ANHANG IV VO (EU) 2021/947

INTERVENTIONSBEREICHE FÜR KRISENREAKTIONSMASSNAHMEN

1.
Maßnahmen für Frieden, Stabilität und Konfliktverhütung in Dringlichkeitsfällen, sich abzeichnenden Krisen, Krisen- und Nachkrisensituationen, auch wenn sie möglicherweise durch Migrationsströme und Vertreibung verursacht werden

Krisenreaktionsmaßnahmen nach Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe a dienen einer wirksamen, effizienten, integrierten und konfliktsensiblen Reaktion der Union auf die folgenden außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Situationen:

a)
für Stabilität, Frieden und Sicherheit relevante Dringlichkeitsfälle, Krisensituationen, Fragilität, hybride Bedrohungen, sich abzeichnende Krisen und Naturkatastrophen;
b)
Situationen, die eine Bedrohung des Friedens, der Demokratie, von Recht und Ordnung, des Schutzes der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder eine Gefahr für die Sicherheit und den Schutz von Einzelpersonen, insbesondere von Personen, die in instabilen Situationen sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt ausgesetzt sind, darstellen;
c)
Situationen, die in einen bewaffneten Konflikt zu eskalieren drohen oder das betreffende Drittland bzw. die betreffenden Drittländer erheblich destabilisieren könnten.

Diese Krisenreaktionsmaßnahmen können Folgendes abdecken:

a)
Unterstützung im Rahmen der technischen und logistischen Hilfe im Zusammenhang mit Bemühungen internationaler, regionaler und lokaler Organisationen sowie von staatlichen Akteuren und Akteuren der Zivilgesellschaft zur Förderung der Vertrauensbildung, von Mediation, Dialog und Aussöhnung, Übergangsjustiz, der Stärkung der Position von Frauen und jungen Menschen, insbesondere im Hinblick auf Spannungen auf Ebene der Gemeinschaften und lang anhaltende Konflikte;
b)
Unterstützung der Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Frauen, jungen Menschen, Frieden und Sicherheit;
c)
Unterstützung der Einrichtung und der Arbeit von Interimsverwaltungen mit einem völkerrechtlichen Mandat;
d)
Unterstützung der Entwicklung demokratischer, pluralistischer Staatsorgane, einschließlich Maßnahmen zur Förderung der Rolle von Frauen in diesen Organen, einer wirksamen Zivilverwaltung und zivilen Aufsicht über das Sicherheitssystem sowie Maßnahmen zur Stärkung der Kapazitäten der Vollzugs- und Justizbehörden, die an der Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und aller Formen des illegalen Handels beteiligt sind;
e)
Unterstützung von internationalen Strafgerichten und nationalen Ad-hoc-Gerichten, Wahrheits- und Versöhnungskommissionen sowie von Unrechtsaufarbeitungs- und anderen Mechanismen zur gerichtlichen Schlichtung von Menschenrechtsfällen und zur Geltendmachung und gerichtlichen Zuerkennung von Eigentumsrechten;
f)
Unterstützung der Stärkung der Kapazitäten von Staaten, bei erheblichen Belastungen rasch staatliche Kernfunktionen aufzubauen, zu erhalten bzw. wiederherzustellen, und des grundlegenden sozialen und politischen Zusammenhalts;
g)
Unterstützung von Maßnahmen, die zur Einleitung der Sanierung und des Wiederaufbaus von wichtigen Infrastrukturen, Unterkünften, öffentlichen Gebäuden und wirtschaftlichen Vermögenswerten sowie von wesentlichen Produktionskapazitäten erforderlich sind, und von anderen Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit, der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Festlegung der für eine nachhaltige soziale Entwicklung erforderlichen Mindestvoraussetzungen;
h)
Unterstützung ziviler Maßnahmen im Zusammenhang mit der Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten und ihrer Familien in die Zivilgesellschaft und gegebenenfalls ihrer Rückführung sowie Unterstützung von Maßnahmen zur Bewältigung der Situation von Kindersoldaten und von Soldatinnen;
i)
Unterstützung von Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Folgen der Umstrukturierung der Streitkräfte;
j)
Unterstützung von Maßnahmen zur Bewältigung der sozioökonomischen Auswirkungen von Antipersonenminen, nicht zur Wirkung gelangten Kampfmitteln oder explosiven Kampfmittelrückständen auf die Zivilbevölkerung im Rahmen der Politik der Zusammenarbeit der Union und ihrer Ziele. Zu den im Rahmen des Instruments finanzierten Tätigkeiten können unter anderem die Aufklärung über Risiken, das Aufspüren und die Räumung von Minen und im Zusammenhang damit die Vernichtung von Minenbeständen gehören;
k)
Unterstützung von Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Verwendung von und des illegalen Zugangs zu Feuerwaffen, Kleinwaffen und leichten Waffen im Rahmen der Politik der Zusammenarbeit der Union und ihrer Ziele;
l)
Unterstützung von Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern in Krisen- und Konfliktsituationen, einschließlich ihrer Gefährdung durch geschlechtsbezogene Gewalt, angemessen Rechnung getragen wird;
m)
Unterstützung der Rehabilitation und der Wiedereingliederung von Opfern bewaffneter Konflikte, einschließlich Maßnahmen zur Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern;
n)
Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit und der damit zusammenhängenden völkerrechtlichen Instrumente;
o)
Unterstützung sozioökonomischer Maßnahmen zur Förderung eines gerechten Zugangs zu und eines transparenten Umgangs mit natürlichen Ressourcen in Krisensituationen oder bei sich abzeichnenden Krisen, einschließlich Friedenskonsolidierung;
p)
Unterstützung von Maßnahmen zur Bewältigung der potenziellen Auswirkungen von plötzlichen Bevölkerungsbewegungen mit Belang für die politische und sicherheitspolitische Situation, einschließlich Maßnahmen, um den Bedürfnissen von Aufnahmegemeinschaften gerecht zu werden;
q)
Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung und Organisation der Zivilgesellschaft und ihrer Mitwirkung am politischen Prozess, einschließlich Maßnahmen zur Förderung der Rolle von Frauen bei solchen Prozessen und Maßnahmen zur Förderung unabhängiger, pluralistischer und professioneller Medien;
r)
Unterstützung von Maßnahmen zur Bewältigung von Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachter Katastrophen, die die Stabilität gefährden, und von Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit im Zusammenhang mit Pandemien, in Ermangelung von bzw. in Ergänzung zu humanitärer Hilfe und Katastrophenhilfe seitens der Union;
s)
Aufbau von Kapazitäten militärischer Akteure zur Förderung der Entwicklung und der Sicherheit für Entwicklung gemäß Artikel 9.

2.
Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz und zur Verknüpfung von humanitärer Hilfe, Entwicklungsmaßnahmen und gegebenenfalls Friedenskonsolidierung

Die Krisenreaktionsmaßnahmen nach Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b sind so zu konzipieren, dass es gelingt, wirksam die Resilienz zu stärken und die Abstimmung, die Kohärenz und die Komplementarität zwischen humanitärer Hilfe, Entwicklungsmaßnahmen und gegebenenfalls Friedenskonsolidierung zu verbessern, da dies durch geografische und thematische Programme nicht zügig erreicht werden kann.

Diese Krisenreaktionsmaßnahmen können Folgendes abdecken:

a)
Stärkung der Resilienz, Bewältigung der Ursachen der Fragilität und potenziellen Konfliktursachen durch Unterstützung von Einzelpersonen, Gemeinschaften, Institutionen und Ländern mit dem Ziel, sie im Hinblick auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Belastungen und Schocks, Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachte Katastrophen, Konflikte, Pandemien und globale Bedrohungen zu besserer Vorbereitung, größerer Widerstandskraft, stärkerer Anpassungsfähigkeit und rascher Bewältigung zu befähigen, unter anderem durch Ermittlung und Ausbau ihrer vorhandenen Kapazitäten; durch Stärkung der Fähigkeit von Staaten, bei erheblichen Belastungen rasch staatliche Kernfunktionen aufzubauen, zu erhalten bzw. wiederherzustellen, durch Stärkung des grundlegenden sozialen und politischen Zusammenhalts sowie durch Unterstützung von Gesellschaften, Gemeinschaften und Einzelpersonen beim friedlichen und konfliktsensiblen Umgang mit Chancen und Risiken sowie beim Aufbau, bei der Erhaltung und bei der Wiederherstellung von Existenzgrundlagen und sozialen Diensten durch Unterstützung einschlägiger internationaler und multilateraler Initiativen, die diese Zielsetzungen teilen;
b)
Abfederung der kurzfristigen negativen Auswirkungen exogener Schocks, die zu makroökonomischer Instabilität führen, Sicherstellung sozioökonomischer Reformen und öffentlicher Ausgaben, mit denen vorrangig die sozioökonomische Entwicklung und die Armutsbekämpfung gefördert werden;
c)
Durchführung kurzfristiger Rehabilitations- und Wiederaufbaumaßnahmen, damit Opfern von Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachter Katastrophen, Konflikten und globalen Bedrohungen ein sozioökonomischer Mindeststandards zuteil wird und so bald wie möglich die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Entwicklung auf der Grundlage der von den betreffenden Ländern und Regionen und den betroffenen Bevölkerungsgruppen festgelegten langfristigen Ziele geschaffen werden; dazu gehört die Deckung des dringenden und unmittelbaren Bedarfs, der durch Migrationsbewegungen infolge von Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachter Katastrophen und bei den Gemeinschaften, die diese Menschen aufnehmen, entsteht;
d)
Unterstützung der Regionen oder Staaten auf nationaler oder lokaler Ebene oder der einschlägigen internationalen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Einrichtung kurzfristiger Mechanismen zur Katastrophenprävention und -vorsorge, einschließlich zur Früherkennung und Frühwarnung, um die Folgen von Katastrophen zu begrenzen;
e)
Unterstützung von Maßnahmen zur Operationalisierung integrierter Ansätze, insbesondere durch bessere Abstimmung und die Anwendung konfliktsensibler Ansätze durch Akteure der humanitären Hilfe, der Entwicklungshilfe und, wenn einschlägig, der Friedenskonsolidierung.

3.
Maßnahmen im Zusammenhang mit außenpolitischen Belangen und Prioritäten der Union

Die Krisenreaktionsmaßnahmen zur Unterstützung der Ziele nach Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe c dienen der Unterstützung der Außenpolitik der Union in politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen. Durch diese Maßnahmen wird die Union in die Lage versetzt zu handeln, wenn ein dringendes oder zwingendes außenpolitisches Interesse besteht oder sich eine günstige Gelegenheit zur Verwirklichung der Unionsziele ergibt und rasch reagiert werden muss und die Ziele auf andere Weise nur schwer zu erreichen wären.

Diese Krisenreaktionsmaßnahmen können Folgendes abdecken:

a)
Unterstützung der Unionsstrategien für die bilaterale, regionale und regionenübergreifende Zusammenarbeit durch Förderung des Politikdialogs und Ausarbeitung kollektiver Ansätze und Antworten auf globale Herausforderungen wie Migration und Vertreibung, Klimawandel und Sicherheitsfragen, einschließlich Vermittlung, und Nutzung von Fenstern der Gelegenheit in diesem Zusammenhang;
b)
Unterstützung der Handelspolitik und der Aushandlung, Umsetzung und Durchsetzung von Handelsabkommen der Union und der Verbesserung des Zugangs zu Märkten von Partnerländern und der Förderung von Handels-, Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen aus der Union, insbesondere KMU, — wobei gleichzeitig Marktzugangs- und Investitionshindernisse beseitigt und die Rechte des geistigen Eigentums geschützt werden — durch Wirtschaftsdiplomatie und Zusammenarbeit von Unternehmen und bei Rechts- und Verwaltungsvorschriften; dabei werden — unter Berücksichtigung des in den Artikeln 208 und 212 AEUV vorgesehenen Grundsatzes der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung und der internationalen Verpflichtungen gemäß Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung — die aufgrund der besonderen Situation des Partnerlandes notwendigen Anpassungen vorgenommen;
c)
Beiträge zur Umsetzung der internationalen Dimension der internen Politikbereiche der Union, unter anderem in den Bereichen Umwelt, Klimawandel, Energie, Wissenschaft und Bildung und Zusammenarbeit in Fragen der Bewirtschaftung der Ozeane und der Meerespolitik sowie Unterstützung der Regelungskonvergenz;
d)
breit angelegte Förderung der Kenntnisse über die Union und ihrer Sichtbarkeit und Rolle auf der Weltbühne durch Mittel der strategischen Kommunikation, Public Diplomacy, Kontakte zwischen den Menschen, Kulturdiplomatie, Zusammenarbeit im Bildungs- und im Hochschulbereich sowie Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung der Unionswerte und -interessen.

Diese Krisenreaktionsmaßnahmen dienen der Durchführung innovativer Strategien oder Initiativen, die den aktuellen oder kurz- bis mittelfristigen Bedürfnissen, Möglichkeiten und Prioritäten entsprechen, einschließlich des Potenzials, dass sie in künftige Maßnahmen im Rahmen geografischer oder thematischer Programme einfließen. Diese Maßnahmen konzentrieren sich auf die Vertiefung der Beziehungen und des Dialogs der Union und der Bildung von Partnerschaften und Allianzen mit wichtigen Ländern von strategischem Interesse, insbesondere den Schwellenländern und Ländern mit mittlerem Einkommen, die auf der Weltbühne, in der Weltordnungspolitik, der Außenpolitik, der internationalen Wirtschaft und in multilateralen Foren eine immer wichtigere Rolle spielen.

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