§ 10 WpDVerOV

Getrennte Vermögensverwahrung

(1) Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen bei der Auswahl, Beauftragung und regelmäßigen Überwachung von Dritten, bei denen sie nach § 84 Absatz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes Kundengelder halten oder bei denen sie Kundenfinanzinstrumente verwahren, mit der erforderlichen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vorgehen und im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht die Notwendigkeit der Aufteilung der Kundengelder auf verschiedene Dritte prüfen. Soweit es sich bei dem Dritten nicht um eine Zentralbank handelt, müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen in den Fällen des Satzes 1 der fachlichen Eignung und der Zuverlässigkeit sowie den relevanten Vorschriften und Marktpraktiken des Dritten im Zusammenhang mit dem Halten von Kundengeldern und der Verwahrung von Kundenfinanzinstrumenten Rechnung tragen.

(2) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf in den Fällen des Absatzes 1 Kundenfinanzinstrumente bei einem Dritten in einem Drittland hinterlegen, wenn die Verwahrung von Finanzinstrumenten für Rechnung einer anderen Person in dem Drittland besonderen Vorschriften und einer besonderen Aufsicht unterliegt und der Dritte von diesen Vorschriften und dieser Aufsicht erfasst ist. Sofern in einem Drittland die Verwahrung von Finanzinstrumenten für Rechnung einer anderen Person nicht geregelt ist, darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kundenfinanzinstrumente bei einem Dritten in diesem Drittland nur hinterlegen, wenn die Verwahrung wegen der Art der betreffenden Finanzinstrumente oder der mit diesen verbundenen Wertpapierdienstleistungen nur bei diesem erfolgen kann oder ein professioneller Kunde das Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Textform angewiesen hat, die Finanzinstrumente bei einem Dritten in diesem Drittstaat zu verwahren.

(3) Die Anforderungen nach Absatz 2 gelten auch dann, wenn der Dritte seine Aufgaben in Bezug auf das Halten und Verwahren von Finanzinstrumenten auf einen anderen Dritten übertragen hat.

(4) Um die Rechte von Kunden an ihren Kundengeldern nach § 84 Absatz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes und an ihren Finanzinstrumenten zu schützen, sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet,

1.
durch Aufzeichnungen und eine korrekte Buchführung jederzeit eine Zuordnung der von ihnen gehaltenen Gelder und Finanzinstrumente zu den einzelnen Kunden und deren Abgrenzbarkeit von eigenen Vermögenswerten zu gewährleisten,
2.
ihre Aufzeichnungen und Bücher regelmäßig mit denen aller Dritten, bei denen sie Kundengelder nach § 84 Absatz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes halten oder Kundenfinanzinstrumente verwahren, abzugleichen,
3.
Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, dass Kundengelder, die von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das nicht über eine Erlaubnis nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Kreditwesengesetzes verfügt, bei einer Zentralbank, einem Kreditinstitut, einem in einem Drittstaat zugelassenen vergleichbaren Kreditinstitut oder einem qualifizierten Geldmarktfonds gehalten werden, auf einem oder mehreren separaten Konten geführt werden, die von allen anderen Konten, auf denen Gelder des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gebucht werden, getrennt sind,
4.
Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, dass alle bei einem Dritten verwahrten Finanzinstrumente der Kunden durch unterschiedliche Bezeichnung der in der Buchführung des Dritten geführten Konten oder durch Maßnahmen, die ein vergleichbares Schutzniveau gewährleisten, von den Finanzinstrumenten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und den Finanzinstrumenten des Dritten unterschieden werden können, und
5.
organisatorische Vorkehrungen zu treffen, um das Risiko eines Verlustes oder Teilverlustes von Kundengeldern oder Finanzinstrumenten der Kunden oder damit verbundenen Rechten durch Pflichtverletzungen so gering wie möglich zu halten.
Vertraut ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das über eine Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäfts nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 des Kreditwesengesetzes verfügt, Kundenfinanzinstrumente einem Kreditinstitut mit Sitz im Inland, das über eine Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäfts nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 des Kreditwesengesetzes verfügt oder das nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1) als Zentralverwahrer zugelassen ist, zur Verwahrung an, so gilt das Kreditinstitut nicht als Dritter im Sinne des Satzes 1 Nummer 4.

(5) Ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Einzelfall auf Grund anwendbarer Vorschriften, insbesondere sachenrechtlicher und insolvenzrechtlicher Vorschriften, nicht in der Lage, die Anforderungen nach Absatz 4 einzuhalten, kann die Bundesanstalt von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen verlangen, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um zu gewährleisten, dass die Vermögensgegenstände der Kunden geschützt sind.

(6) Sicherungsrechte, Pfandrechte oder Aufrechnungsrechte für Forderungen zugunsten Dritter, die nicht aus der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden erwachsen oder auf der Erbringung von Dienstleistungen des Dritten an den Kunden beruhen, dürfen von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht bestellt oder vereinbart werden, es sei denn, sie sind von dem anzuwendenden Recht eines Drittstaats vorgeschrieben, in dem die Gelder oder Finanzinstrumente der Kunden gehalten werden. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat seine Kunden unverzüglich zu unterrichten, wenn es zum Abschluss von Vereinbarungen verpflichtet ist, die Sicherungsrechte, Pfandrechte oder Aufrechnungsrechte nach Satz 1 begründen. Die Kunden sind auf die mit den Vereinbarungen verbundenen Risiken hinzuweisen. Vereinbart oder bestellt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Sicherungsrechte, Pfandrechte oder Aufrechnungsrechte in Bezug auf Finanzinstrumente oder Gelder von Kunden oder wird ihm mitgeteilt, dass solche Rechte kraft Gesetzes bestehen, hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die jeweiligen Rechte in die Kundenverträge und in seinen Büchern aufzunehmen, um die Eigentumsverhältnisse in Bezug auf die Vermögensgegenstände der Kunden, insbesondere für den Fall einer Insolvenz, klarzustellen.

(7) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 84 Absatz 6 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes die unbefugte Verwendung von Kundenfinanzinstrumenten für eigene Rechnung oder für Rechnung einer anderen Person zu verhindern, beispielsweise

1.
mit jedem Kunden eine Vereinbarung zu schließen über die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu treffenden Maßnahmen für den Fall, dass die Bestände in dem Depot des Kunden am Erfüllungstag nicht ausreichen; zu diesen Maßnahmen zählen beispielsweise der Abschluss eines Wertpapierdarlehens im Namen des Kunden oder die Auflösung der jeweiligen Position,
2.
sicherzustellen, dass es Wertpapiere am Erfüllungstag voraussichtlich jeweils liefern kann und dafür zu sorgen, dass Abhilfemaßnahmen für den Fall ergriffen werden, dass die Fähigkeit zur Lieferung der Wertpapiere nicht gegeben ist, und
3.
die Lieferansprüche seiner Kunden in Bezug auf Wertpapiere zu überwachen und, sofern Wertpapiere am Erfüllungstag oder einem späteren Zeitpunkt nicht geliefert werden, diese unverzüglich bei der Gegenseite anzufordern.

(8) Im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der Verwendung von Finanzinstrumenten als Finanzsicherheiten in Form der Vollrechtsübertragung nach § 84 Absatz 8 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu berücksichtigen,

1.
ob zwischen der Verbindlichkeit des Kunden gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und der Verwendung von Finanzinstrumenten oder Geldern von Kunden als Finanzsicherheit in der Form der Vollrechtsübertragung nur ein sehr schwacher Bezug besteht, insbesondere, ob die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme des Kunden aus einer Verbindlichkeit gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen gering oder zu vernachlässigen ist,
2.
ob die Summe der als Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung verwendeten Finanzinstrumente oder Gelder von Kunden die Verbindlichkeiten des Kunden gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen weit übersteigen würde und
3.
ob sämtliche Finanzinstrumente oder Gelder eines Kunden als Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung verwendet werden, ohne dass berücksichtigt worden ist, welche Verbindlichkeiten des betreffenden Kunden gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestehen.

(9) Qualifizierte Geldmarktfonds im Sinne des § 84 Absatz 2 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes sind Investmentvermögen,

1.
die im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach Maßgabe der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32; L 269 vom 13.10.2010, S. 27), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/91/EU (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 186) geändert worden ist, oder einer Aufsicht über Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage unterstellt sind,
2.
die zur Erreichung ihres primären Anlageziels, das eingezahlte Kapital oder das eingezahlte Kapital zuzüglich der Erträge zu erhalten, ausschließlich in Geldmarktinstrumente angelegt sind, wenn
a)
sie über eine Restlaufzeit von nicht mehr als 397 Tagen verfügen oder ihre Rendite regelmäßig, mindestens jedoch alle 397 Tage, an die Bedingungen des Geldmarktes angepasst wird,
b)
sie eine gewichtete durchschnittliche Restlaufzeit von 60 Tagen haben und
c)
die Investition ausschließlich in erstklassige Geldmarktinstrumente erfolgt,
wobei ergänzend die Anlage in Guthaben bei einem Kreditinstitut, einer Zweigniederlassung von Kreditinstituten im Sinne des § 53b Absatz 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes oder vergleichbaren Instituten mit Sitz in einem Drittstaat zulässig ist, und
3.
deren Wertstellung spätestens an dem auf den Rücknahmeauftrag des Anlegers folgenden Bankarbeitstag erfolgt.
Ein Geldmarktinstrument ist erstklassig im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 Buchstabe c, wenn die Kapitalverwaltungsgesellschaft des Geldmarktfonds eine eigene dokumentierte Bewertung der Kreditliquidität des betreffenden Geldmarktinstruments durchgeführt hat, die es ihr ermöglicht, ein Geldmarktinstrument als erstklassig anzusehen. Sofern eine oder mehrere von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde registrierte und beaufsichtigte Ratingagenturen ein Rating in Bezug auf das Geldmarktinstrument abgegeben haben, sollen die verfügbaren Kreditratings bei der internen Bewertung der Kapitalverwaltungsgesellschaft berücksichtigt werden.

(10) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat der Bundesanstalt, einem bestellten Insolvenzverwalter und, sofern zutreffend, der zuständigen Abwicklungsbehörde auf Anfrage zur Verfügung zu stellen:

1.
Aufzeichnungen von internen Konten und Aufzeichnungen, aus denen die Salden der für jeden einzelnen Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gehaltenen Gelder und Finanzinstrumente hervorgehen,
2.
sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kundengelder bei einer Zentralbank, einem Kreditinstitut, einem vergleichbaren ausländischen Institut oder einem qualifizierten Geldmarktfonds hinterlegt, Angaben zu den Konten, auf denen die Kundengelder gehalten werden, sowie zu diesbezüglichen Vereinbarungen mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen,
3.
sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Finanzinstrumente von Kunden bei einem Dritten verwahrt, Angaben zu den bei dem Dritten eröffneten Konten und Depots sowie zu den diesbezüglichen Vereinbarungen mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen,
4.
Angaben zu Dritten, die ausgelagerte Aufgaben des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ausführen, und Angaben zu den ausgelagerten Aufgaben,
5.
Angaben zu den Mitarbeitern des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die für die Verwahrung von Finanzinstrumenten und Geldern von Kunden verantwortlich oder daran beteiligt sind, und zu den Mitarbeitern, die für die Einhaltung der Anforderungen, die zum Schutz der Vermögensgegenstände von Kunden gelten, verantwortlich sind, und
6.
die Vereinbarungen, die zur Feststellung der Eigentumsverhältnisse an den Vermögensgegenständen von Kunden relevant sind.

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