Artikel 106 VO (EU, Euratom ) 2012/966

Ausschlusskriterien und Verwaltungssanktionen

(1) Der öffentliche Auftraggeber schließt einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an Vergabeverfahren, die dieser Verordnung unterliegen, in den folgenden Fällen aus:

a)
Der Wirtschaftsteilnehmer ist zahlungsunfähig oder befindet sich in einem Insolvenzverfahren oder in Liquidation, seine Vermögenswerte werden von einem Insolvenzverwalter oder Gericht verwaltet, er befindet sich in einem Vergleichsverfahren, seine gewerbliche Tätigkeit wurde eingestellt, oder er befindet sich aufgrund eines in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahrens in einer vergleichbaren Lage.
b)
Durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine endgültige Verwaltungsentscheidung wurde festgestellt, dass der Wirtschaftsteilnehmer seinen Verpflichtungen zur Entrichtung seiner Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge gemäß dem Recht des Landes seiner Niederlassung, des Landes des öffentlichen Auftraggebers oder des Landes der Auftragsausführung nicht nachgekommen ist.
c)
Durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine endgültige Verwaltungsentscheidung wurde festgestellt, dass der Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat aufgrund eines Verstoßes gegen geltende Gesetze, Bestimmungen oder ethische Normen seines Berufsstandes oder aufgrund jeglicher Form von rechtswidrigem Handeln, das sich auf seine berufliche Glaubwürdigkeit auswirkt, wenn es vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt; dazu zählen insbesondere folgende Verhaltensweisen:

i)
falsche Erklärungen, die im Zuge der Mitteilung der erforderlichen Auskünfte zur Überprüfung des Fehlens von Ausschlussgründen oder der Einhaltung der Eignungskriterien bzw. bei der Auftragsausführung in betrügerischer Absicht oder durch Fahrlässigkeit abgegeben wurden,
ii)
Absprachen mit anderen Wirtschaftsteilnehmern mit dem Ziel einer Wettbewerbsverzerrung,
iii)
Verstoß gegen die Rechte des geistigen Eigentums,
iv)
Versuch der Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers während des Vergabeverfahrens,
v)
Versuch, vertrauliche Informationen über das Verfahren zu erhalten, durch die unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangt werden könnten.

d)
Durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung wurde festgestellt, dass der Wirtschaftsteilnehmer sich einer der folgenden Straftaten schuldig gemacht hat:

i)
Betrug im Sinne des Artikels 1 des mit dem Rechtsakt des Rates vom 26. Juli 1995 ausgearbeiteten Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften(1),
ii)
Bestechung im Sinne des Artikels 3 des mit dem Rechtsakt des Rates vom 26. Mai 1997(2) ausgearbeiteten Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, und des Artikels 2 Absatz 1 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates(3) sowie Bestechung im Sinne des Rechts des Landes des öffentlichen Auftraggebers, des Landes der Niederlassung des Wirtschaftsteilnehmers oder des Landes der Auftragsausführung,
iii)
Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung im Sinne des Artikels 2 des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates(4),
iv)
Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(5),
v)
Straftaten mit terroristischem Hintergrund oder Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten im Sinne des Artikels 1 beziehungsweise des Artikels 3 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates(6) oder Anstiftung, Beihilfe und Versuch im Sinne des Artikels 4 des genannten Beschlusses,
vi)
Kinderarbeit oder andere Formen des Menschenhandels im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(7).

e)
Der Wirtschaftsteilnehmer hat bei der Ausführung eines aus dem Haushalt finanzierten Auftrags erhebliche Mängel bei der Erfüllung der Hauptauflagen erkennen lassen, die eine vorzeitige Beendigung des Auftrags, die Anwendung von pauschaliertem Schadensersatz oder anderen Formen von Vertragsstrafen nach sich gezogen haben oder die durch Überprüfungen, Rechnungsprüfungen oder Ermittlungen eines Anweisungsbefugten, des OLAF oder des Rechnungshofs aufgedeckt wurden.
f)
Durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine endgültige Verwaltungsentscheidung wurde festgestellt, dass der Wirtschaftsteilnehmer eine Unregelmäßigkeit im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates(8) begangen hat.

(2) In Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- bzw. endgültigen Verwaltungsentscheidung in den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben c, d und f oder im Fall nach Absatz 1 Buchstabe e legt der öffentliche Auftraggeber bei entsprechendem Verhalten eines Wirtschaftsteilnehmers eine vorläufige rechtliche Bewertung für seinen Ausschluss zugrunde, wobei er sich auf die festgestellten Sachverhalte oder sonstigen Erkenntnisse aus der Empfehlung des in Artikel 108 genannten Gremiums stützt.

Die in Unterabsatz 1 genannte vorläufige rechtliche Bewertung greift der Beurteilung der Verhaltensweise des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers nach nationalem Recht durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nicht vor. Der öffentliche Auftraggeber überprüft seine Entscheidung über den Ausschluss des Wirtschaftsteilnehmers und/oder die Verhängung einer finanziellen Sanktion unverzüglich nach der Übermittlung einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer endgültigen Verwaltungsentscheidung. In den Fällen, in denen durch die rechtskräftige Gerichts- oder die endgültige Verwaltungsentscheidung keine Dauer des Ausschlusses festgelegt ist, legt der öffentliche Auftraggeber die Dauer aufgrund der festgestellten Sachverhalte und Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der Empfehlung des in Artikel 108 genannten Gremiums fest.

Wenn in der rechtskräftigen Gerichts- oder der endgültigen Verwaltungsentscheidung festgestellt wird, dass sich der Wirtschaftsteilnehmer des Verhaltens, aufgrund dessen der Ausschluss durch die vorläufige rechtliche Bewertung erfolgte, nicht schuldig gemacht hat, hebt der öffentliche Auftraggeber den Ausschluss unverzüglich auf und/oder erstattet gegebenenfalls verhängte finanzielle Sanktionen.

Die Sachverhalte und Erkenntnisse nach Unterabsatz 1 können insbesondere Folgendes umfassen:

a)
Sachverhalte, die im Zuge von Rechnungsprüfungen oder Ermittlungen des Rechnungshofs, des OLAF oder bei einer internen Rechnungsprüfung, oder bei sonstigen, unter der Verantwortung des Anweisungsbefugten durchgeführten Überprüfungen, Rechnungsprüfungen oder Kontrollen festgestellt wurden;
b)
nicht endgültige Verwaltungsentscheidungen, die Disziplinarmaßnahmen umfassen können, die von der für die Prüfung der Einhaltung ethischer Normen des Berufsstandes zuständigen Aufsichtsbehörde ergriffen wurden;
c)
Beschlüsse der EZB, der EIB, des Europäischen Investitionsfonds oder internationaler Organisationen;
d)
Entscheidungen der Kommission in Bezug auf den Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Union oder Entscheidungen einer zuständigen nationalen Behörde in Bezug auf den Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union oder gegen nationales Wettbewerbsrecht.

(3) Jede Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers nach den Artikeln 106 bis 108 oder, sofern anwendbar, jede Empfehlung des in Artikel 108 genannten Gremiums muss im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und insbesondere unter Berücksichtigung der Schwere der Umstände erfolgen, einschließlich ihrer Auswirkungen auf die finanziellen Interessen und den Ruf der Union, der seit dem Tatbestand verstrichenen Zeit, der Dauer ihres Bestehens, der Frage, ob es sich um einen Wiederholungsfall handelt und ob Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, der Höhe des betreffenden Betrags im Falle von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels oder anderer mildernder Umstände, wie etwa des Ausmaßes der vom öffentlichen Auftraggeber anerkannten Zusammenarbeit des Wirtschaftsteilnehmers mit der jeweils zuständigen Behörde und seines Beitrags zu den Ermittlungen oder der Offenlegung der Ausschlusssituation durch die in Absatz 10 dieses Artikels genannte Erklärung.

(4) Der öffentliche Auftraggeber schließt den Wirtschaftsteilnehmer aus, wenn sich eine Person, die Mitglied des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers ist oder darin Vertretungs-, Beschluss- oder Kontrollbefugnisse hat, in einer oder mehreren der in Absatz 1 Buchstaben c bis f genannten Situationen befindet. Ein Wirtschaftsteilnehmer wird darüber hinaus durch den öffentlichen Auftraggeber auch dann ausgeschlossen, wenn sich eine natürliche oder juristische Person, die unbegrenzt für die Schulden dieses Wirtschaftsteilnehmer haftet, in einer oder mehreren der in Absatz 1 Buchstaben a oder b genannten Situation befindet.

(5) Wird der Haushaltsplan im Wege der indirekten Mittelverwaltung mit Drittländern ausgeführt, kann die Kommission — gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Empfehlung des in Artikel 108 genannten Gremiums — nach dem in diesem Artikel vorgesehen Verfahren eine Ausschlussentscheidung treffen und/oder eine finanzielle Sanktion verhängen, sofern das nach Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe c betraute Drittland dies versäumt hat. Dies berührt nicht die Verantwortung des Drittlands, gemäß Artikel 60 Absatz 3 Unregelmäßigkeiten und Betrug vorzubeugen, aufzudecken, zu korrigieren und zu melden, oder eine Ausschlussentscheidung zu treffen oder finanzielle Sanktionen zu verhängen.

(6) In den in Artikel 106 Absatz 2 genannten Fällen kann der öffentliche Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer vorläufig ohne die vorherige Empfehlung des Gremiums gemäß Artikel 108 ausschließen, wenn die Teilnahme des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers an Vergabeverfahren eine ernste und unmittelbar drohende Gefahr für die finanziellen Interessen der Union darstellen würde. In diesen Fällen verweist der öffentliche Auftraggeber unverzüglich den Fall an das Gremium und trifft spätestens 14 Tage nach Erhalt der Empfehlung des Gremiums eine endgültige Entscheidung.

(7) Der öffentliche Auftraggeber schließt — gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Empfehlung des in Artikel 108 genannten Gremiums — einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an Vergabeverfahren nicht aus, wenn

a)
der Wirtschaftsteilnehmer Abhilfemaßnahmen nach Absatz 8 dieses Artikels getroffen und damit seine Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt hat; dies ist nicht auf den in Absatz 1 Buchstabe d dieses Artikels genannten Fall anwendbar;
b)
eine ununterbrochene Leistungserbringung für eine begrenzte Dauer bis zum Ergreifen von Abhilfemaßnahmen nach Absatz 8 dieses Artikels unerlässlich ist;
c)
ein solcher Ausschluss aufgrund der in Absatz 3 dieses Artikels genannten Kriterien unverhältnismäßig wäre.

Darüber hinaus findet Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels keine Anwendung beim Kauf von Lieferungen zu besonders günstigen Bedingungen bei Lieferanten, die ihre Geschäftstätigkeit endgültig aufgeben, oder bei Konkursverwaltern in einem Insolvenzverfahren, Vergleichen mit Gläubigern oder durch ähnliche im einzelstaatlichen Recht vorgesehene Verfahren.

In den Fällen, in denen nach den Unterabsätzen 1 und 2 dieses Absatzes kein Ausschluss stattfindet, gibt der öffentliche Auftraggeber die Gründe an, warum der Wirtschaftsteilnehmer nicht ausgeschlossen wird, und teilt diese dem in Artikel 108 genannten Gremium mit.

(8) Die in Absatz 7 genannten Maßnahmen, mit denen bezüglich der Ausschlusssituation Abhilfe geschaffen wird, können insbesondere Folgendes umfassen:

a)
Maßnahmen zur Aufdeckung der Ursachen der Umstände, die zum Ausschluss geführt haben, sowie konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen in dem maßgeblichen Geschäftsbereich des Wirtschaftsteilnehmers, damit ein solches Verhalten berichtigt wird und in Zukunft nicht mehr vorkommt;
b)
den Nachweis, dass der Wirtschaftsteilnehmer Maßnahmen zur Entschädigung oder Wiedergutmachung des Schadens oder Nachteils für die finanziellen Interessen der Union ergriffen hat, dem der Tatbestand zugrunde liegt, der zu der Ausschlusssituation geführt hat;
c)
den Nachweis, dass der Wirtschaftsteilnehmer die von einer zuständigen Behörde verhängten Geldbußen bzw. die Steuern oder Sozialbeiträge nach Absatz 1 Buchstabe b gezahlt hat bzw. die Zahlung gewährleistet ist.

(9) Der öffentliche Auftraggeber revidiert — gegebenenfalls unter Berücksichtigung der überarbeiteten Empfehlung des Gremiums nach Artikel 108 — von Amts wegen oder auf Antrag eines ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmers unverzüglich seine Entscheidung zum Ausschluss des Wirtschaftsteilnehmers, sofern dieser ausreichende Abhilfemaßnahmen getroffen hat, um seine Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen, oder neue Sachverhalte eingebracht hat, mit denen er nachweisen kann, dass die Ausschlusssituation nach Artikel 106 Absatz 1 nicht mehr besteht.

(10) Der Bewerber oder Bieter erklärt zum Zeitpunkt der Abgabe des Teilnahmeantrags oder des Angebots, ob eine der in Absatz 1 dieses Artikels oder in Artikel 107 Absatz 1 genannten Situationen auf ihn zutrifft oder ob er gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen nach Absatz 7 Buchstabe a dieses Artikels getroffen hat. Der Bewerber oder Bieter legt gegebenenfalls die gleiche Erklärung vor, die von einer Einrichtung unterschrieben ist, deren Kapazitäten er in Anspruch nehmen will. Der öffentliche Auftraggeber kann allerdings bei sehr geringen Auftragswerten von diesen Anforderungen absehen; diese Auftragswerte sind in den gemäß Artikel 210 erlassenen delegierten Rechtsakten zu definieren.

(11) Sofern es für eine angemessene Durchführung des Verfahrens erforderlich ist, legen der Bewerber oder der Bieter sowie die Einrichtung, deren Kapazitäten der Bewerber oder der Bieter in Anspruch nehmen will, auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers Folgendes vor:

a)
geeignete Nachweise dafür, dass keine der in Absatz 1 genannten Ausschlusssituationen auf den Bewerber, den Bieter oder die Einrichtung zutrifft;
b)
Auskunft über die Personen, die Mitglied des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Bewerbers, Bieters oder der Einrichtung sind oder darin Vertretungs-, Beschluss- oder Kontrollbefugnisse haben, sowie geeignete Nachweise dafür, dass keine der in Absatz 1 Buchstaben c bis f genannten Ausschlusssituationen auf eine oder mehrere dieser Personen zutrifft;
c)
geeignete Nachweise dafür, dass keine der in Absatz 1 Buchstabe a oder b genannten Ausschlusssituationen auf die natürlichen oder juristischen Personen zutrifft, die unbegrenzt für die Schulden dieses Bewerbers oder Bieters oder der Einrichtung haften.

(12) Der öffentliche Auftraggeber kann die Absätze 1 bis 11 auch auf einen Unterauftragnehmer anwenden. In einem solchen Fall verlangt der öffentliche Auftraggeber von einem Bewerber oder Bieter, einen Unterauftragnehmer oder eine Einrichtung, deren Kapazitäten der Bewerber oder der Bieter in Anspruch nehmen will, zu ersetzen, wenn eine Ausschlusssituation auf ihn bzw. sie zutrifft.

(13) Um eine abschreckende Wirkung zu erzielen, kann der öffentliche Auftraggeber — gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Empfehlung des in Artikel 108 genannten Gremiums — eine finanzielle Sanktion gegen einen Wirtschaftsteilnehmer verhängen, der versucht hat, Mittel der Union zu erlangen, indem er an Vergabeverfahren teilgenommen oder die Teilnahme beantragt hat, obwohl einer der folgenden Ausschlussgründe auf ihn zutrifft, ohne dass er dies gemäß Absatz 10 dieses Artikels erklärt hätte:

a)
bezüglich der Situationen nach Absatz 1 Buchstaben c, d, e und f dieses Artikels als Alternative zu einer Entscheidung, den Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, wenn dies nach den Kriterien in Absatz 3 dieses Artikels unverhältnismäßig wäre;
b)
bezüglich der Situationen nach Absatz 1 Buchstaben c, d und e dieses Artikels zusätzlich zu einem Ausschluss, der zum Schutz der finanziellen Interessen der Union erforderlich ist, wenn der Wirtschaftsteilnehmer ein systematisches und wiederholtes Verhalten gezeigt hat in der Absicht, unrechtmäßig Mittel der Union zu erlangen.

Die Höhe der finanziellen Sanktion ist zwischen 2 % und 10 % des Gesamtwerts des Auftrags anzusetzen.

(14) Die Dauer des Ausschlusses soll folgende Zeiträume nicht überschreiten:

a)
die gegebenenfalls durch die rechtskräftige Gerichts- oder die endgültige Verwaltungsentscheidung eines Mitgliedstaates festgelegte Dauer,
b)
fünf Jahre für die in Absatz 1 Buchstabe d genannten Fälle,
c)
drei Jahre für die in Absatz 1 Buchstaben c, e und f genannten Fälle.

Ein Wirtschaftsteilnehmer wird ausgeschlossen, solange die in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Situationen auf ihn zutreffen.

(15) Die Verjährungsfrist für den Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers und/oder die Verhängung finanzieller Sanktionen gegen ihn beträgt fünf Jahre, jeweils ab dem folgenden Zeitpunkt:

a)
ab dem Zeitpunkt des Verhaltens, das zu dem Ausschluss geführt hat, oder — bei anhaltenden oder wiederholten Handlungen — ab dem Ende des Verhaltens, in den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben b, c, d und e dieses Artikels;
b)
ab dem Erlass des rechtskräftigen einzelstaatlichen Gerichtsurteils oder der endgültigen Verwaltungsentscheidung in Fällen nach Absatz 1 Buchstaben b, c und d dieses Artikels.

Die Verjährungsfrist wird durch eine Handlung der Kommission, des OLAF, des Gremiums gemäß Artikel 108 oder einer sonstigen, an der Ausführung des Haushaltsplans beteiligten Einrichtung unterbrochen; diese wird dem Wirtschaftsteilnehmer mitgeteilt und muss Untersuchungen oder ein Gerichtsverfahren betreffen. An dem auf die Unterbrechung folgenden Tag beginnt eine neue Verjährungsfrist.

Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe f dieses Artikels gilt für den Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers und/oder die Verhängung finanzieller Sanktionen gegen ihn die in Artikel 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 vorgesehene Verjährungsfrist.

Fällt das Verhalten des Wirtschaftsteilnehmers unter mehrere der in Absatz 1 dieses Artikels aufgeführte Gründe, ist die Verjährungsfrist des schwerwiegendsten dieser Gründe anzuwenden.

(16) Um die abschreckende Wirkung des Ausschlusses und/oder der finanziellen Sanktion, falls erforderlich, noch zu verstärken veröffentlicht die Kommission vorbehaltlich der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers folgende Informationen über den Ausschluss bzw. die finanzielle Sanktion in den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben c, d, e und f dieses Artikels auf ihrer Internetseite:

a)
den Namen des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers,
b)
die Ausschlusssituation nach Artikel 106 Absatz 1,
c)
die Dauer des Ausschlusses und/oder die Höhe der finanziellen Sanktion.

Wurde die Entscheidung über den Ausschluss und/oder die finanzielle Sanktion auf Grundlage einer vorläufigen rechtlichen Bewertung nach Absatz 2 dieses Artikels getroffen, ist in der Veröffentlichung darauf hinzuweisen, dass keine rechtskräftige Gerichts- bzw. endgültige Verwaltungsentscheidung vorliegt. In diesen Fällen werden Informationen über Berufungsverfahren, deren Stand und Ergebnisse sowie revidierte Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers unverzüglich veröffentlicht. Wenn es sich um eine finanziellen Sanktion handelt, wird in der Veröffentlichung auch angegeben, ob die Sanktion bezahlt wurde.

Die Entscheidung über die Veröffentlichung der Informationen wird vom öffentlichen Auftraggeber je nach Lage des Falles entweder aufgrund einer einschlägigen rechtskräftigen Gerichts- bzw. endgültigen Verwaltungsentscheidung oder aufgrund der Empfehlung des in Artikel 108 genannten Gremiums getroffen. Diese Entscheidung wird drei Monate nach ihrer Übermittlung an den Wirtschaftsteilnehmer wirksam.

Die veröffentlichten Informationen werden wieder gelöscht, sobald der Ausschluss ausgelaufen ist. Bei finanziellen Sanktionen wird die Veröffentlichung sechs Monate nach Zahlung dieser Sanktion gelöscht.

Im Falle von personenbezogenen Daten weist der öffentliche Auftraggeber den Wirtschaftsteilnehmer gemäß der Verordnung (EU) Nr. 45/2001 auf seine Rechte im Rahmen der anwendbaren Datenschutzvorschriften und auf die Verfahren für die Ausübung dieser Rechte hin.

(17) Die Informationen nach Absatz 16 dieses Artikels werden unter den folgenden Umständen nicht veröffentlicht:

a)
wenn die Vertraulichkeit einer Untersuchung oder eines einzelstaatlichen Gerichtsverfahrens gewahrt werden muss;
b)
wenn aufgrund der in Absatz 3 dieses Artikels genannten Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Höhe der finanziellen Sanktion eine Veröffentlichung dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer unverhältnismäßig großen Schaden zufügen würde oder anderweitig unverhältnismäßig wäre;
c)
wenn natürliche Personen betroffen sind, es sei denn, die Veröffentlichung personenbezogener Daten ist u.a. durch die Schwere des Verhaltens oder seiner Auswirkungen auf die finanziellen Interessen der Union ausnahmsweise gerechtfertigt. In diesen Fällen sind bei der Entscheidung über die Veröffentlichung von Informationen das Recht auf Privatsphäre und andere in der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 festgelegten Rechte gebührend zu berücksichtigen.

(18) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 210 zu erlassen zur Festlegung detaillierter Vorschriften über den Inhalt der in Absatz 10 dieses Artikels genannten Erklärung, über den in Absatz 11 Buchstabe a dieses Artikels genannten Nachweis, dass keine der Ausschlusssituationen auf den Wirtschaftsteilnehmer zutrifft, auch unter Hinweis auf die in Artikel 59 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU vorgesehene Einheitliche Europäische Eigenerklärung, und über die Umstände, unter denen der öffentliche Auftraggeber die Vorlage einer solchen Erklärung oder eines solchen Nachweises verlangen kann.

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 316 vom 27.11.1995, S. 48.

(2)

ABl. C 195 vom 25.6.1997, S. 1.

(3)

Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54).

(4)

Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42).

(5)

Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15).

(6)

Rahmenbeschluss 2002/475/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. L 164 vom 22.6.2002, S. 3).

(7)

Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1).

(8)

Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312 vom 23.12.1995, S. 1).

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