Artikel 12 VO (EU) 2023/1543

Gründe für die Ablehnung von Europäischen Herausgabeanordnungen

(1) Hat die Anordnungsbehörde gemäß Artikel 8 eine Unterrichtung der Vollstreckungsbehörde vorgenommen, so prüft die Vollstreckungsbehörde unbeschadet des Artikels 1 Absatz 3 so bald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt der Unterrichtung oder in Notfällen spätestens innerhalb von 96 Stunden nach deren Erhalt, die in der Anordnung enthaltenen Informationen und macht gegebenenfalls einen oder mehrere der folgenden Ablehnungsgründe geltend:

a)
die angeforderten Daten sind durch Immunitäten oder Vorrechte geschützt, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats gewährt werden, wodurch die Ausführung oder Vollstreckung der Anordnung verhindert wird, oder die angeforderten Daten unterliegen Vorschriften zur Bestimmung und Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Bezug auf die Freiheit der Presse und das Recht auf freie Meinungsäußerung in anderen Medien, wodurch die Ausführung oder Vollstreckung der Anordnung verhindert wird;
b)
in Ausnahmefällen bestehen aufgrund genauer und objektiver Belege berechtigte Gründe zu der Annahme, dass die Ausführung der Anordnung unter den besonderen Umständen des Falles eine offensichtliche Verletzung eines einschlägigen in Artikel 6 EUV und der Charta verankerten Grundrechts zur Folge hätte;
c)
die Ausführung der Anordnung würde dem Grundsatz „ne bis in idem” zuwiderlaufen;
d)
die Handlung, aufgrund deren die Anordnung erlassen wurde, stellt nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat dar, es sei denn, sie betrifft eine Straftat, die unter den in Anhang IV aufgeführten Kategorien von Straftaten – wie von der Anordnungsbehörde im EPOC angegeben – genannt wird, und sofern die Straftat im Anordnungsstaat mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist.

(2) Macht die Vollstreckungsbehörde gemäß Absatz 1 einen Ablehnungsgrund geltend, so setzt sie den Adressaten und die Anordnungsbehörde hiervon in Kenntnis. Der Adressat beendet die Vollstreckung der Europäischen Herausgabeanordnung und darf die Daten nicht übermitteln, und die Anordnungsbehörde widerruft die Anordnung.

(3) Bevor die nach Artikel 8 unterrichtete Vollstreckungsbehörde beschließt, einen Ablehnungsgrund geltend zu machen, setzt sie sich in geeigneter Weise mit der Anordnungsbehörde in Verbindung, um die zu treffenden angemessenen Maßnahmen zu erörtern. Auf dieser Grundlage kann die Anordnungsbehörde beschließen, die Europäische Herausgabeanordnung anzupassen oder zurückzuziehen. Wird im Anschluss an diese Erörterung keine Einigung erzielt, so kann die nach Artikel 8 unterrichtete Vollstreckungsbehörde beschließen, Gründe für die Ablehnung der Europäischen Herausgabeanordnung geltend zu machen, und muss dementsprechend die Anordnungsbehörde und den Adressaten hiervon in Kenntnis setzen.

(4) Beschließt die Vollstreckungsbehörde, gemäß Absatz 1 Ablehnungsgründe geltend zu machen, so kann sie angeben, ob sie Einwände gegen die Übermittlung sämtlicher Daten hat oder ob die Daten nur teilweise übermittelt oder nur unter bestimmten Bedingungen, die die Vollstreckungsbehörde gegebenenfalls anzugeben hat, verwendet werden dürfen.

(5) Hat eine Behörde des Vollstreckungsstaats die Befugnis für die Aufhebung der Immunität oder des Vorrechts im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a des vorliegenden Artikels, so kann die Anordnungsbehörde die gemäß Artikel 8 unterrichtete Vollstreckungsbehörde darum ersuchen, Verbindung mit der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats aufzunehmen, um diese zu ersuchen, Ihre Befugnis unverzüglich auszuüben. Ist eine Behörde eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlands oder eine internationale Organisation für die Aufhebung der Immunität oder des Vorrechts zuständig, so kann die Anordnungsbehörde, die betreffende Behörde um Ausübung dieser Befugnis zu ersuchen.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.