Artikel 23a VO (EU) 2016/399
Verfahren zur Überstellung von in Binnengrenzgebieten aufgegriffenen Personen
(1) Unbeschadet des Artikels 22 wird in diesem Artikel das Verfahren für die Überstellung eines Drittstaatsangehörigen, der in Grenzgebieten gemäß Artikel 23 aufgegriffen wurde, festgelegt, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- a)
- Der Drittstaatsangehörige wird bei Kontrollen unter Beteiligung der zuständigen Behörden beider Mitgliedstaaten im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit, die insbesondere gemeinsame Polizeistreifen umfassen kann, aufgegriffen, sofern die Mitgliedstaaten vereinbart haben, im Rahmen dieser bilateralen Zusammenarbeit ein solches Verfahren anzuwenden, und
- b)
- es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass der Drittstaatsangehörige direkt aus einem anderen Mitgliedstaat eingetroffen ist, und es wird festgestellt, dass der Drittstaatsangehörige über kein Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in den er eingereist ist, verfügt, und zwar auf der Grundlage von den aufgreifenden Behörden unmittelbar zur Verfügung stehenden Informationen, einschließlich Aussagen der betreffenden Person, Identitäts-, Reise- oder sonstigen Dokumenten im Besitz dieser Person oder Ergebnissen von Abfragen in einschlägigen nationalen Datenbanken und Datenbanken der Union.
Das Verfahren nach den Absätzen 1 und 2 gilt nicht für Antragsteller im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Verordnung (EU) 2024/1348 des Europäischen Parlaments und des Rates(1), die internationalen Schutz beantragt haben, oder für Personen, denen internationaler Schutz im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 Verordnung (EU) 2024/1347 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) zuerkannt wurde.
Bei der Überstellung eines Drittstaatsangehörigen, bei dem der überstellende Mitgliedstaat vermutet, dass es sich um eine minderjährige Person handelt, unterrichtet der überstellende Mitgliedstaat den übernehmenden Mitgliedstaat über diese Vermutung, und beide Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Maßnahmen im Interesse des Kindeswohls und im Einklang mit ihren jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften getroffen werden.
(2) Abweichend von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2008/115/EG können die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, sofern die Voraussetzungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels erfüllt sind, beschließen, den betreffenden Drittstaatsangehörigen gemäß dem Verfahren in Anhang XII unverzüglich in den Mitgliedstaat zu überstellen, aus dem die Person eingetroffen ist.
(3) Drittstaatsangehörigen, die in Grenzgebieten aufgegriffen und nach dem Verfahren in diesem Artikel überstellt werden, steht ein Rechtsmittel zu. Die Verfahren für die Einlegung des Rechtsmittels gegen die Überstellungsentscheidung bestimmen sich nach nationalem Recht des überstellenden Mitgliedstaats. Den betreffenden Drittstaatsangehörigen wird ein wirksamer Rechtsbehelf gemäß Artikel 47 der Charta zur Verfügung gestellt. Den betreffenden Drittstaatsangehörigen werden in einer Sprache, die sie verstehen oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie sie verstehen, schriftliche Angaben zu Kontaktstellen gemacht, die sie über eine rechtliche Vertretung, die entsprechend dem nationalen Recht in ihrem Namen handeln kann, unterrichten können. Die Einlegung eines solchen Rechtsmittels hat keine aufschiebende Wirkung.
(4) Wendet ein überstellender Mitgliedstaat das in Absatz 2 genannte Verfahren an, so ist der übernehmende Mitgliedstaat verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den betreffenden Drittstaatsangehörigen gemäß den Verfahren in Anhang XII aufzunehmen. Im übernehmenden Mitgliedstaat gelten alle einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2008/115/EG.
(5) Die Mitgliedstaaten legen im Rahmen ihrer bilateralen Kooperationsrahmen praktische Modalitäten fest, unter anderem mit dem Ziel, die Anwendung des in diesem Artikel genannten Verfahrens grundsätzlich zu vermeiden, insbesondere an den Abschnitten der Binnengrenzen, an denen Grenzkontrollen wieder eingeführt oder verlängert wurden.
(6) Das in diesem Artikel festgelegte Verfahren lässt bestehende bilaterale Abkommen oder Vereinbarungen nach Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 2008/115/EG unberührt.
(7) Ab dem 11. Juli 2025 und danach jährlich übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission die gemäß Anhang XII Teil A Nummer 4 aufgezeichneten Daten.
Fußnote(n):
- (1)
Verordnung (EU)) 2024/1348 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU (
ABl. L, 2024/1348, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1348/oj ).- (2)
Verordnung (EU) 2024/1347 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2011/95/EU (
ABl. L, 2024/1347, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1347/oj ).
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