Artikel 65 VO (EU) 2018/1240

Übermittlung personenbezogener Daten an Drittstaaten, internationale Organisationen und private Stellen

(1) Im ETIAS-Zentralsystem gespeicherte personenbezogene Daten dürfen nicht an Drittstaaten, internationale Organisationen oder private Stellen übermittelt oder diesen zur Verfügung gestellt werden; hiervon ausgenommen ist die Übermittlung an Interpol zum Zwecke einer automatisierten Antragsbearbeitung im Sinne des Artikels 20 Absatz 2 Buchstaben b und l. Die Übermittlung personenbezogener Daten an Interpol unterliegt den Bestimmungen des Artikels 9 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001.

(2) Personenbezogene Daten, auf die von einem Mitgliedstaat oder Europol über das ETIAS-Zentralsystem zu den in Artikel 1 Absatz 2 genannten Zwecken zugegriffen wird, dürfen nicht an Drittstaaten, internationale Organisationen oder private Stellen übermittelt oder diesen zur Verfügung gestellt werden. Dieses Verbot gilt auch, wenn diese Daten auf nationaler Ebene oder zwischen Mitgliedstaaten weiterverarbeitet werden.

(3) Wenn dies zum Zweck der Rückkehr erforderlich ist, können die Einwanderungsbehörden abweichend von Artikel 49 dieser Verordnung für die Abfrage von Daten, die an ein Drittland übermittelt werden sollen, in Einzelfällen nur dann auf das ETIAS-Zentralsystem zugreifen, wenn alle nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

a)
zuvor wurde im EES eine Abfrage gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) 2017/2226 durchgeführt und
b)
diese Abfrage ergibt, dass das EES keine Daten über den zurückzuführenden Drittstaatsangehörigen enthält.

Erforderlichenfalls wird die Erfüllung dieser Bedingungen durch Heranziehung der Protokolle gemäß Artikel 46 der Verordnung (EU) 2017/2226 überprüft, die sich auf die in Unterabsatz 1 Buchstabe a des vorliegenden Artikels genannte Abfrage und die in Buchstaben b jenes Unterabsatzes genannte Antwort beziehen.

Sind diese Bedingungen erfüllt, erhalten die Einwanderungsbehörden Zugang zum ETIAS-Zentralsystem zur Abfrage aller oder eines Teils der in Artikel 17 Absatz 2 Buchstaben a bis e der vorliegenden Verordnung genannten Daten. Entspricht ein ETIAS-Antragsdatensatz diesen Daten, erhalten die Einwanderungsbehörden Zugriff auf Daten im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 Buchstaben a bis g der vorliegenden Verordnung und — bei Minderjährigen — Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe k.

Abweichend von Absatz 1des vorliegenden Artikels dürfen personenbezogene Daten, auf die die Einwanderungsbehörden über das ETIAS-Zentralsystem zugreifen, in Einzelfällen einem Drittstaat übermittelt werden, wenn dies zum Nachweis der Identität von Drittstaatsangehörigen lediglich zum Zweck der Rückkehr notwendig ist, jedoch nur, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

a)
Die Kommission hat einen Beschluss über das angemessene Schutzniveau für personenbezogene Daten in diesem Drittstaat gemäß Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 erlassen;
b)
es bestehen — wie etwa durch ein in Kraft befindliches Rückübernahmeabkommen zwischen der Union oder einem Mitgliedstaat und dem betreffenden Drittstaat — geeignete Garantien im Sinne des Artikels 46 der Verordnung (EU) 2016/679;
c)
es gilt Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2016/679.

Die Daten nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstaben a, aa, b, d, e und f der vorliegenden Verordnung dürfen nur übermittelt werden, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)
Die Übermittlung der Daten erfolgt gemäß den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts — insbesondere Vorschriften in Bezug auf den Datenschutz, einschließlich des Kapitels V der Verordnung (EU) 2016/679 — und der Rückübernahmeabkommen sowie des nationalen Rechts des Mitgliedstaats, der die Daten übermittelt;
b)
der Drittstaat hat zugestimmt, die Daten nur zu den Zwecken, zu denen sie zur Verfügung gestellt wurden, zu verarbeiten; und
c)
in Bezug auf den betreffenden Drittstaatsangehörigen ist eine Rückkehrentscheidung gemäß der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(1) erlassen worden, sofern die Vollstreckung einer solchen Rückkehrentscheidung nicht ausgesetzt wurde und kein möglicherweise zur Aussetzung ihrer Vollstreckung führendes Rechtsmittel eingelegt wurde.

(4) Übermittlungen personenbezogener Daten an Drittstaaten gemäß Absatz 3 berühren nicht die Rechte von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben oder genießen, insbesondere hinsichtlich der Nichtzurückweisung.

(5) Abweichend von Absatz 2 des vorliegenden Artikels dürfen die Daten im Sinne des Artikels 52 Absatz 4, auf die von den zu den Zwecken des Artikels 1 Absatz 2 benannten Behörden über das ETIAS-Zentralsystem zugegriffen wird, von der benannten Behörde im Einzelfall nur dann einem Drittstaat übermittelt oder zur Verfügung gestellt werden, wenn alle nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

a)
Es liegt ein dringender Ausnahmefall vor, in dem

i)
eine unmittelbare Gefahr im Zusammenhang mit einer terroristischen Straftat besteht oder
ii)
das Leben einer Person in Zusammenhang mit einer schweren Straftat unmittelbar bedroht ist;

b)
die Übermittlung der Daten ist zur Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung einer solchen terroristischen bzw. schweren Straftat im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder in dem betreffenden Drittstaat notwendig;
c)
die benannte Behörde erhält nach dem Verfahren und den Bedingungen gemäß den Artikeln 51 und 52 Zugriff auf diese Daten;
d)
die Übermittlung erfolgt im Einklang mit den geltenden Bedingungen gemäß der Richtlinie (EU) 2016/680, insbesondere ihres Kapitels V;
e)
es wurde ein ordnungsgemäß begründetes schriftliches oder elektronisches Ersuchen seitens des Drittstaats vorgelegt;
f)
es ist gewährleistet, dass alle im Besitz des ersuchenden Drittstaats befindlichen Informationen in Reisegenehmigungssystemen im Gegenzug auch den am ETIAS-Betrieb beteiligten Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.

Erfolgt eine Übermittlung gemäß Unterabsatz 1 dieses Absatzes, so wird diese dokumentiert, und die Dokumentation, einschließlich Datum und Uhrzeit der Übermittlung, Angaben zur empfangenden zuständigen Behörde, Begründung der Übermittlung und übermittelte personenbezogene Daten, wird der gemäß Artikel 41 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 errichteten Aufsichtsbehörde auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

Fußnote(n):

(1)

Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98).

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