ANHANG V VO (EU) 2021/523

MARKTVERSAGEN, SUBOPTIMALE INVESTITIONSBEDINGUNGEN, ZUSÄTZLICHKEIT UND AUSGESCHLOSSENE TÄTIGKEITEN

A.
Marktversagen, suboptimale Investitionsbedingungen und Zusätzlichkeit

Gemäß Artikel 209 der Haushaltsordnung dient die EU-Garantie dazu, Marktversagen oder suboptimale Investitionsbedingungen auszugleichen (Artikel 209 Absatz 2 Buchstabe a der Haushaltsordnung) und eine Zusätzlichkeit dadurch zu bewirken, dass die Ersetzung möglicher Unterstützung und Investitionen aus anderen öffentlichen oder privaten Quellen vermieden wird (Artikel 209 Absatz 2 Buchstabe b der Haushaltsordnung).

Um Artikel 209 Absatz 2 Buchstaben a und b der Haushaltsordnung Rechnung zu tragen, müssen die Finanzierungen und Investitionen, die durch die EU-Garantie unterstützt werden, die unter den Nummern 1 und 2 dargelegten Anforderungen erfüllen:

1.
Marktversagen und suboptimale Investitionsbedingungen

Damit Marktversagen und suboptimale Investitionsbedingungen gemäß Artikel 209 Absatz 2 Buchstabe a der Haushaltsordnung ausgeglichen werden, müssen die Investitionen, auf die mit den Finanzierungen und Investitionen abgezielt wird, eines der folgenden Merkmale aufweisen:

a)
Sie sollten ein öffentliches Gut (etwa Bildung und Kompetenzen, Gesundheitsversorgung und Barrierefreiheit, Sicherheit und Verteidigung sowie kostenlos oder zu vernachlässigbaren Kosten zur Verfügung gestellte Infrastruktur) betreffen, das dem Betreiber oder dem Unternehmen keinen ausreichenden finanziellen Vorteil bringt;
b)
sie sollten externe Effekte, wie sie etwa bei Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in den Bereichen Energieeffizienz, Klima- oder Umweltschutz erzielt werden, aufweisen, die der Betreiber oder das Unternehmen in der Regel nicht internalisieren kann;
c)
sie sollten Informationsasymmetrie aufweisen, insbesondere bei KMU und kleinen Unternehmen mit mittelgroßer Marktkapitalisierung, einschließlich höherer Risiken für Unternehmen in der Frühphase, Unternehmen, deren Vermögenswerte vorwiegend immateriell sind oder die nicht über ausreichende Sicherheiten verfügen, oder Unternehmen, deren Tätigkeitsschwerpunkte mit hohen Risiken behaftet sind;
d)
es sollte sich um grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte und damit zusammenhängende Dienste oder Mittel handeln, die grenzüberschreitend investiert werden, um die Fragmentierung des Binnenmarkts auszugleichen und die Koordinierung innerhalb des Binnenmarkts der EU zu verbessern;
e)
es sollten höhere Risiken in bestimmten Wirtschaftszweigen, Ländern oder Regionen bestehen, die über das Maß hinausgehen, das private Finanzakteure tragen können bzw. tragen wollen; hierzu gehört, dass eine Investition angesichts der Neuartigkeit oder der Risiken, mit denen Innovationen oder unerprobte Technologien verbunden sind, nicht oder nicht im selben Umfang getätigt würde;
f)
es sollte sich um neue oder komplexe Marktversagen oder suboptimale Investitionsbedingungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iii dieser Verordnung handeln.

2.
Zusätzlichkeit

Finanzierungen und Investitionen müssen beiden in Artikel 209 Absatz 2 Buchstabe b der Haushaltsordnung dargelegten Aspekten der Zusätzlichkeit gerecht werden. Das bedeutet, dass die Finanzierungen und Investitionen ohne eine Förderung im Rahmen des Fonds „InvestEU” nicht oder nicht im selben Umfang aus anderen öffentlichen oder privaten Quellen hätten getätigt werden können. Für die Zwecke der vorliegenden Verordnung sind hier Finanzierungen und Investitionen gemeint, die die beiden folgenden Kriterien erfüllen:

1.
Im Sinne der Zusätzlichkeit zu den privaten Quellen gemäß Artikel 209 Absatz 2 Buchstabe b der Haushaltsordnung werden mit dem Fonds „InvestEU” Finanzierungen und Investitionen der Durchführungspartner unterstützt, die auf Investitionen abzielen, mit denen aufgrund ihrer Merkmale (darunter öffentliche Güter, externe Effekte, Informationsasymmetrie und Überlegungen zum sozioökonomischen Zusammenhalt oder andere) keine ausreichenden marktüblichen finanziellen Erträge erzielt werden können oder die (im Vergleich zu dem Risiko, das die einschlägigen privatrechtlichen Rechtsträger einzugehen bereit sind) als zu risikobehaftet angesehen werden. Aufgrund dieser Merkmale besteht für solche Finanzierungen und Investitionen daher kein Zugang zu einer Marktfinanzierung auf der Grundlage annehmbarer Bedingungen im Hinblick auf die Preisgestaltung, Anforderungen an die Sicherheiten, die Art der Finanzierung, die Laufzeit der Finanzierung und andere Faktoren, weshalb sie ohne öffentliche Unterstützung nicht oder nicht im selben Umfang getätigt würden.
2.
Im Sinne der Zusätzlichkeit zu bestehender Unterstützung aus anderen öffentlichen Quellen gemäß Artikel 209 Absatz 2 Buchstabe b der Haushaltsordnung werden aus dem Fonds „InvestEU” nur Finanzierungen und Investitionen unterstützt, auf die Folgendes zutrifft:

a)
Die Finanzierungen und Investitionen würden oder hätten vom Durchführungspartner ohne eine Förderung im Rahmen des Fonds „InvestEU” nicht oder nicht im selben Umfang getätigt werden können und
b)
die Finanzierungen und Investitionen würden oder hätten nicht in demselben Umfang getätigt werden können, in dem die Union im Rahmen der bestehenden öffentlichen Instrumente, etwa gemeinsames Management von regionalen oder nationalen Finanzinstrumente tätig ist, obwohl zusätzlich auf den Fonds InvestEU und andere öffentliche Instrumente zurückgegriffen werden konnte, um die öffentlichen Ziele effizient zu erzielen.

Um zu belegen, dass die Finanzierungen und Investitionen, die durch die EU-Garantie unterstützt werden, zusätzlich zu bestehenden Marktstützungsmaßnahmen und zu sonstiger bestehender öffentlicher Unterstützung getätigt werden, legen die Durchführungspartner Informationen vor, mit denen mindestens das Vorliegen eines der folgenden Merkmale nachgewiesen wird:

a)
Unterstützung durch gegenüber anderen öffentlichen oder privaten Kreditgebern nachrangige Positionen, oder Unterstützung innerhalb der Finanzierungsstruktur;
b)
Unterstützung, die in Form von Eigenkapital oder Quasi-Eigenkapital oder Krediten mit langer Laufzeit, Preisgestaltung, Anforderungen an die Sicherheiten oder anderen Bedingungen gewährt wird, die auf dem Markt oder bei anderen öffentlichen Quellen nicht ausreichend zur Verfügung stehen;
c)
Unterstützung für Finanzierungen und Investitionen mit einem höheren Risikoprofil gegenüber dem Risiko, das im Rahmen der üblichen Tätigkeiten des Durchführungspartners generell eingegangen wird, oder Unterstützung für die Durchführungspartner, wenn die Unterstützung solcher Finanzierungen und Investitionen ihre Kapazitäten übersteigt;
d)
Beteiligung an Risikoteilungsmechanismen, mit denen auf Politikbereiche abgezielt wird, in denen die Durchführungspartner einem höheren Risiko als dem üblicherweise von ihnen eingegangenen bzw. als dem Risiko ausgesetzt sind, das private Finanzakteure eingehen können bzw. einzugehen bereit sind;
e)
Unterstützung, mit der zusätzliche private oder öffentliche Finanzierung katalysiert oder mobilisiert wird und die andere private oder kommerzielle Quellen ergänzt – insbesondere Unterstützung von Investorengruppen mit traditionell geringer Risikobereitschaft oder institutionellen Anlegern aufgrund der Signalwirkung der Unterstützung aus dem Fonds „InvestEU” ;
f)
Unterstützung in Form von Finanzprodukten, die in den Ländern oder Regionen, auf die abgezielt wird, nicht verfügbar sind oder nicht in ausreichendem Umfang angeboten werden, weil die Märkte entweder nicht vorhanden, unterentwickelt oder unvollkommen sind.

Für Finanzierungen und Investitionen über einen Finanzintermediär, insbesondere für die Unterstützung von KMU, wird die Zusätzlichkeit auf der Ebene des Finanzintermediärs und nicht auf jener des Endempfängers überprüft. Es wird davon ausgegangen, dass Zusätzlichkeit vorliegt, wenn mit dem Fonds „InvestEU” ein Finanzintermediär bei der Erstellung eines neuen Portfolios mit einem höheren Risiko oder beim Ausbau der Tätigkeiten unterstützt wird, die im Vergleich zu dem Risiko, das private und öffentliche Finanzakteure in den Mitgliedstaaten oder Regionen, auf die abgezielt wird, gegenwärtig einzugehen bereit sind, bereits risikoreich sind.

Die EU-Garantie darf nicht für die Unterstützung von Refinanzierungsgeschäften (etwa die Ersetzung bestehender Darlehensvereinbarungen oder anderer Formen finanzieller Unterstützung für Projekte, die bereits teilweise oder vollständig durchgeführt wurden) gewährt werden, außer in spezifischen außergewöhnlichen und hinreichend begründeten Fällen, in denen belegt wird, dass das Projekt im Rahmen der EU-Garantie – zusätzlich zu dem üblichen Umfang der Tätigkeiten des Durchführungspartners oder des Finanzintermediärs – eine neue Investition in einem nach Anhang II für Finanzierungen und Investitionen und förderfähigen Politikbereich in einer Höhe ermöglichen wird, die mindestens dem Betrag der Finanzierung oder Investition entspricht, die die in dieser Verordnung dargelegten Förderfähigkeitskriterien erfüllt. Solche Refinanzierungen müssen die Anforderungen in Abschnitt A dieses Anhangs in Bezug auf das Marktversagen, die suboptimale Investitionssituationen und die Zusätzlichkeit erfüllen.

B.
Ausgeschlossene Tätigkeiten

Nicht unterstützt werden dürfen aus dem Fonds „InvestEU” :

1.
Tätigkeiten, mit denen die individuellen Rechte und Freiheiten von Menschen eingeschränkt oder die Menschenrechte verletzt werden;
2.
im Bereich der Verteidigungsmaßnahmen der Einsatz, die Entwicklung oder die Herstellung von Gütern und Technologien, die nach geltendem Völkerrecht verboten sind;
3.
Erzeugnisse und Tätigkeiten, die mit Tabak in Zusammenhang stehen (Herstellung, Vertrieb, Verarbeitung und Handel);
4.
Tätigkeiten, die gemäß den entsprechenden Bestimmungen der Verordnung über Horizont Europa von der Förderung ausgeschlossen sind: Forschungstätigkeiten zum Klonen von Menschen zu Reproduktionszwecken; Tätigkeiten zur Veränderung des Erbguts des Menschen, durch die solche Änderungen vererbbar werden könnten, sowie Tätigkeiten zur Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch Kerntransfer somatischer Zellen.
5.
Glücksspiel (Tätigkeiten im Zusammenhang mit Produktion, Herstellung, Vertrieb, Verarbeitung, Handel und Software);
6.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und die entsprechende Infrastruktur und die entsprechenden Dienste und Medien;
7.
Tätigkeiten, bei denen lebende Tiere für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, sofern nicht garantiert werden kann, dass dem Europäischen Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere Rechnung getragen wird(1);
8.
Tätigkeiten im Bereich Immobilienentwicklung, d. h. Tätigkeiten, deren einziger Zweck in der Renovierung bestehender Gebäude und ihrer anschließenden Weitervermietung oder ihres Weiterverkaufs und in der Durchführung neuer Bauprojekte liegt; Tätigkeiten in der Immobilienwirtschaft, die sich auf die in Artikel 3 Absatz dargelegten spezifischen Ziele des Programms „InvestEU” und/oder auf die förderfähigen Bereiche für Finanzierungen und Investitionen gemäß Anhang II beziehen, etwa Investitionen in Energieeffizienzprojekte oder sozialen Wohnungsbau, sind jedoch förderfähig;
9.
Finanzierungstätigkeiten wie der Kauf von Finanzierungsinstrumenten und der Handel damit; insbesondere sind Tätigkeiten ausgeschlossen, mit denen auf Buy-outs oder Ersatzfinanzierungen zum Zweck des Ausschlachtens von Unternehmen ( „Asset-Stripping” ) abgezielt wird;
10.
Tätigkeiten, die nach geltenden nationalen Rechtsvorschriften untersagt sind;
11.
Stilllegung, Betrieb, Anpassung oder Bau von Kernkraftwerken;
12.
Investitionen im Zusammenhang mit der Gewinnung oder dem Abbau, der Verarbeitung, dem Vertrieb, der Lagerung oder der Verbrennung fester fossiler Brennstoffe und von Erdöl und Investitionen im Zusammenhang mit der Erdgasförderung. Dieser Ausschluss gilt nicht für

a)
Projekte, für die es keine geeignete Alternativtechnologie gibt;
b)
Projekte im Zusammenhang mit der Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung;
c)
mit Anlagen für die CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung verbundene Projekte; Industrie- oder Forschungsprojekte, mit denen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu den EU-Richtwerten des geltenden Systems für den Handel mit Emissionsberechtigungen deutlich verringert werden;

13.
Investitionen in Anlagen für die Abfallentsorgung in Mülldeponien. Dieser Ausschluss gilt nicht für Investitionen in

a)
Mülldeponien vor Ort, die Nebenbestandteil eines Investitionsprojekts in den Bereichen Industrie oder Bergbau sind und bei denen nachgewiesen wurde, dass Deponierung die einzige geeignete Möglichkeit ist, die durch die jeweilige Tätigkeit anfallenden Industrie- oder Bergbauabfälle zu behandeln;
b)
bestehende Mülldeponien, bei denen dafür gesorgt wird, dass Deponiegas genutzt wird, und die Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abfällen und die Wiederaufbereitung von Bergbauabfällen gefördert werden;

14.
Investitionen in Anlagen für die mechanisch-biologische Abfallbehandlung (MBA). Dieser Ausschluss gilt nicht für Investitionen in die Sanierung bestehender Anlagen für die MBA zum Zwecke der Energierückgewinnung oder für Recyclingbetriebe, in denen getrennte Abfälle aufbereitet werden, etwa durch Kompostierung und anaerobe Zersetzung;
15.
Investitionen in Verbrennungsanlagen im Hinblick auf die Abfallbehandlung. Dieser Ausschluss gilt nicht für Investitionen in

a)
Anlagen, die ausschließlich für die Behandlung gefährlicher, nicht wiederverwertbarer Abfälle bestimmt sind;
b)
bestehende Anlagen zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Abscheidung von Abgasen für die Speicherung oder Nutzung oder zur Rückgewinnung von Stoffen aus Verbrennungsrückständen, sofern mit diesen Investitionen nicht die Abfallaufbereitungskapazitäten der Anlage erhöht werden.

Die Durchführungspartner bleiben dafür verantwortlich, die Einhaltung der Ausschlusskriterien bei den Finanzierungen und Investitionen im Sinne dieses Anhangs bei Unterzeichnung des einschlägigen Abkommens während der Umsetzung des Projekts zu überwachen und erforderlichenfalls angemessene Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 222 vom 24.8.1999, S. 31.

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