Artikel 16 VO (EU) 2022/869
Ermöglichung von Investitionen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen
(1) Effizient angefallene Investitionskosten (ohne Instandhaltungskosten) werden bei Vorhaben von gemeinsamem Interesse, die unter die in Anhang II Nummer 1 Buchstaben a, b, c, d und f genannten Energieinfrastrukturkategorien fallen, sowie bei Vorhaben von gemeinsamem Interesse, die unter die in Anhang II Nummer 3 genannte Energieinfrastrukturkategorie fallen und der Zuständigkeit der nationalen Regulierungsbehörden in jedem betroffenen Mitgliedstaat unterliegen, von den jeweiligen ÜNB/FNB oder den Vorhabenträgern der Übertragungs- oder Fernleitungsinfrastruktur der Mitgliedstaaten getragen, für die das Vorhaben positive Nettoauswirkungen hat, und in dem Umfang, der nicht von Engpasserlösen oder anderen Entgelten gedeckt wird, über die Netzzugangstarife in diesen Mitgliedstaaten von den Netznutzern gezahlt.
(2) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten für Vorhaben von gemeinsamem Interesse, die unter die in Anhang II Nummer 1 Buchstaben a, b, c, d und f und Nummer 3 genannten Energieinfrastrukturkategorien fallen, wenn mindestens ein Vorhabenträger bei den zuständigen nationalen Behörden beantragt, die vorliegenden Bestimmungen auf die Kosten des Vorhabens anzuwenden.
Auf Vorhaben, die unter die in Anhang II Nummer 1 Buchstabe e und Anhang II Nummer 2 genannten Energieinfrastrukturkategorien fallen, können die Bestimmungen dieses Artikels angewandt werden, wenn mindestens ein Vorhabenträger bei den zuständigen nationalen Behörden die Anwendung dieser Bestimmungen beantragt.
Wird ein Vorhaben von mehreren Vorhabenträgern entwickelt, fordern die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden unverzüglich alle Vorhabenträger auf, den Investitionsantrag gemäß Absatz 4 gemeinsam zu stellen.
(3) Fällt ein Vorhaben von gemeinsamem Interesse unter Absatz 1, halten der bzw. die Vorhabenträger bis zur Inbetriebnahme des Vorhabens alle zuständigen nationalen Regulierungsbehörden regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, über die Fortschritte dieses Vorhabens sowie über die mit ihm verbundenen ermittelten Kosten und Auswirkungen auf dem aktuellen Stand.
(4) Sobald ein solches Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausreichend ausgereift ist und voraussichtlich innerhalb der nächsten 36 Monate in die Bauphase eintreten wird, reichen der bzw. die Vorhabenträger nach Konsultation der ÜNB/FNB der Mitgliedstaaten, für die das Vorhaben positive Nettoauswirkungen hat, einen Investitionsantrag ein. Der Investitionsantrag umfasst einen Antrag auf grenzüberschreitende Kostenaufteilung und wird allen zuständigen nationalen Regulierungsbehörden zusammen mit allen folgenden Informationen übermittelt:
- a)
- einer aktuellen vorhabenspezifischen Kosten-Nutzen-Analyse gemäß der nach Artikel 11 entwickelten Methode und unter Berücksichtigung des Nutzens, der sich über die Grenzen der Mitgliedstaaten, in deren Hoheitsgebiet sich das Vorhaben befindet, hinaus ergibt, wobei zumindest die in Artikel 12 genannten gemeinsamen Szenarien für die Netzentwicklungsplanung berücksichtigt werden. Werden zusätzliche Szenarien verwendet, so müssen diese mit den energie- und klimapolitischen Vorgaben der Union für 2030 und ihrem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im Einklang stehen und dem gleichen Niveau an Konsultation und Kontrolle unterliegen wie das in Artikel 12 vorgesehene Verfahren. Die Agentur ist dafür zuständig, etwaige zusätzliche Szenarien zu bewerten und sicherzustellen, dass diese den Bestimmungen dieses Absatzes entsprechen;
- b)
- einem Geschäftsplan, in dem die finanzielle Tragfähigkeit des Vorhabens, einschließlich der gewählten Finanzierungslösung, und bei einem Vorhaben von gemeinsamem Interesse, das unter die in Anhang II Nummer 3 genannte Energieinfrastrukturkategorie fällt, die Ergebnisse der Marktprüfung bewertet werden;
- c)
- einem begründeten Vorschlag für die grenzüberschreitende Kostenaufteilung, sofern die Vorhabenträger dies vereinbaren.
Wird ein Vorhaben von mehreren Vorhabenträgern oder Investoren entwickelt, reichen sie ihren Investitionsantrag gemeinsam ein.
Nach Eingang eines Investitionsantrages übermitteln die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden der Agentur zu Informationszwecken unverzüglich eine Kopie dieses Antrags.
Die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden und die Agentur behandeln wirtschaftlich sensible Informationen vertraulich.
(5) Innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Investitionsantrags bei der letzten der zuständigen nationalen Regulierungsbehörden treffen diese Behörden nach Konsultation der betroffenen Vorhabenträger koordinierte Entscheidungen über die Aufteilung der von jedem Netzbetreiber für das jeweilige Vorhaben zu tragenden effizient angefallenen Investitionskosten sowie über deren Einbeziehung in die Tarife oder über die vollständige oder teilweise Ablehnung des Investitionsantrags, falls sich aufgrund der gemeinsamen Analyse der zuständigen nationalen Regulierungsbehörden die Schlussfolgerung ergibt, dass das Vorhaben oder ein Teil davon in einem der Mitgliedstaaten der zuständigen nationalen Regulierungsbehörden keinen erheblichen Nettonutzen bietet. Die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden beziehen die relevanten effizient angefallenen Investitionskosten entsprechend der Aufteilung der von jedem Netzbetreiber für das jeweilige Vorhaben zu tragenden Investitionskosten in die Tarife ein, wie in der Empfehlung gemäß Absatz 11 beschrieben. Für Vorhaben im Hoheitsgebiet ihres jeweiligen Mitgliedstaats prüfen die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden anschließend gegebenenfalls, ob sich aufgrund der Einbeziehung der Investitionskosten in die Tarife Probleme hinsichtlich der Bezahlbarkeit ergeben könnten.
Bei der Kostenaufteilung berücksichtigen die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden die tatsächlichen oder die veranschlagten
- a)
- Engpasserlöse oder sonstigen Entgelte,
- b)
- Einnahmen im Rahmen des nach Artikel 49 der Verordnung (EU) 2019/943 eingeführten Ausgleichsmechanismus zwischen Übertragungsnetzbetreibern.
Bei der grenzüberschreitenden Kostenaufteilung werden wirtschaftliche, soziale und ökologische Kosten und Nutzen der Vorhaben für die Mitgliedstaaten sowie die Notwendigkeit berücksichtigt, für die Entwicklung von Vorhaben von gemeinsamem Interesse einen stabilen Finanzierungsrahmen zu gewährleisten und gleichzeitig den Bedarf an finanzieller Unterstützung so gering wie möglich zu halten.
Bei der grenzüberschreitenden Kostenaufteilung bemühen sich die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden nach Konsultation der betroffenen ÜNB/FNB um eine einvernehmliche Vereinbarung, die, ohne darauf beschränkt zu sein, auf den in Absatz 4 Unterabsatz 1 Buchstaben a und b dieses Artikels angegebenen Informationen beruht. Bei der Bewertung werden alle in Artikel 12 genannten relevanten Szenarien sowie weitere Szenarien für die Netzentwicklungsplanung berücksichtigt, was eine verlässliche Analyse ermöglicht, inwiefern das Vorhaben von gemeinsamem Interesse zur Energiepolitik der Union in den Bereichen Dekarbonisierung, Marktintegration, Wettbewerb, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit beiträgt. Werden zusätzliche Szenarien verwendet, so müssen diese mit den energie- und klimapolitischen Vorgaben der Union für 2030 und ihrem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im Einklang stehen und dem gleichen Niveau an Konsultation und Kontrolle unterliegen wie das in Artikel 12 vorgesehene Verfahren.
Wenn durch ein Vorhaben von gemeinsamem Interesse negative externe Effekte wie Ringflüsse begrenzt werden und das betreffende Vorhaben von gemeinsamem Interesse in dem Mitgliedstaat verwirklicht wird, in dem die negativen externen Effekte ihren Ursprung haben, wird die Begrenzung der negativen Auswirkungen nicht als grenzübergreifender Nutzen gewertet und zieht demnach keine Kostenzuteilung an die ÜNB/FNB der von den negativen externen Effekten betroffenen Mitgliedstaaten nach sich.
(6) Die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden berücksichtigen ausgehend von der grenzüberschreitenden Kostenaufteilung gemäß Absatz 5 dieses Artikels bei der Festlegung oder der Genehmigung von Tarifen nach Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2009/73/EG und Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie (EU) 2019/944 die Kosten, die einem ÜNB/FNB oder sonstigem Vorhabenträger infolge der Investitionen tatsächlich entstanden sind, sofern diese Kosten denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Betreibers entsprechen.
Die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden übermitteln der Agentur die Kostenaufteilungsentscheidung unverzüglich zusammen mit allen für die Entscheidung relevanten Informationen. Insbesondere muss in der Kostenaufteilungsentscheidung die Aufteilung der Kosten auf die Mitgliedstaaten genau begründet werden, unter anderem durch
- a)
- eine Bewertung der ermittelten Auswirkungen auf die einzelnen betroffenen Mitgliedstaaten, einschließlich der Auswirkungen auf die Netztarife;
- b)
- eine Bewertung des in Absatz 4 Unterabsatz 1 Buchstabe b genannten Geschäftsplans;
- c)
- regionale oder unionsweite positive externe Effekte z. B. in Bezug auf Versorgungssicherheit, Systemflexibilität, Solidarität oder Innovationen, die sich durch das Vorhaben ergeben;
- d)
- das Ergebnis der Konsultation der betroffenen Vorhabenträger.
Die Kostenaufteilungsentscheidung wird veröffentlicht.
(7) Erzielen die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Investitionsantrags bei der letzten zuständigen nationalen Regulierungsbehörde keine Einigung hinsichtlich des Investitionsantrags, so setzen sie die Agentur hiervon unverzüglich in Kenntnis.
In diesem Fall oder auf gemeinsames Ersuchen der zuständigen nationalen Regulierungsbehörden entscheidet die Agentur innerhalb von drei Monaten nach ihrer Befassung über den Investitionsantrag einschließlich der grenzüberschreitenden Kostenaufteilung gemäß Absatz 5.
Vor dieser Entscheidung konsultiert die Agentur die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden und die Vorhabenträger. Die in Unterabsatz 2 genannte Frist von drei Monaten kann um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn die Agentur zusätzliche Informationen anfordert. Diese zusätzliche Frist beginnt am Tag nach dem Eingang der vollständigen Informationen.
Bei der Bewertung durch die Agentur werden alle relevanten in Artikel 12 genannten Szenarien sowie weitere Szenarien für die Netzentwicklungsplanung berücksichtigt, was eine verlässliche Analyse ermöglicht, inwiefern das Vorhaben von gemeinsamem Interesse zu den energiepolitischen Unionszielen der Dekarbonisierung, der Marktintegration, des Wettbewerbs, der Nachhaltigkeit und der Versorgungssicherheit beiträgt. Werden zusätzliche Szenarien verwendet, so müssen diese mit den energie- und klimapolitischen Vorgaben der Union für 2030 und ihrem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im Einklang stehen und dem gleichen Niveau an Konsultation und Kontrolle unterliegen wie das in Artikel 12 vorgesehene Verfahren.
Die Agentur überlässt es bei ihrer Entscheidung über den Investitionsantrag einschließlich der grenzüberschreitenden Kostenaufteilung den zuständigen nationalen Behörden, zum Zeitpunkt der Umsetzung der Entscheidung im Einklang mit dem nationalen Recht darüber zu befinden, auf welche Weise die Investitionskosten im Einklang mit der vorgeschriebenen grenzüberschreitenden Kostenaufteilung in die Tarife einbezogen werden sollen.
Die Entscheidung über den Investitionsantrag einschließlich der grenzüberschreitenden Kostenaufteilung wird veröffentlicht. Es gelten Artikel 25 Absatz 3 sowie die Artikel 28 und 29 der Verordnung (EU) 2019/942.
(8) Die Agentur übermittelt der Kommission unverzüglich eine Kopie aller Kostenaufteilungsentscheidungen zusammen mit allen relevanten Informationen zu jeder Entscheidung. Diese Informationen können in zusammengefasster Form übermittelt werden. Die Kommission behandelt wirtschaftlich sensible Informationen vertraulich.
(9) Die Kostenaufteilungsentscheidungen berühren weder das Recht der ÜNB/FNB auf Erhebung von Netzzugangsentgelten gemäß Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009, Artikel 18 Absatz 1 und Absätze 3 bis 6 der Verordnung (EU) 2019/943, Artikel 32 der Richtlinie 2009/73/EG sowie Artikel 6 der Richtlinie (EU) 2019/944 noch das Recht der nationalen Regulierungsbehörden auf die Genehmigung von Netzzugangsentgelten nach den genannten Bestimmungen.
(10) Dieser Artikel gilt nicht für Vorhaben von gemeinsamem Interesse, für die eine der folgenden Ausnahmen gewährt wurde:
- a)
- eine Ausnahme von den Artikeln 32, 33 und 34 sowie von Artikel 41 Absätze 6, 8 und 10 der Richtlinie 2009/73/EG gemäß Artikel 36 jener Richtlinie;
- b)
- eine Ausnahme von Artikel 19 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EU) 2019/943 oder von Artikel 6, Artikel 59 Absatz 7 und Artikel 60 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/944 gemäß Artikel 63 der Verordnung (EU) 2019/943;
- c)
- eine Ausnahme von den Entflechtungsvorschriften oder den Vorschriften für den Netzzugang Dritter gemäß Artikel 17 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) oder Artikel 64 der Verordnung (EU) 2019/943 und Artikel 66 der Richtlinie (EU) 2019/944.
(11) Die Agentur erlässt bis zum 24. Juni 2023 eine Empfehlung zur Ermittlung bewährter Verfahren für die Bearbeitung von Investitionsanträgen für Vorhaben von gemeinsamem Interesse. Diese Empfehlung wird regelmäßig aktualisiert, sofern Bedarf besteht, insbesondere, um für Kohärenz mit den Grundsätzen für die grenzüberschreitende Kostenaufteilung bei Offshore-Netzen für erneuerbare Energie gemäß Artikel 15 Absatz 1 zu sorgen. Bei der Annahme oder Änderung der Empfehlung führt die Agentur ein umfassendes Konsultationsverfahren durch, an dem alle relevanten Interessenträger beteiligt sind.
(12) Dieser Artikel gilt sinngemäß für Vorhaben von gegenseitigem Interesse.
Fußnote(n):
- (1)
Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 15).
© Europäische Union 1998-2021
Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.