Artikel 5 VO (EU) 2021/784

Spezifische Maßnahmen

(1) Ein Hostingdiensteanbieter, der terroristischen Inhalten gemäß Absatz 4 ausgesetzt ist, nimmt gegebenenfalls Bestimmungen in seine Nutzungsbedingungen auf, mit denen er dagegen vorgeht, dass seine Dienste für die öffentliche Verbreitung terroristischer Inhalte missbraucht werden, und wendet diese Bestimmungen an.

Er handelt dabei mit der gebotenen Sorgfalt, verhältnismäßig und ohne Diskriminierung; unter allen Umständen unter gebührender Berücksichtigung der Grundrechte der Nutzer und trägt insbesondere der grundlegenden Bedeutung der Meinungs- und Informationsfreiheit in einer offenen und demokratischen Gesellschaft Rechnung, um zu verhindern, dass Materialien entfernt werden, bei denen es sich nicht um terroristische Inhalte handelt.

(2) Ist ein Hostingdiensteanbieter terroristischen Inhalten gemäß Absatz 4 ausgesetzt, so ergreift er spezifische Maßnahmen, um zu verhindern, dass über seine Dienste terroristische Inhalte öffentlich verbreitet werden.

Der Hostingdiensteanbieter entscheidet selbst über die zu treffenden spezifischen Maßnahmen. Diese Maßnahmen können eines oder mehrere der folgenden Elemente umfassen:

a)
geeignete technische und operative Maßnahmen oder Kapazitäten, beispielsweise eine angemessene Ausstattung mit Personal oder technischen Mitteln, um terroristische Inhalte zu ermitteln und unverzüglich zu entfernen oder den Zugang dazu zu sperren;
b)
leicht zugängliche und benutzerfreundliche Mechanismen, durch die Nutzer dem Hostingdiensteanbieter mutmaßliche terroristische Inhalte melden oder diese Inhalte kennzeichnen können;
c)
weitere Mechanismen zur stärkeren Sensibilisierung für terroristische Inhalte in seinen Diensten, wie beispielsweise Mechanismen für Nutzer-Moderation;
d)
jedwede andere Maßnahme, die der Hostingdiensteanbieter für geeignet hält, um gegen die Verfügbarkeit terroristischer Inhalte in seinen Diensten vorzugehen.

(3) Die spezifischen Maßnahmen müssen folgende Anforderungen erfüllen:

a)
Sie müssen das Ausmaß der Betroffenheit der Dienste des Hostingdiensteanbieters durch terroristische Inhalte wirksam eindämmen;
b)
sie müssen zielgerichtet und verhältnismäßig sein und insbesondere dem Schweregrad der Betroffenheit der Dienste des Hostingdiensteanbieters durch terroristische Inhalte sowie den technischen und operativen Fähigkeiten, der Finanzkraft, der Zahl der Nutzer der Dienste des Hostingdiensteanbieters und des Umfangs der Inhalte, die diese Nutzer liefern, Rechnung tragen;
c)
sie werden unter umfassender Berücksichtigung der Rechte und der berechtigten Interessen der Nutzer, insbesondere ihrer Grundrechte auf Meinungs- und Informationsfreiheit, auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, angewendet;
d)
sie werden mit der gebotenen Sorgfalt und ohne Diskriminierung angewendet.

Soweit die spezifischen Maßnahmen den Einsatz technischer Maßnahmen vorsehen, ist für geeignete und wirksame Schutzvorkehrungen zu sorgen — insbesondere durch menschliche Beaufsichtigung und Überprüfung — um für Genauigkeit zu sorgen und zu verhindern, dass Materialien entfernt werden, bei denen es sich nicht um terroristische Inhalte handelt.

(4) Ein Hostingdiensteanbieter gilt als terroristischen Inhalten ausgesetzt, wenn die zuständige Behörde des Mitgliedstaats seiner Hauptniederlassung oder in dem der gesetzliche Vertreter ansässig oder niedergelassen ist,

a)
eine auf objektive Faktoren — wie beispielsweise der Tatsache, dass dem Hostingdiensteanbieter in den letzten zwölf Monaten zwei oder mehr rechtskräftige Entfernungsanordnungen zugegangen sind — gestützte Entscheidung getroffen hat und
b)
den Hostingdiensteanbieter von der Entscheidung gemäß Buchstabe a in Kenntnis gesetzt hat.

(5) Nach Erhalt einer Entscheidung gemäß Absatz 4 oder gegebenenfalls gemäß Absatz 6 erstattet der Hostingdiensteanbieter der zuständigen Behörde Bericht über die spezifischen Maßnahmen, die er ergriffen hat und zu ergreifen beabsichtigt, um den Absätzen 2 und 3 zu entsprechen. Er erledigt dies innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Entscheidung und danach jährlich. Diese Verpflichtung endet, sobald die zuständige Behörde entschieden hat, dass der Hostingdiensteanbieter nach einem Antrag gemäß Absatz 7 nicht länger terroristischen Inhalten ausgesetzt ist.

(6) Gelangt die zuständige Behörde auf der Grundlage der Berichte gemäß Absatz 5 und gegebenenfalls anderer objektiver Faktoren zu der Auffassung, dass die spezifischen Maßnahmen nicht den Absätzen 2 und 3 entsprechen, so richtet die zuständige Behörde eine Entscheidung an den Hostingdiensteanbieter, mit der dieser aufgefordert wird, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass den Absätzen 2 und 3 entsprochen wird.

Der Hostingdiensteanbieter entscheidet selbst über die zu wählenden spezifischen Maßnahmen.

(7) Ein Hostingdiensteanbieter kann die zuständige Behörde jederzeit ersuchen, eine Entscheidung nach den Absätzen 4 oder 6 zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen oder zu widerrufen.

Die zuständige Behörde trifft innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Ersuchens auf der Grundlage objektiver Faktoren eine begründete Entscheidung und unterrichtet den Hostingdiensteanbieter über diese Entscheidung.

(8) Jede Anordnung, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, gilt unbeschadet von Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG und geht für Hostingdiensteanbieter weder mit einer generellen Verpflichtung einher, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen, noch mit einer generellen Verpflichtung, aktiv nach Fakten oder Umständen zu suchen, die auf illegale Aktivitäten hindeuten.

Die Anordnung, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, geht nicht mit einer Verpflichtung des Hostingdiensteanbieters zur Nutzung automatisierter Verfahren einher.

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