Artikel 3 VO (EU) 2024/1309
Zugang zu bestehenden physischen Infrastrukturen
(1) Netzbetreiber und öffentliche Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, geben allen von einem Betreiber schriftlich gestellten zumutbaren Anträgen auf Zugang zu den betreffenden physischen Infrastrukturen im Hinblick auf den Aufbau von Komponenten von VHC-Netzen oder zugehörigen Einrichtungen zu fairen und angemessenen Bedingungen, einschließlich des Preises, statt. Öffentliche Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, geben ferner allen zumutbaren Anträgen auf Zugang zu nichtdiskriminierenden Bedingungen statt. In solchen schriftlichen Anträgen müssen die Komponenten der physischen Infrastrukturen, zu denen der Zugang beantragt wird, sowie ein genauer Zeitplan angegeben sein. Die Mitgliedstaaten können detaillierte Anforderungen in Bezug auf die verwaltungstechnischen Aspekte der Anträge festlegen.
(2) Auf Antrag eines Betreibers verhandeln juristische Personen, die in erster Linie als Mieter von Grundstücken oder als Inhaber von Rechten — mit Ausnahme von Eigentumsrechten — an Grundstücken, auf denen Einrichtungen im Hinblick auf den Aufbau von Komponenten von VHC-Netzen installiert werden sollen oder installiert wurden, tätig sind oder die Miet- oder Pachtverträge für Grundbesitzer verwalten, und Betreiber in gutem Glauben nach nationalem Vertragsrecht über den Zugang zu diesen Grundstücken, einschließlich über den Preis, der — falls zweckmäßig — Marktbedingungen entspricht.
Die Betreiber und die in Unterabsatz 1 dieses Absatzes genannten juristischen Personen unterrichten die nationale Regulierungsbehörde über den Abschluss der gemäß Unterabsatz 1 getroffenen Vereinbarungen, einschließlich des vereinbarten Preises.
Die Mitgliedstaaten können Orientierungshilfen zu den Bedingungen, einschließlich des Preises, bereitstellen, um den Abschluss solcher Vereinbarungen zu erleichtern.
(3) Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass Eigentümer privater gewerblicher Gebäude, die sich nicht im Eigentum von Netzbetreibern befinden oder von ihnen kontrolliert werden, zumutbaren schriftlich gestellten Anträgen eines Betreibers auf Zugang zu diesen Gebäuden, einschließlich ihrer Dächer, im Hinblick auf die Installation von Komponenten von VHC-Netzen oder zugehörigen Einrichtungen zu fairen und angemessenen Bedingungen und zu einem den Marktbedingungen entsprechenden Preis stattgeben müssen. Vor einem solchen Antrag des Zugangsnachfragers müssen alle folgenden Bedingungen erfüllt sein:
- a)
- Das Gebäude befindet sich in einem von den Mitgliedstaaten als solches definierten ländlichen oder abgelegenen Gebiet;
- b)
- es gibt in dem Gebiet, für das der Zugang beantragt wird, kein VHC-Netz derselben Art — Festnetz oder Mobilfunknetz — wie dasjenige, das der Zugangsnachfrager aufzubauen beabsichtigt, und der Aufbau eines solchen Netzes ist laut den zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügbaren Informationen, die über die zentrale Informationsstelle erfasst wurden, nicht geplant;
- c)
- es gibt in dem Gebiet, für das der Zugang beantragt wird, keine physischen Infrastrukturen, die sich im Eigentum von Netzbetreibern oder öffentlichen Stellen befinden oder von ihnen kontrolliert werden und technisch geeignet sind, Komponenten von VHC-Netzen aufzunehmen.
Die Mitgliedstaaten können eine Liste von Kategorien gewerblicher Gebäude festlegen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Verteidigung, Sicherheit und Gesundheit von der Verpflichtung, einem solchen Zugangsantrag stattzugeben, ausgenommen werden können. Diese Liste und die für die Ausweisung dieser Kategorien anzuwendenden Kriterien werden über eine zentrale Informationsstelle veröffentlicht.
(4) Bei der Festlegung fairer und angemessener Bedingungen, einschließlich der Preise, für die Zugangsgewährung und zur Vermeidung überhöhter Preise berücksichtigen Netzbetreiber und öffentliche Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, gegebenenfalls mindestens Folgendes:
- a)
- bestehende Verträge und vereinbarte Geschäftsbedingungen zwischen Betreibern, die Zugang nachfragen, und Netzbetreibern oder öffentlichen Stellen, die Zugang zu physischen Infrastrukturen gewähren;
- b)
- die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass der Zugangsanbieter eine faire Chance hat, die ihm durch die Gewährung des Zugangs zu seinen physischen Infrastrukturen entstehenden Kosten zu decken, wobei besonderen nationalen Bedingungen, Geschäftsmodellen und etwaigen Tarifstrukturen, die eingerichtet wurden, um eine faire Chance zur Kostendeckung zu bieten, Rechnung zu tragen ist; bei elektronischen Kommunikationsnetzen sind auch alle von einer nationalen Regulierungsbehörde auferlegten Abhilfemaßnahmen zu berücksichtigen;
- c)
- etwaige zusätzliche Wartungs- und Anpassungskosten, die sich aus der Gewährung des Zugangs zu der betreffenden Infrastruktur ergeben;
- d)
- die Folgen des beantragten Zugangs für den Geschäftsplan des Zugangsanbieters, einschließlich Investitionen in die physischen Infrastrukturen, zu denen der Zugang beantragt wurde;
- e)
-
im besonderen Fall des Zugangs zu physischen Infrastrukturen von Betreibern etwaige einschlägige Orientierungshilfen gemäß Absatz 13, insbesondere:
- i)
- die Wirtschaftlichkeit solcher Investitionen, ausgehend von ihrem Risikoprofil,
- ii)
- die Notwendigkeit einer angemessenen Rendite und eines etwaigen Zeitplans für eine solche Rendite,
- iii)
- etwaige Auswirkungen des Zugangs auf den nachgelagerten Wettbewerb und folglich auf Preise und Rendite,
- iv)
- eine etwaige Abschreibung der Netzanlagen zum Zeitpunkt des Zugangsantrags,
- v)
- etwaige wirtschaftliche Analysen, die der Investition zum Zeitpunkt ihrer Tätigung zugrunde lagen, insbesondere bei Investitionen in die physischen Infrastrukturen, die zur Netzanbindung genutzt werden, und
- vi)
- etwaige dem Zugangsnachfrager zuvor angebotene Möglichkeiten der gemeinsamen Investition in den Aufbau physischer Infrastrukturen, insbesondere gemäß Artikel 76 der Richtlinie (EU) 2018/1972, oder eines parallelen gemeinsamen Aufbaus;
- f)
- bei der Berücksichtigung der Notwendigkeit einer angemessenen, den Marktbedingungen entsprechenden Rendite für die Betreiber ihre unterschiedlichen Geschäftsmodelle, insbesondere im Fall von Unternehmen, die in erster Linie zugehörige Einrichtungen bereitstellen und die mehr als einem Unternehmen, das öffentliche elektronische Kommunikationsnetze bereitstellt oder für deren Bereitstellung zugelassen ist, einen physischen Zugang anbieten.
(5) Netzbetreiber und öffentliche Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, können den Zugang zu bestimmten physischen Infrastrukturen unter Berufung auf einen oder mehrere der folgenden Gründe verweigern:
- a)
- die physischen Infrastrukturen, zu denen Zugang beantragt wurde, sind für die Aufnahme einer der in Absatz 1 genannten Komponenten von VHC-Netzen technisch ungeeignet;
- b)
- mangelnder verfügbarer Platz für die Aufnahme der in Absatz 1 genannten Komponenten von VHC-Netzen oder zugehörigen Einrichtungen, auch unter Berücksichtigung des künftigen Platzbedarfs des Zugangsanbieters, der etwa durch Verweis auf öffentlich verfügbare Investitionspläne oder auf einen konsequent angewandten Prozentsatz für die im Hinblick auf künftige Bedürfnisse freigehaltene Kapazität im Vergleich zur gesamten Kapazität der physischen Infrastrukturen hinreichend nachgewiesen ist;
- c)
- das Vorliegen gerechtfertigter Gründe hinsichtlich der Sicherheit, der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit;
- d)
- das Vorliegen hinreichend gerechtfertigter Gründe hinsichtlich der Integrität und Sicherheit bereits bestehender Netze, insbesondere nationaler kritischer Infrastrukturen;
- e)
- das Vorliegen eines hinreichend gerechtfertigten Risikos, dass die geplanten elektronischen Kommunikationsdienste die Erbringung anderer Dienste über dieselben physischen Infrastrukturen ernsthaft stören könnten;
- f)
- die Verfügbarkeit tragfähiger, für die Bereitstellung von VHC-Netzen geeigneter Alternativen für den passiven physischen Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen auf der Vorleistungsebene, die derselbe Netzbetreiber zu fairen und angemessenen Bedingungen anbietet oder — im besonderen Fall ländlicher oder abgelegener Gebiete, in denen ein Netz ausschließlich auf Vorleistungsebene betrieben wird und sich im Eigentum oder unter der Kontrolle öffentlicher Stellen befindet — die durch den Betreiber dieses Netzes bereitgestellt werden.
(6) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Netzbetreiber und öffentlichen Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, den Zugang zu bestimmten physischen Infrastrukturen verweigern können, wenn vom selben Netzbetreiber oder derselben öffentlichen Stelle tragfähige Alternativen für den diskriminierungsfreien offenen aktiven Zugang zu VHC-Netzen auf der Vorleistungsebene bereitgestellt werden, sofern beide folgende Bedingungen erfüllt sind:
- a)
- Diese tragfähigen Alternativen für den Zugang auf der Vorleistungsebene werden zu fairen und angemessenen Bedingungen, einschließlich des Preises, angeboten;
- b)
- das Aufbauprojekt des antragstellenden Betreibers betrifft das gleiche Abdeckungsgebiet und es gibt in dem Abdeckungsgebiet kein anderes Glasfasernetz für den Anschluss an Räume von Endnutzern.
Dieser Absatz gilt nur für diejenigen Mitgliedstaaten, in denen diese oder eine gleichwertige Verweigerungsmöglichkeit am 11. Mai 2024 nach Maßgabe des mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Rechts angewandt wird.
(7) Im Falle einer Zugangsverweigerung gemäß den Absätzen 5 und 6 teilt der Netzbetreiber oder die öffentliche Stelle, die Eigentümer der physischen Infrastrukturen ist oder diese kontrolliert, dem Zugangsnachfrager spätestens einen Monat nach dem Tag des Eingangs des vollständigen Zugangsantrags schriftlich die besonderen und ausführlichen Gründe für diese Verweigerung mit, außer bei nationalen kritischen Infrastrukturen im Sinne des nationalen Rechts, für die dem Zugangsnachfrager in der Mitteilung über die Verweigerung keine besonderen und ausführlichen Gründe angegeben werden müssen.
(8) Die Mitgliedstaaten können eine Stelle einrichten oder benennen, die Anträge auf Zugang zu physischen Infrastrukturen, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle öffentlicher Stellen befinden, koordiniert, rechtliche und technische Beratung beim Aushandeln von Zugangsbedingungen leistet und die Bereitstellung von Informationen über eine zentrale Informationsstelle gemäß Artikel 12 erleichtert.
(9) Für physische Infrastrukturen, die bereits Zugangsverpflichtungen unterliegen, die von nationalen Regulierungsbehörden gemäß der Richtlinie (EU) 2018/1972 auferlegt wurden oder die sich aus der Anwendung der Vorschriften der Union über staatliche Beihilfen ergeben, gelten die in den Absätzen 1, 4 und 5 festgelegten Verpflichtungen nicht, solange solche Zugangsverpflichtungen bestehen.
(10) Öffentliche Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen oder bestimmter Kategorien physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, können aus Gründen des architektonischen, historischen, religiösen oder ökologischen Wertes oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Verteidigung, Sicherheit und Gesundheit von der Anwendung der Absätze 1, 4 und 5 auf diese physischen Infrastrukturen oder Kategorien physischer Infrastrukturen absehen. Die Mitgliedstaaten oder gegebenenfalls regionale und lokale Behörden weisen solche physischen Infrastrukturen oder Kategorien physischer Infrastrukturen in ihrem Hoheitsgebiet gestützt auf hinreichend gerechtfertigte und verhältnismäßige Gründe aus. Die Liste der Kategorien physischer Infrastrukturen und die für ihre Ausweisung angewandten Kriterien werden über eine zentrale Informationsstelle zugänglich gemacht.
(11) Betreiber haben das Recht, Zugang zu ihren physischen Infrastrukturen zum Zwecke des Aufbaus anderer Netze als elektronischer Kommunikationsnetze oder zugehöriger Einrichtungen anzubieten.
(12) Ungeachtet des Absatzes 3 berührt dieser Artikel weder das Eigentumsrecht des Eigentümers der physischen Infrastrukturen, falls der Netzbetreiber oder die öffentliche Stelle nicht der Eigentümer ist, noch das Eigentumsrecht von Dritten, wie z. B. Grund- und Gebäudeeigentümern, noch gegebenenfalls die Rechte von Mietern.
(13) Nach Anhörung der Interessenträger, der nationalen Streitbeilegungsstellen bzw. anderer zuständiger Einrichtungen oder Stellen der Union in den betreffenden Wirtschaftszweigen und unter Berücksichtigung bewährter Grundsätze und der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten kann die Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem GEREK Orientierungshilfen für die Anwendung dieses Artikels bereitstellen.
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