Präambel RL 2011/77/EU

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 53 Absatz 1, Artikel 62 und Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

gemäß dem gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
In der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(3) wurde die Schutzdauer für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller auf 50 Jahre festgelegt.
(2)
Für ausübende Künstler beginnt dieser Zeitraum mit der Darbietung oder, wenn die Aufzeichnung der Darbietung innerhalb von 50 Jahren ab der Darbietung erlaubterweise veröffentlicht oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben wird, mit dieser ersten Veröffentlichung oder ersten öffentlichen Wiedergabe, je nachdem, welches Ereignis zuerst stattgefunden hat.
(3)
Für die Tonträgerhersteller beginnt dieser Zeitraum mit der Aufzeichnung oder mit der erlaubten Veröffentlichung des Tonträgers innerhalb von 50 Jahren nach der Aufzeichnung oder, wenn dieser nicht so veröffentlicht wird, mit der erlaubten öffentlichen Wiedergabe innerhalb von 50 Jahren nach der Aufzeichnung.
(4)
Die gesellschaftlich anerkannte Bedeutung des kreativen Beitrags ausübender Künstler sollte sich in einem Schutzniveau niederschlagen, das dem kreativen und künstlerischen Beitrag gerecht wird.
(5)
Ausübende Künstler beginnen ihre Laufbahn im Allgemeinen relativ jung, so dass ihre Darbietungen bei der derzeitigen Schutzdauer von 50 Jahren für Aufzeichnungen von Darbietungen gegen Ende ihres Lebens häufig nicht mehr geschützt sind. Deshalb entsteht für einige ausübende Künstler am Ende ihres Lebens eine Einkommenslücke. Zudem können ausübende Künstler sich häufig nicht auf ihre Rechte stützen, um eine zweifelhafte Verwertung ihrer Darbietungen während ihres Lebens zu verhindern oder einzuschränken.
(6)
Die Einnahmen aus den ausschließlichen Rechten für die Vervielfältigung und Zugänglichmachung im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft(4) und dem gerechten Ausgleich für die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch im Sinne der genannten Richtlinie sowie die Einnahmen aus den ausschließlichen Rechten für die Verbreitung und Vermietung im Sinne der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums(5) sollten den ausübenden Künstlern während ihres gesamten Lebens zur Verfügung stehen.
(7)
Die Schutzdauer für Aufzeichnungen von Darbietungen und für Tonträger sollte deshalb auf 70 Jahre nach dem für den Beginn der Frist maßgebenden Ereignis verlängert werden.
(8)
Die Rechte an der Aufzeichnung einer Darbietung sollten an den ausübenden Künstler zurückgehen, wenn ein Tonträgerhersteller es unterlässt, eine Aufzeichnung, die ohne die Verlängerung der Schutzdauer gemeinfrei wäre, in einer ausreichenden Anzahl von Kopien im Sinne des Internationalen Abkommens über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen zum Verkauf anzubieten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Möglichkeit sollte nach Ablauf einer angemessenen Frist für den Tonträgerhersteller, diese beiden Nutzungshandlungen vorzunehmen, zur Verfügung stehen. Die Rechte des Tonträgerherstellers am Tonträger sollten deshalb erlöschen, um zu vermeiden, dass diese Rechte gleichzeitig mit den Rechten des ausübenden Künstlers an der Aufzeichnung bestehen, die nicht mehr an den Tonträgerhersteller übertragen oder abgetreten werden.
(9)
Ausübende Künstler, die eine vertragliche Beziehung mit einem Tonträgerhersteller eingehen, müssen diesem in der Regel ihre ausschließlichen Rechte für Vervielfältigung, Vertrieb, Vermietung und Zugänglichmachung von Aufzeichnungen ihrer Darbietungen übertragen. Im Ausgleich dafür erhalten einige ausübende Künstler einen Vorschuss auf Lizenzgebühren, Zahlungen aber erst dann, wenn der Tonträgerhersteller den Vorschuss wieder hereingeholt und alle vertraglich festgelegten Abzüge vorgenommen hat. Sonstige ausübende Künstler übertragen oder treten ihre ausschließlichen Rechte gegen eine einmalige Zahlung (nicht wiederkehrende Vergütung) ab. Dies ist insbesondere der Fall bei ausübenden Künstlern, die andere Künstler begleiten und nicht unter den Mitwirkenden aufgeführt werden ( „nicht namentlich genannte ausübende Künstler” ), aber bisweilen auch bei ausübenden Künstlern, die unter den Mitwirkenden aufgeführt werden ( „namentlich genannte Künstler” ).
(10)
Um sicherzustellen, dass ausübende Künstler, die ihre ausschließlichen Rechte an den Tonträgerhersteller übertragen oder abgetreten haben, tatsächlich von dieser Verlängerung profitieren, sollten verschiedene begleitende Maßnahmen ergriffen werden.
(11)
Eine erste begleitende Maßnahme sollte darin bestehen, den Tonträgerherstellern eine Verpflichtung aufzuerlegen, mindestens einmal jährlich einen Betrag in Höhe von 20 % der Einnahmen beiseite zu legen, die ihnen aus den ausschließlichen Rechten für Vertrieb, Vervielfältigung und Zugänglichmachung von Tonträgern zufließen. Der Ausdruck „Einnahmen” bezeichnet die vom Tonträgerhersteller erzielten Einnahmen vor Abzug der Abgaben.
(12)
Die Zahlung dieser Beträge sollte ausschließlich ausübenden Künstlern zugute kommen, deren Darbietungen auf einem Tonträger aufgezeichnet wurden und die ihre Rechte gegen eine einmalige Zahlung an den Tonträgerhersteller übertragen oder abgetreten haben. Die auf diese Weise reservierten Beträge sollten wenigstens einmal jährlich auf individueller Basis an nicht namentlich genannte ausübende Künstler ausgezahlt werden. Mit einer solchen Verteilung sollten die Verwertungsgesellschaften betraut werden und es können nationale Bestimmungen für nicht ausschüttungsfähige Einnahmen zur Anwendung kommen. Um die Auferlegung einer unverhältnismäßigen Belastung bei der Erhebung und Verwaltung dieser Einnahmen zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten regulieren können, in welchem Umfang Kleinstunternehmen beitragspflichtig sind, wenn solche Zahlungen offenbar nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu den Kosten für die Erhebung und Verwaltung solcher Einnahmen stehen.
(13)
Die ausübenden Künstler haben indessen gemäß Artikel 5 der Richtlinie 2006/115/EG bereits ein unverzichtbares Recht auf eine angemessene Vergütung für die Vermietung von, unter anderem, Tonträgern. Zudem übertragen die ausübenden Künstler in der vertraglichen Praxis den Tonträgerherstellern in der Regel weder ihr Recht auf die einzige angemessene Vergütung für die öffentliche Sendung und Wiedergabe nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 2006/115/EG noch ihr Recht auf einen gerechten Ausgleich für Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2001/29/EG. Einnahmen des Tonträgerherstellers aus der Vermietung von Tonträgern und die einzige angemessene Vergütung für die öffentliche Sendung und Wiedergabe sowie der für Privatkopien erhaltene gerechte Ausgleich sollten deshalb bei der Berechnung des Gesamtbetrags, den er für die Zahlung der ergänzenden Vergütung bereitstellen muss, nicht berücksichtigt werden.
(14)
Eine zweite begleitende Maßnahme, die darauf angelegt ist, Verträge, mit denen die ausübende Künstler ihre ausschließlichen Rechte gegen Lizenzen an einen Tonträgerhersteller übertragen, ausgewogen zu gestalten, sollte in einem völligen „Neustart” im Hinblick auf die Verträge für diejenigen ausübenden Künstler bestehen, die ihre oben genannten ausschließlichen Rechte an Tonträgerhersteller gegen Lizenzgebühren oder Vergütung abgetreten haben. Damit ausübende Künstler in den uneingeschränkten Genuss der verlängerten Schutzdauer gelangen können, sollten die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass den ausübenden Künstlern während der verlängerten Schutzdauer gemäß den Vereinbarungen zwischen den Tonträgerherstellern und den ausübenden Künstlern eine Lizenzgebühr bzw. Vergütung gezahlt wird, die nicht durch Vorschüsse oder vertraglich festgelegte Abzüge reduziert wird.
(15)
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte festgelegt werden, dass, sofern im Vertrag keine eindeutigen Hinweise auf das Gegenteil vorliegen, eine vertragliche Übertragung oder Abtretung der Rechte für die Aufzeichnung einer Darbietung auch während der verlängerten Schutzdauer gültig bleibt, wenn sie vor der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie durch die Mitgliedstaaten erfolgt ist.
(16)
Den Mitgliedstaaten sollte es möglich sein, vorzusehen, dass bestimmte Bestimmungen in den Verträgen, die wiederkehrende Zahlungen vorsehen, zugunsten der ausübenden Künstler neu ausgehandelt werden können. Die Mitgliedstaaten sollten Verfahren für den Fall einführen, dass die Neuaushandlung scheitert.
(17)
Diese Richtlinie sollte nationale Vorschriften und Vereinbarungen, die mit ihren Bestimmungen vereinbar sind, nicht berühren, z. B. Tarifverträge, die in Mitgliedstaaten zwischen Vertretungsorganisationen von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern geschlossen werden.
(18)
In einigen Mitgliedstaaten erhalten Musikkompositionen mit Text eine einheitliche Schutzdauer, die ab dem Tod des letzten überlebenden Urhebers berechnet wird, während in anderen Mitgliedstaaten für Musik und Text eine unterschiedliche Schutzdauer gilt. Musikkompositionen mit Text werden in der großen Mehrzahl der Fälle gemeinsam geschrieben. So ist beispielsweise eine Oper das Werk eines Librettisten und eines Komponisten. Auch in bestimmten musikalischen Genres wie Jazz, Rock und Pop ist der kreative Prozess häufig kooperativer Art.
(19)
Daraus ergeben sich hinsichtlich der Schutzdauer für Musikkompositionen mit Text, bei denen der Text und die Musik zur gemeinsamen Verwendung geschaffen wurden, Harmonisierungslücken, die den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen beispielsweise bei der grenzüberschreitenden kollektiven Verwertung von Urheberrechten behindern. Um sicherzustellen, dass solche Hindernisse beseitigt werden, sollte für alle solche Werke, die zu dem Zeitpunkt, bis zu dem die Mitgliedstaaten diese Richtlinie umsetzen müssen, noch geschützt sind, die gleiche harmonisierte Schutzdauer in allen Mitgliedstaaten gelten.
(20)
Die Richtlinie 2006/116/EG sollte daher entsprechend geändert werden.
(21)
Da die Ziele der begleitenden Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil nationale Maßnahmen auf diesem Gebiet entweder zu einer Wettbewerbsverzerrung führen oder die Reichweite der in Rechtsvorschriften der Union niedergelegten ausschließlichen Rechte der Tonträgerhersteller einschränken würden, und daher besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip Maßnahmen treffen. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(22)
Nach Nummer 34 der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung(6) sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, für ihre eigenen Zwecke und im Interesse der Union eigene Tabellen aufzustellen, aus denen im Rahmen des Möglichen die Entsprechungen zwischen dieser Richtlinie und den Umsetzungsmaßnahmen zu entnehmen sind, und diese zu veröffentlichen —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 36.

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23. April 2009 (ABl. C 184 E vom 8.7.2010, S. 331) und Beschluss des Rates vom 12. September 2011.

(3)

ABl. L 372 vom 27.12.2006, S. 12.

(4)

ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10.

(5)

ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 28.

(6)

ABl. C 321 vom 31.12.2003, S. 1.

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