließlich gegebenenfalls der in Artikel 36 Absatz 7 identifizierten Szenarien, die auf mindestens einem der Folgenden beruhen:

a)
einer Reihe historischer Szenarien, einschließlich der Zeiträume extremer Marktbewegungen, die in den letzten 30 Jahren oder solange verlässliche Daten verfügbar sind, beobachtet wurden, welche den Bankdienstleister eines Zentralverwahrers dem größten finanziellen Risiko ausgesetzt hätten, es sei denn, der Bankdienstleister eines Zentralverwahrers belegt, dass das erneute Auftreten eines historischen Beispiels großer Preisschwankungen nicht plausibel ist;
b)
einer Reihe von potenziellen zukünftigen Szenarien, die die folgenden Bedingungen erfüllen:

i)
Sie stützen sich auf stetige Annahmen bezüglich der Marktvolatilität sowie markt- und finanzinstrumentübergreifenden Preiskorrelation;
ii)
sie beruhen sowohl auf quantitativen als auch qualitativen Bewertungen der potenziellen Marktbedingungen, einschließlich der Störungen und Verwerfungen bzw. Unregelmäßigkeiten bei der Zugänglichkeit von Märkten, ebenso wie auf Rückgängen des Liquidationswertes der Sicherheiten und einer verminderten Marktliquidität, wenn Sachdividenden als Sicherheiten akzeptiert wurden.

(5) Für die Zwecke von Absatz 2 berücksichtigen Bankdienstleister von Zentralverwahrern auch das Folgende:

a)
Aufbau und Funktionsweise des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers, einschließlich in Verbindung mit den in Artikel 30 Absatz 2 genannten Unternehmen und verbundenen Finanzmarktinfrastrukturen oder sonstigen Unternehmen, die ein erhebliches Liquiditätsrisiko für den Bankdienstleister eines Zentralverwahrers darstellen können und gegebenenfalls einen mehrtägigen Zeitraum abdecken;
b)
alle engen Beziehungen oder ähnlichen Risikopositionen zwischen den Teilnehmern des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers, auch zwischen den Teilnehmern und ihrem Mutterunternehmen und ihren Tochterunternehmen;
c)
eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit mehrfacher Ausfälle der Teilnehmer und der möglicherweise durch solche Ausfälle hervorgerufenen Wirkungen unter den Teilnehmern;
d)
die Auswirkung von in Buchstabe c genannten mehrfachen Ausfällen auf den Cashflow des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers und auf dessen Liquiditätsdeckungspotenzial sowie Überlebenshorizont;
e)
ob die Modellierung die unterschiedlichen Auswirkungen widerspiegelt, die eine wirtschaftliche Belastung auf die Vermögenswerte sowie die Liquiditätszuflüsse und -abflüsse des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers haben kann.

(6) Die Reihe von historischen und hypothetischen Szenarien, die zur Identifizierung extremer aber plausibler Marktbedingungen verwendet werden, sind vom Bankdienstleister eines Zentralverwahrers und gegebenenfalls in Absprache mit dem Risikoausschuss des Zentralverwahrers mindestens einmal jährlich zu überprüfen. Solche Szenarien sind häufiger zu prüfen, wenn Marktentwicklungen oder die Geschäfte des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers die den Szenarien zugrunde liegenden Annahmen auf eine Weise beeinträchtigen, die eine Anpassung solcher Szenarien notwendig macht.

(7) Der Liquiditätsrisikorahmen berücksichtigt das Ausmaß, in dem extreme Preisschwankungen bei Sicherheiten oder Vermögenswerten auf mehreren identifizierten Märkten zeitgleich auftreten könnten, quantitativ und qualitativ. Der Rahmen trägt der Tatsache Rechnung, dass historische Preiskorrelationen bei extremen aber plausiblen Marktbedingungen unter Umständen nicht mehr gelten. Bankdienstleister von Zentralverwahrern berücksichtigen in ihren in diesem Artikel vorgesehenen Stresstests auch ihre externen Abhängigkeiten.

(8) Bankdienstleister von Zentralverwahrern identifizieren, wie die in Artikel 30 Absatz 1 genannten Parameter für die Überwachung der Innertagesrisiken zur Berechnung des angemessenen Wertes der benötigten Innertagesmittel verwendet werden. Sie entwickeln einen internen Rahmen zur Bestimmung eines vorsichtigen Wertes der liquiden Aktiva, die für ihr Innertagesrisiko als ausreichend erachtet werden, hierzu gehören insbesondere:

a)
eine zeitnahe Überwachung der liquiden Aktiva, einschließlich der Qualität der Aktiva, ihrer Konzentration und ihrer unmittelbaren Verfügbarkeit;
b)
angemessene Richtlinie zur Überwachung der Marktbedingungen, die sich auf die Liquidität der zulässigen liquiden Innertagesmittel auswirken können;
c)
Wert der zulässigen liquiden Innertagesmittel, die unter angespannten Marktbedingungen, einschließlich der in Artikel 36 Absatz 7 genannten Szenarien, bewertet und kalibriert werden.

(9) Die Bankdienstleister von Zentralverwahrern stellen sicher, dass ihre liquiden Aktiva der Kontrolle einer konkreten Liquiditätsmanagementfunktion unterstehen.

(10) Der Liquiditätsrisikorahmen des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers sieht angemessene Regelungen für die Unternehmensführung hinsichtlich der Höhe und Form der zulässigen liquiden Gesamtmittel vor, die der Bankdienstleister eines Zentralverwahrers hält, ebenso wie eine angemessene einschlägige Dokumentation und insbesondere einen der folgenden Punkte:

a)
Platzierung der liquiden Aktiva auf einem separaten Konto, das direkt von der Liquiditätsmanagementfunktion verwaltet wird, welche ausschließlich in Stressphasen als eventuelle Finanzierungsquelle verwendet werden dürfen;
b)
Errichtung interner Systeme und Kontrollen, damit die Liquiditätsmanagementfunktion eine wirksame operationelle Kontrolle erhält, um die beiden folgenden Punkte durchzuführen:

i)
Liquidation der Positionen von liquiden Aktiva zu irgendeinem Zeitpunkt in der Stressphase;
ii)
Zugang zu den eventuellen Mitteln, ohne mit den bestehenden Geschäfts- oder Risikomanagementstrategien in Widerspruch zu geraten, sodass keine Aktiva im Liquiditätspuffer enthalten sind, wenn ihre Veräußerung ohne Ersatz in der Stressphase eine über den internen Grenzen des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers liegende offene Risikoposition schaffen würde;

c)
eine Kombination aus den in den Buchstaben a und b festgelegten Anforderungen, wenn eine solche Kombination ein vergleichbares Ergebnis garantiert.

(11) Die in diesem Artikel festgelegten Anforderungen bezüglich des Liquiditätsrisikorahmens des Bankdienstleisters eines Zentralverwahrers finden gegebenenfalls auch auf grenzüberschreitende Risikopositionen in mehreren Währungen Anwendung.

(12) Bankdienstleister von Zentralverwahrern prüfen die in den Absätzen 2, 3 und 11 erläuterten Verfahren mindestens einmal jährlich, wozu sie alle einschlägigen Marktentwicklungen ebenso wie den Umfang und die Konzentration der Risikopositionen berücksichtigen.

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