Artikel 18 VO (EU) 2021/23

Frühinterventionsmaßnahmen

(1) Verstößt eine CCP gegen die Eigenkapitalanforderungen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 oder droht sie in naher Zukunft dagegen zu verstoßen oder stellt sie ein Risiko für die Finanzstabilität in der Union oder in einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten dar oder hat die zuständige Behörde festgestellt, dass andere Hinweise auf eine sich abzeichnende Krise vorliegen, die sich auf die Tätigkeiten der CCP — insbesondere auf ihre Fähigkeit zur Erbringung von Clearingdiensten — auswirken könnte, so kann die zuständige Behörde

a)
von der CCP gemäß Artikel 9 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung eine Aktualisierung des Sanierungsplans verlangen, wenn sich die Umstände, die das frühzeitige Eingreifen erfordern, von den im ursprünglichen Sanierungsplan enthaltenen Annahmen unterscheiden;
b)
von der CCP innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens die Umsetzung einer oder mehrerer der im Sanierungsplan festgehaltenen Vereinbarungen oder Maßnahmen verlangen. Bei einer Aktualisierung des Plans gemäß Buchstabe a müssen diese Vereinbarungen oder Maßnahmen auch alle etwaigen aktualisierten Vereinbarungen oder Maßnahmen umfassen;
c)
von der CCP die Ermittlung der Ursachen des in Absatz 1 genannten Verstoßes oder voraussichtlichen Verstoßes und die Aufstellung eines Aktionsprogramms samt geeigneter Maßnahmen und Fristen verlangen;
d)
von der CCP die Einberufung einer Versammlung ihrer Anteilseigner verlangen oder — sollte die CCP dieser Aufforderung nicht nachkommen — diese Versammlung selbst einberufen. In beiden Fällen wird die Tagesordnung von der zuständigen Behörde festgelegt, wozu auch die Beschlüsse zählen, die den Anteilseignern zur Annahme vorgelegt werden sollen;
e)
die Entlassung oder Ersetzung eines oder mehrerer Mitglieder des Leitungsorgans oder der Geschäftsleitung verlangen, wenn eines dieser Mitglieder als nicht geeignet betrachtet wird, die in Artikel 27 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Pflichten zu erfüllen;
f)
eine Änderung der Geschäftsstrategie der CCP verlangen;
g)
eine Änderung der rechtlichen oder operativen Strukturen der CCP verlangen;
h)
der Abwicklungsbehörde alle für die Aktualisierung des Sanierungsplans der CCP notwendigen Angaben vorlegen, um die mögliche Abwicklung der CCP und die Bewertung ihrer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten gemäß Artikel 24 der vorliegenden Verordnung vorzubereiten, wozu auch alle im Rahmen von Vor-Ort-Prüfungen möglicherweise erlangten Angaben zählen;
i)
erforderlichenfalls gemäß Absatz 4 von der CCP die Durchführung ihrer Sanierungsmaßnahmen verlangen;
j)
von der CCP verlangen, von der Durchführung bestimmter Sanierungsmaßnahmen abzusehen, falls die zuständige Behörde festgestellt hat, dass die Durchführung dieser Maßnahmen die Finanzstabilität in der Union oder in einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnte;
k)
von der CCP die zügige Wiederauffüllung ihrer Finanzmittel verlangen, damit diese ihre Eigenkapitalanforderungen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt bzw. weiterhin erfüllt;
l)
von der CCP verlangen, die Clearingmitglieder anzuweisen, ihre Kunden zur direkten Teilnahme an von der CCP organisierten Versteigerungen einzuladen, wenn die Art der Versteigerung eine solche außerordentliche Teilnahme rechtfertigt. Die Clearingmitglieder informieren ihre Kunden entsprechend den Anweisungen der CCP umfassend über die Versteigerung. Insbesondere gibt die CCP die Frist an, nach deren Ablauf eine Teilnahme an der Versteigerung nicht mehr möglich sein wird. Die Kunden unterrichten die CCP vor Ablauf dieser Frist auf direktem Wege über ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Versteigerung. Die CCP erleichtert diesen Kunden anschließend die Gebotsabgabe. Ein Kunde wird nur dann zur Teilnahme an der Versteigerung zugelassen, wenn er gegenüber der CCP nachweisen kann, dass er mit einem Clearingmitglied eine angemessene vertragliche Beziehung zur Ausführung und zum Clearing der Transaktionen, die sich aus der Versteigerung ergeben können, eingegangen ist;
m)
die etwaige Vergütung für Eigenkapital und Instrumente, die als Eigenkapital behandelt werden, einschließlich Dividendenzahlungen und Rückkäufen durch die CCP, beschränken oder untersagen, so weit dies möglich ist, ohne dass ein Ausfallereignis ausgelöst wird, und sie kann Zahlungen für variable Vergütungen im Sinne der Vergütungspolitik der CCP nach Artikel 26 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, freiwillige Rentenleistungen oder Abfindungen, die für die Geschäftsleitung im Sinne von Artikel 2 Nummer 29 der genannten Verordnung bestimmt sind, beschränken, untersagen oder einfrieren.

(2) Die zuständige Behörde setzt für jede dieser Maßnahmen gemäß Absatz 1 eine angemessene Frist und beurteilt nach Einleitung der Maßnahmen deren Wirksamkeit.

(3) Die zuständige Behörde darf von den in Absatz 1 Buchstaben a bis m genannten Maßnahmen nur Gebrauch machen, wenn sie zuvor deren Auswirkungen in Mitgliedstaaten, in denen die CCP tätig ist oder Dienstleistungen erbringt, Rechnung getragen hat und die einschlägigen zuständigen Behörden unterrichtet hat, was insbesondere dann gilt, wenn die Tätigkeiten der CCP für die lokalen Finanzmärkte, einschließlich der Orte, an denen mit Clearingmitgliedern verbundene Handelsplätze und FMI niedergelassen sind, kritisch oder wichtig sind.

(4) Die zuständige Behörde darf von der in Absatz 1 Buchstabe i genannten Maßnahme nur Gebrauch machen, wenn diese im öffentlichen Interesse liegt und zur Erreichung eines der nachstehend genannten Ziele erforderlich ist:

a)
Aufrechterhaltung der Finanzstabilität in der Union oder in einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten;
b)
Aufrechterhaltung der Kontinuität der kritischen Funktionen der CCP und des transparenten und diskriminierungsfreien Zugangs zu diesen kritischen Funktionen;
c)
Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der finanziellen Widerstandsfähigkeit der CCP.

Bei Maßnahmen, die mit der Übertragung von Eigentum, Rechten oder Verbindlichkeiten einer anderen CCP verbunden sind, macht die zuständige Behörde nicht von der in Absatz 1 Buchstabe i genannten Maßnahme Gebrauch.

(5) Verwendet eine CCP in den Ausfallfonds eingezahlte Beiträge der nicht ausgefallenen Clearingmitglieder gemäß Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, so teilt sie dies der zuständigen Behörde und der Abwicklungsbehörde unverzüglich mit und legt dar, ob dies auf Schwächen oder Probleme ihrerseits zurückzuführen ist.

(6) Ist eine oder sind mehrere der in Absatz 1 genannten Bedingungen erfüllt, so teilt die zuständige Behörde dies der ESMA und der Abwicklungsbehörde mit und konsultiert das Aufsichtskollegium zu den Maßnahmen gemäß Absatz 1.

Nach diesen Mitteilungen und der Konsultation des Aufsichtskollegiums entscheidet die zuständige Behörde, ob eine der in Absatz 1 genannten Maßnahmen zur Anwendung kommen soll. Die zuständige Behörde teilt dem Aufsichtskollegium, der Abwicklungsbehörde und der ESMA die Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen mit.

(7) Im Anschluss an die in Absatz 6 Unterabsatz 1 des vorliegenden Artikels genannte Mitteilung kann die Abwicklungsbehörde von der CCP verlangen, zur Vorbereitung ihrer Abwicklung vorbehaltlich der in Artikel 41 genannten Bedingungen und der in Artikel 73 festgelegten Geheimhaltungsbestimmungen potenzielle Käufer zu kontaktieren.

(8) Die ESMA gibt bis zum 12. Februar 2022 Leitlinien gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 heraus, um eine kohärente Anwendung der Auslösebedingungen für den Rückgriff auf die Maßnahmen nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels zu fördern.

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