Artikel 27 VO (EU) 2021/23

Allgemeine Bestimmungen für Abwicklungsinstrumente

(1) Die Abwicklungsbehörden treffen Abwicklungsmaßnahmen nach Artikel 21, indem sie die folgenden Abwicklungsinstrumente einzeln oder in beliebiger Kombination anwenden:

a)
die Instrumente der Positions- und Verlustzuweisung;
b)
das Instrument der Herabschreibung und Umwandlung;
c)
das Instrument der Unternehmensveräußerung;
d)
das Instrument der Brücken-CCP.

(2) Im Fall einer Systemkrise kann ein Mitgliedstaat als letztes Mittel durch Anwendung staatlicher Stabilisierungsinstrumente gemäß den Artikeln 45, 46 und 47 vorbehaltlich der vorherigen und abschließenden Genehmigung nach dem Rechtsrahmen der Union für staatliche Beihilfen eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln bereitstellen, sofern glaubwürdige Vereinbarungen zur zügigen und vollständigen Rückzahlung der bereitgestellten Mittel gemäß Absatz 10 des vorliegenden Artikels getroffen wurden.

(3) Vor Anwendung der Instrumente nach Absatz 1 sorgt die Abwicklungsbehörde für die Durchsetzung

a)
aller bestehenden und ausstehenden Rechte der CCP, einschließlich jeglicher vertraglicher Verpflichtungen von Clearingmitgliedern zur Erfüllung von Sanierungsbarmittelabrufen, zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel an die CCP oder zur Übernahme von Positionen ausfallender Clearingmitglieder im Rahmen einer Auktion oder anderer in den Betriebsvorschriften der CCP vereinbarter Möglichkeiten;
b)
aller bestehenden und ausstehenden vertraglichen Verpflichtungen, aufgrund derer andere Parteien als Clearingmitglieder zu einer Form der finanziellen Unterstützung verpflichtet sind.

Die Abwicklungsbehörde kann die vertraglichen Verpflichtungen nach den Buchstaben a und b teilweise durchsetzen, wenn es nicht möglich ist, diese vertraglichen Verpflichtungen innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens vollständig durchzusetzen.

(4) Abweichend von Absatz 3 kann die Abwicklungsbehörde von der teilweisen oder vollständigen Durchsetzung der bestehenden und ausstehenden vertraglichen Verpflichtungen absehen, um eine erhebliche Beeinträchtigung des Finanzsystems oder eine ausgedehnte Ansteckung zu vermeiden oder wenn die Anwendung der in Absatz 1 genannten Instrumente besser geeignet ist, die Abwicklungsziele zügig zu erreichen.

(5) Sieht die Abwicklungsbehörde gemäß Absatz 3 Unterabsatz 2 oder Absatz 4 des vorliegenden Artikels teilweise oder vollständig von der Durchsetzung bestehender und ausstehender Verpflichtungen ab, so kann die Abwicklungsbehörde die verbleibenden Verpflichtungen innerhalb von achtzehn Monaten, seitdem die CCP gemäß Artikel 22 als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend angesehen wird, unter der Voraussetzung durchsetzen, dass die Gründe für das Absehen von der Durchsetzung dieser Verpflichtungen nicht mehr vorliegen. Die Abwicklungsbehörde unterrichtet das Clearingmitglied und die andere Partei drei bis sechs Monate vor der Durchsetzung der verbleibenden Verpflichtung. Die Erlöse aus den durchgesetzten verbleibenden Verpflichtungen werden zur Einziehung der eingesetzten öffentlichen Mittel verwendet.

Die Abwicklungsbehörde stellt nach Konsultation der zuständigen Behörden und Abwicklungsbehörden der betroffenen Clearingmitglieder und aller anderen Parteien, die durch bestehende und ausstehende Verpflichtungen gebunden sind, fest, ob die Gründe für das Absehen von der Durchsetzung der bestehenden und ausstehenden Verpflichtungen nicht mehr bestehen und ob verbleibende Verpflichtungen durchgesetzt werden sollen. Weicht die Abwicklungsbehörde von den Stellungnahmen der konsultierten Behörden ab, so begründet sie dies hinreichend in schriftlicher Form.

Die Anforderung, den verbleibenden Verpflichtungen unter den in diesem Absatz genannten Umständen nachzukommen, wird in die Vorschriften und sonstigen vertraglichen Vereinbarungen der CCP aufgenommen.

(6) Die Abwicklungsbehörde kann von der CCP verlangen, nicht ausfallende Clearingmitglieder für ihre Verluste aus der Anwendung von Instrumenten der Verlustzuweisung zu entschädigen, wenn jene Verluste über diejenigen hinausgehen, die das nicht ausfallende Clearingmitglied im Rahmen seiner Verpflichtungen nach den Betriebsvorschriften der CCP getragen hätte, vorausgesetzt, das nicht ausfallende Clearingmitglied hätte Anspruch auf die Auszahlung des Differenzbetrags nach Artikel 62 gehabt.

Die Entschädigung nach Unterabsatz 1 kann in Form von Eigentumstiteln, Schuldtiteln oder Instrumenten, die einen Anspruch auf die künftigen Gewinne der CCP begründen, erfolgen.

Der Betrag der an jedes betroffene nicht ausfallende Clearingmitglied ausgegebenen Instrumente steht in einem angemessenen Verhältnis zu dem übermäßigen Verlust nach Unterabsatz 1. Er trägt allen ausstehenden vertraglichen Verpflichtungen der Clearingmitglieder gegenüber der CCP Rechnung und wird von einem etwaigen Anspruch auf Auszahlung des Differenzbetrags nach Artikel 62 abgezogen.

Der Betrag der Instrumente basiert auf der gemäß Artikel 24 Absatz 3 vorgenommenen Bewertung.

(7) Wird eines der staatlichen Stabilisierungsinstrumente angewandt, so übt die Abwicklungsbehörde die Befugnis zur Herabschreibung und Umwandlung von Eigentumstiteln und Schuldtiteln oder anderen unbesicherten Verbindlichkeiten vor oder zeitgleich mit der Anwendung des staatlichen Stabilisierungsinstruments aus.

Führt die Anwendung eines anderen Abwicklungsinstruments als des Instruments der Herabschreibung und Umwandlung zu finanziellen Verlusten für die Clearingmitglieder, so übt die Abwicklungsbehörde die Befugnis zur Herabschreibung und Umwandlung von Eigentumstiteln und Schuldtiteln oder anderen unbesicherten Verbindlichkeiten unmittelbar vor oder zeitgleich mit der Anwendung des Abwicklungsinstruments aus, es sei denn, durch die Verfolgung einer anderen Reihenfolge würde die Abweichung von dem Grundsatz „keine Schlechterstellung von Gläubigern” nach Artikel 60 minimiert und würden die Abwicklungsziele besser erreicht.

(8) Werden nur die in Absatz 1 Buchstaben c und d des vorliegenden Artikels genannten Abwicklungsinstrumente angewandt und die Vermögenswerte, Rechte, Verpflichtungen oder Verbindlichkeiten der in Abwicklung befindlichen CCP nur teilweise gemäß den Artikeln 40 und 42 übertragen, so wird der verbleibende Teil dieser CCP nach dem regulären Insolvenzverfahren abgewickelt.

(9) Die Vorschriften des nationalen Insolvenzrechts über die Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit von Rechtshandlungen zum Nachteil von Gläubigern gelten nicht für die Übertragung von Vermögenswerten, Rechten, Verpflichtungen oder Verbindlichkeiten einer CCP, auf die Abwicklungsinstrumente oder staatliche Stabilisierungsinstrumente angewandt werden.

(10) Die Mitgliedstaaten ziehen als bevorrechtigter Gläubiger über einen angemessenen Zeitraum alle öffentlichen Mittel ein, auf die als staatliche Stabilisierungsinstrumente nach Abschnitt 7 dieses Kapitels zurückgegriffen wurde, und die Abwicklungsbehörden lassen als bevorrechtigter Gläubiger alle angemessenen Ausgaben erstatten, die ihnen im Zusammenhang mit der Anwendung der Abwicklungsinstrumente oder der Ausübung der Abwicklungsbefugnisse entstanden sind. Ein solcher Einzug bzw. eine solche Erstattung erfolgt unter anderem

a)
von der in Abwicklung befindlichen CCP, einschließlich ihrer Forderungen gegenüber ausfallenden Clearingmitgliedern;
b)
vor der Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 durch Gegenleistungen des Käufers an die CCP, wenn das Instrument der Unternehmensveräußerung angewandt wurde;
c)
vor der Anwendung von Artikel 42 Absatz 5 aus Erlösen, die im Zusammenhang mit der Einstellung der Brücken-CCP erzielt wurden;
d)
aus etwaigen Erlösen, die durch die Anwendung des Instruments der staatlichen Eigenkapitalunterstützung nach Artikel 46 und des Instruments der vorübergehenden staatlichen Übernahme nach Artikel 47 erzielt werden, einschließlich der Erlöse aus ihrem Verkauf.

(11) Bei der Anwendung der Abwicklungsinstrumente gewährleisten die Abwicklungsbehörden auf der Grundlage einer Bewertung gemäß den Anforderungen des Artikels 25 die Wiederherstellung eines „Matched Book” , die vollständige Zuweisung von Verlusten, die Wiederauffüllung der vorfinanzierten Mittel der CCP oder der Brücken-CCP und die Rekapitalisierung der CCP oder der Brücken-CCP.

Die Abwicklungsbehörden gewährleisten die Wiederauffüllung der vorfinanzierten Mittel und die Rekapitalisierung der CCP oder der Brücken-CCP nach Unterabsatz 1 in einem Umfang, der zur Wiederherstellung der Fähigkeit der CCP oder der Brücken-CCP ausreicht, die Zulassungsbedingungen zu erfüllen und die kritischen Funktionen der CCP oder der Brücken-CCP fortzuführen unter Berücksichtigung der Betriebsvorschriften der CCP bzw. der Brücken-CCP.

Unbeschadet der Anwendung anderer Abwicklungsinstrumente können die Abwicklungsbehörden zur Rekapitalisierung der CCP die in den Artikeln 30 und 31 genannten Instrumente anwenden.

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