Artikel 3 VO (EU) 2023/1543

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.
„Europäische Herausgabeanordnung” eine Entscheidung, mit der die Herausgabe elektronischer Beweismittel angeordnet wird, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats im Einklang mit Artikel 4 Absätze 1, 2, 4 und 5 erlassen oder validiert wird und die an eine benannte Niederlassung oder einen Vertreter eines Diensteanbieters, der in der Union Dienste anbietet, gerichtet ist, sofern sich die benannte Niederlassung oder der Vertreter in einem durch diese Verordnung gebundenen anderen Mitgliedstaat befindet;
2.
„Europäische Sicherungsanordnung” eine Entscheidung, mit der die Sicherung elektronischer Beweismittel zum Zweck eines späteren Ersuchens um Herausgabe angeordnet wird, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats im Einklang mit Artikel 4 Absätze 3, 4 und 5 erlassen oder validiert wird und die an eine benannte Niederlassung oder einen Vertreter eines Diensteanbieters, der in der Union Dienste anbietet, gerichtet ist, sofern sich die benannte Niederlassung oder der Vertreter in einem durch diese Verordnung gebundenen anderen Mitgliedstaat befindet;
3.
„Diensteanbieter” jede natürliche oder juristische Person, die eine oder mehrere der folgenden Dienstleistungskategorien anbietet, ausgenommen Finanzdienstleistungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(1):

a)
elektronische Kommunikationsdienste im Sinne des Artikels 2 Nummer 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972;
b)
Internetdomänennamen- und IP-Nummerierungsdienste wie Dienste der IP-Adressenzuweisung und der Domänennamen-Registrierung, Domänennamen-Registrierungsstellendienste und mit Domänennamen verbundene Datenschutz- und Proxy-Dienste;
c)
andere Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535,

i)
die es ihren Nutzern ermöglichen, miteinander zu kommunizieren, oder
ii)
die es ermöglichen, für Nutzer, für welche die Dienstleistung erbracht wird, Daten zu speichern oder auf sonstige Weise zu verarbeiten, sofern die Speicherung von Daten ein bestimmender Bestandteil der für den Nutzer erbrachten Dienstleistung ist;

4.
„Anbieten von Diensten in der Union”

a)
die Schaffung einer Möglichkeit für natürliche oder juristische Personen in einem Mitgliedstaat, die in Nummer 3 genannten Dienste in Anspruch zu nehmen, und
b)
eine aufgrund konkreter faktischer Kriterien gegebene wesentliche Verbindung zu dem unter Buchstabe a genannten Mitgliedstaat; dabei gilt eine solche wesentliche Verbindung dann als unterhalten, wenn der Diensteanbieter eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat oder wenn es – in Ermangelung einer solchen – in einem oder mehreren Mitgliedstaaten eine erhebliche Zahl von Nutzern gibt oder wenn die Tätigkeiten auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten ausgerichtet sind;

5.
„Niederlassung” einen Rechtsträger, der tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit durch eine stabile Infrastruktur ausübt, von der aus die Geschäftstätigkeit der Dienstleistungserbringung ausgeübt oder die Geschäftstätigkeit verwaltet wird;
6.
„benannte Niederlassung” eine Niederlassung mit Rechtspersönlichkeit, die ein Dienstleister, der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen ist, der sich an einem in Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2023/1544 genannten Rechtsinstrument beteiligt, für die in Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der genannten Richtlinie genannten Zwecke schriftlich benannt hat;
7.
„Vertreter” eine natürliche oder juristische Person, die ein Dienstleister, der nicht in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist, der sich an einem in Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2023/1544 genannten Rechtsinstrument beteiligt, für die in Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der genannten Richtlinie genannten Zwecke schriftlich bestellt hat;
8.
„elektronische Beweismittel” Teilnehmerdaten, Verkehrsdaten oder Inhaltsdaten, die zum Zeitpunkt des Erhalts einer Bescheinigung über eine Europäische Herausgabeanordnung (EPOC) oder einer Bescheinigung über eine Europäische Sicherungsanordnung (EPOC-PR) in elektronischer Form von einem Diensteanbieter oder in seinem Auftrag gespeichert werden;
9.
„Teilnehmerdaten” alle Daten, die bei einem Diensteanbieter über die Teilnahme an seinen Diensten vorliegen und Folgendes betreffen:

a)
die Identität eines Teilnehmers oder Kunden, wie der Name, das Geburtsdatum, die Postanschrift oder geografische Anschrift, Rechnungs- und Zahlungsdaten, die Telefonnummer oder die E-Mail-Adresse, die angegeben wurden;
b)
die Art der Dienstleistung und ihre Dauer, einschließlich technischer Daten und Daten, mit denen verbundene technische Maßnahmen oder Schnittstellen identifiziert werden, die von einem Teilnehmer oder Kunden zum Zeitpunkt der erstmaligen Registrierung/Anmeldung oder Aktivierung verwendet oder dem Teilnehmer oder Kunden zur Verfügung gestellt werden, und Daten im Zusammenhang mit der Validierung der Nutzung des Dienstes – mit Ausnahme von Passwörtern oder anderen Authentifizierungsmitteln, die anstelle eines Passworts verwendet werden –, die von einem Nutzer bereitgestellt oder auf Anfrage eines Nutzers erstellt werden;

10.
„ausschließlich zum Zweck der Identifizierung des Nutzers angeforderte Daten” die IP-Adressen und, falls notwendig, die relevanten Quellports und Zeitstempel, nämlich Datum und Uhrzeit, oder die technischen Äquivalente dieser Kennungen und die damit zusammenhängenden Informationen, sofern sie von Strafverfolgungs- oder Justizbehörden ausschließlich zum Zweck der Identifizierung des Nutzers in einer bestimmten strafrechtlichen Ermittlung angefordert werden;
11.
„Verkehrsdaten” Daten, die sich auf die Erbringung einer von einem Diensteanbieter angebotenen Dienstleistung beziehen, dazu dienen, Kontext- oder Zusatzinformationen über eine solche Dienstleistung zu liefern und von einem Informationssystem des Diensteanbieters generiert oder verarbeitet werden, beispielsweise Ursprung und Ziel einer Nachricht oder einer anderen Art von Interaktion, Daten über den Standort des Geräts, Datum, Uhrzeit, Dauer, Größe, Route, Format, verwendetes Protokoll und Art der Kompression, sowie andere Metadaten der elektronischen Kommunikation und Daten, die keine Teilnehmerdaten sind, über den Beginn und die Beendigung der Nutzersitzung für einen Dienst, etwa das Datum und die Uhrzeit der Nutzung, die Anmeldung bei und die Abmeldung von dem Dienst;
12.
„Inhaltsdaten” alle Daten in einem digitalen Format wie Text, Sprache, Videos, Bilder und Tonaufzeichnungen, die nicht Teilnehmer- oder Verkehrsdaten sind;
13.
„Informationssystem” ein Informationssystem im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(2);
14.
„Anordnungsstaat” den Mitgliedstaat, in dem die Europäische Herausgabeanordnung oder die Europäische Sicherungsanordnung erlassen wird;
15.
„Anordnungsbehörde” die zuständige Behörde im Anordnungsstaat, die im Einklang mit Artikel 4 eine Europäische Herausgabeanordnung oder eine Europäische Sicherungsanordnung erlassen kann;
16.
„Vollstreckungsstaat” den Mitgliedstaat, in dem die benannte Niederlassung niedergelassen oder der Vertreter ansässig ist und an den eine Europäische Herausgabeanordnung und ein EPOC oder eine Europäische Sicherungsanordnung und ein EPOC-PR von der Anordnungsbehörde zur Mitteilung oder zur Vollstreckung im Einklang mit dieser Verordnung übermittelt werden;
17.
„Vollstreckungsbehörde” die Behörde im Vollstreckungsstaat, die im Einklang mit dem nationalen Recht dieses Staates für die Entgegennahme einer Europäischen Herausgabeanordnung und eines EPOC oder einer Europäischen Sicherungsanordnung und eines EPOC-PR zuständig ist, die von der Anordnungsbehörde zur Mitteilung oder zur Vollstreckung im Einklang mit dieser Verordnung übermittelt werden;
18.
„Notfall” eine Situation, in der eine unmittelbare Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Sicherheit einer Person oder für eine kritische Infrastruktur im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2008/114/EG besteht, wenn die Störung oder Zerstörung einer kritischen Infrastruktur zu einer unmittelbaren Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Sicherheit einer Person führen würde, auch durch die schwere Beeinträchtigung der Bereitstellung der Grundversorgung für die Bevölkerung oder der Wahrnehmung der Kernfunktionen des Staates;
19.
„Verantwortlicher” den Verantwortlichen im Sinne des Artikels 4 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2016/679;
20.
„Auftragsverarbeiter” den Auftragsverarbeiter im Sinne des Artikels 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679;
21.
„dezentrales IT-System” ein Netzwerk von IT-Systemen und interoperablen Zugangspunkten, die unter der jeweiligen Verantwortung und Verwaltung jedes Mitgliedstaats oder jeder Einrichtung oder jeder sonstigen Stelle der Union betrieben werden, wodurch der sichere und zuverlässige grenzübergreifende Informationsaustausch ermöglicht wird.

Fußnote(n):

(1)

Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36).

(2)

Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates (ABl. L 218 vom 14.8.2013, S. 8).

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