Artikel 22 VO (EU) 2021/23

Voraussetzungen für eine Abwicklung

(1) Die Abwicklungsbehörde leitet in Bezug auf eine CCP eine Abwicklungsmaßnahme ein, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)
Eine der beiden nachstehend genannten Behörden hat festgestellt, dass die CCP ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt:

i)
die zuständige Behörde nach Konsultation der Abwicklungsbehörde;
ii)
die Abwicklungsbehörde nach Konsultation der zuständigen Behörde, sofern die Abwicklungsbehörde über die für eine solche Feststellung notwendigen Instrumente verfügt;

b)
nach vernünftigem Ermessen und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände besteht keine Aussicht, dass der Ausfall der CCP innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen der Privatwirtschaft, einschließlich des Sanierungsplans der CCP oder anderer vertraglicher Vereinbarungen, oder durch aufsichtsbehördliche Maßnahmen, darunter Frühinterventionsmaßnahmen, abgewendet werden kann;
c)
eine Abwicklungsmaßnahme ist im öffentlichen Interesse für das Erreichen eines oder mehrerer Abwicklungsziele erforderlich und ist mit Blick auf diese verhältnismäßig, und diese Abwicklungsziele ließen sich durch eine Liquidation der CCP im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang erreichen.

(2) Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii stellt die zuständige Behörde der Abwicklungsbehörde von sich aus und umgehend alle Informationen zur Verfügung, die darauf hinweisen könnten, dass die CCP ausfällt oder wahrscheinlich ausfallen wird. Ferner stellt die zuständige Behörde der Abwicklungsbehörde auf Verlangen alle weiteren Informationen zur Verfügung, die für die Durchführung ihrer Bewertung erforderlich sind.

(3) Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe a gilt eine CCP als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend, wenn einer oder mehrere der folgenden Umstände vorliegen:

a)
Die CCP verstößt in einer Weise gegen ihre Zulassungsanforderungen, die nach Artikel 20 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 den Entzug ihrer Zulassung rechtfertigen würde, oder wird dies voraussichtlich tun;
b)
die CCP kann eine kritische Funktion nicht bereitstellen oder wird dazu voraussichtlich nicht in der Lage sein;
c)
die CCP kann ihre Existenzfähigkeit mithilfe ihrer Sanierungsmaßnahmen nicht wiederherstellen oder wird dazu voraussichtlich nicht in der Lage sein;
d)
die CCP kann ihre Schulden oder anderen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht begleichen oder wird dazu voraussichtlich nicht in der Lage sein;
e)
die CCP benötigt außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln.

(4) Finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln gilt für die Zwecke des Absatzes 3 Buchstaben e nicht als außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, sofern sie alle folgenden Voraussetzungen erfüllt:

a)
Es handelt sich um eine staatliche Garantie für Liquiditätsfazilitäten, die von einer Zentralbank zu deren Bedingungen bereitgestellt werden, oder eine staatliche Garantie für neu ausgegebene Verbindlichkeiten;
b)
die unter Ziffer i des vorliegenden Absatzes genannten staatlichen Garantien sind erforderlich, um bei einer schweren Störung der Volkswirtschaft eines Mitgliedstaats Abhilfe zu schaffen und die Finanzstabilität zu wahren; und
c)
die unter Buchstabe a des vorliegenden Absatzes genannten staatlichen Garantien werden nur solventen CCPs gewährt, müssen im Rahmen der Beihilfevorschriften der Union genehmigt werden, sind vorbeugender und vorübergehender Art, sind zur Abmilderung der Folgen der unter Buchstabe b des vorliegenden Absatzes genannten schweren Störung als verhältnismäßig zu betrachten und dienen nicht dem Ausgleich von Verlusten, die der CCP entstanden sind oder in Zukunft voraussichtlich entstehen werden.

(5) Die Abwicklungsbehörde kann auch dann eine Abwicklungsmaßnahme einleiten, wenn die CCP Sanierungsmaßnahmen angewandt hat oder anwenden will, die nach Auffassung der Abwicklungsbehörde den Ausfall der CCP zwar verhindern, aber eine erhebliche Beeinträchtigung des Finanzsystems in der Union oder in einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten nach sich ziehen könnten.

(6) Die ESMA erlässt bis zum 12. Februar 2022 Leitlinien, um in Bezug auf die Beurteilung der Umstände, unter denen eine CCP als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend anzusehen ist, konvergente Aufsichts- und Abwicklungspraktiken zu fördern, wobei sie gegebenenfalls die Art und Komplexität der Dienstleistungen, die von in der Union niedergelassenen CCPs erbracht werden, berücksichtigt.

Bei der Ausarbeitung dieser Leitlinien trägt die ESMA den gemäß Artikel 32 Absatz 6 der Richtlinie 2014/59/EU herausgegebenen Leitlinien Rechnung.

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