Anlage 2 RL 93/14/EWG

Vorschriften für zweirädrige Kleinkrafträder, Krafträder ohne Beiwagen und Dreiradfahrzeuge, die mit automatischen Blockierverhinderern ausgerüstet sind

1.
ALLGEMEINE BEMERKUNGEN

1.1.
Zweck dieser Bestimmungen ist die Festlegung der Mindestanforderungen für Bremssysteme mit einem automatischen Blockierverhinderer, die in zweirädrigen Kleinkrafträdern, Krafträdern ohne Beiwagen und Dreiradfahrzeugen eingebaut sind. Der Einbau von automatischen Blockierverhinderern wird durch diese Bestimmungen nicht zwingend vorgeschrieben. Ist ein Fahrzeug jedoch mit einer solchen Vorrichtung ausgerüstet, so muß sie den nachstehenden Vorschriften entsprechen.
1.2.
Die gegenwärtig bekannten Vorrichtungen umfassen einen oder mehrere Sensoren, Auswerteglieder und Stellglieder. Vorrichtungen anderer Bauart gelten im Rahmen dieser Anlage als automatische Blockierverhinderer, wenn ihre Wirkungen den in dieser Anlage vorgeschriebenen mindestens gleichwertig sind.

2.
BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

In dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

2.1.
Automatischer Blockierverhinderer

bezeichnet den Teil der Betriebsbremsanlage, der während der Bremsung selbsttätig den Schlupf in der Drehrichtung des Rades (der Räder) an einem oder mehreren Rädern des Fahrzeugs während der Bremsung regelt.

2.2.
Sensor

bezeichnet das Teil, das die Drehbewegung des Rades (der Räder) oder das dynamischen Verhalten des Fahrzeugs erfaßt und an das Auswerteglied weiterleitet.

2.3.
Auswerteglied

bezeichnet das Teil, das dazu bestimmt ist, die von dem (den) Sensor(en) übermittelten Daten auszuwerten und ein Signal an das Stellglied weiterzugeben.

2.4.
Stellglied

bezeichnet das Teil, das die Bremskraft (-kräfte) in Übereinstimmung mit dem vom Auswerteglied erhaltenen Signal verändert.

3.
ART UND MERKMALE DES SYSTEMS

3.1.
Jedes geregelte Rad ist so auszulegen, daß es zumindest seine eigene Vorrichtung in Gang setzen kann.
3.2.
Jede Unterbrechung der Stromversorgung zum automatischen Blockierverhinderer bzw. der elektrischen Leitungen außerhalb des (der) elektronischen Auswerteglieds(er) muß dem Fahrer durch (eine) spezielle optische Warneinrichtung(en) angezeigt werden, die auch bei Tageslicht erkennbar ist (sind); ihre einwandfreie Funktion muß vom Fahrer leicht geprüft werden können(1).
3.3.
Bei Ausfall des automatischen Blockierverhinderers darf die Bremswirkung bei einem beladenen Fahrzeug nicht unter dem niedrigeren der beiden für das Fahrzeug vorgeschriebenen Werte gemäß Punkt 2.1.2.2 bzw. 2.1.2.3 der Anlage 1 liegen.
3.4.
Die Funktion des automatischen Blockierverhinderers darf nicht durch elektromagnetische Felder beeinträchtigt werden(2).
3.5.
Die automatischen Blockierverhinderer müssen bei einer Vollbremsung von beliebiger Dauer funktionstüchtig bleiben.

4.
KRAFTSCHLUSSAUSNUTZUNG

4.1.
Allgemeines

4.1.1.
Bei Krafträdern ohne Beiwagen und Dreiradfahrzeugen gelten die mit automatischen Blockierverhinderern ausgerüsteten Bremsanlagen als ausreichend, wenn die Bedingung

ε ≥ 0,70

erfüllt ist, wobei ε die Kraftschlußausnutzung bedeutet, wie im Addendum zu dieser Anlage definiert(3).

4.1.2.
Die Kraftschlußausnutzung ε wird auf Straßenoberflächen mit einem Kraftschlußbeiwert von jeweils höchstens 0,45 und mindestens 0,8 ermittelt.
4.1.3.
Die Prüfungen werden mit unbeladenem Fahrzeug durchgeführt.
4.1.4.
Das Prüfverfahren zur Bestimmung des Kraftschlußbeiwerts (K) und die Formel zur Berechnung der Kraftschlußausnutzung sind im Addendum zu dieser Anlage vorgeschrieben.

5.
ZUSATZPRÜFUNGEN

5.1.
Die nachstehenden Zusatzprüfungen sind mit unbeladenem Fahrzeug durchzuführen.
5.1.1.
Ein durch einen automatischen Blockierverhinderer geregeltes Rad darf auf keiner der beiden in Punkt 4.1.2 beschriebenen Fahrbahnoberflächen blockieren, wenn die Bremsanlage plötzlich voll betätigt wird(4), wobei die Prüfung bei Ausgangsgeschwindigkeiten bis zu 0,8 Vmax durchgeführt wird, jedoch ohne 80 km/h zu übersteigen(5).
5.1.2.
Beim Übergang eines durch einen automatischen Blockierverhinderer geregelten Rades von einer Oberfläche mit hohem Kraftschlußbeiwert auf eine solche mit niedrigem Kraftschlußbeiwert gemäß Punkt 4.1.2, während die Bremsanlage voll betätigt wird(4), darf das Rad nicht blockieren. Die Fahrgeschwindigkeit und der Zeitpunkt der Bremsbetätigung sind so zu berechnen, daß, wenn der automatische Blockierverhinderer auf der Oberfläche mit hohem Kraftschlußbeiwert voll regelt, der Übergang von einer Fahrbahnoberfläche zur anderen bei einer Geschwindigkeit von etwa 0,5 Vmax erfolgt, ohne 50 km/h zu überschreiten.
5.1.3.
Beim Übergang eines Fahrzeugs von einer Oberfläche mit niedrigem Kraftschlußbeiwert auf eine solche mit hohem Kraftschlußbeiwert gemäß Punkt 4.1.2, während die Bremsanlage voll betätigt wird(4) muß die Fahrzeugverzögerung innerhalb einer annehmbaren Zeit auf den entsprechenden Wert ansteigen, und das Fahrzeug darf nicht von seinem ursprünglichen Kurs abweichen. Die Fahrgeschwindigkeit und der Zeitpunkt der Bremsbetätigung müssen so gewählt werden, daß, wenn der automatische Blockierverhinderer auf der Oberfläche mit niedrigem Kraftschlußbeiwert voll regelt, der Übergang von einer Fahrbahnoberfläche zur anderen bei etwa 0,5 Vmax erfolgt, ohne 50 km/h zu übersteigen.
5.1.4.
Sind beide unabhängigen Bremsanlagen mit einem automatischen Blockierverhinderer ausgerüstet, sind die in den Punkten 5.1.1, 5.1.2 und 5.1.3 vorgeschriebenen Prüfungen bei gleichzeitiger Verwendung der beiden unabhängigen Bremsanlagen durchzuführen, wobei die Fahrstabilität nicht beeinflußt werden darf.
5.1.5.
Bei den in den Punkten 5.1.1, 5.1.2, 5.1.3 und 5.1.4 vorgesehenen Prüfungen sind jedoch kurze Zeiten des Blockierens und Ausbrechens der Räder zugelassen, vorausgesetzt die Fahrstabilität wird dadurch nicht beeinträchtigt. Außerdem ist ein Blockieren der Räder erlaubt, wenn die Fahrgeschwindigkeit niedriger als 10 km/h ist.

Fußnote(n):

(1)

Das elektronische Auswerteglied bzw. alle Leitungssysteme sind vom technischen Dienst zur Bestimmung möglicher Ausfallursachen zu prüfen.

(2)

Bis zur Einführung einheitlicher Prüfverfahren unterrichten die Hersteller die technischen Dienste über die angewendeten Prüfverfahren und die erzielten Ergebnisse.

(3)

Für zweirädrige Kleinkrafträder ist der ermittelte Wert in das Prüfprotokoll aufzunehmen, solange kein Mindestwert für ε festgelegt ist.

(4)

Bei einer „vollen Betätigung der Bremsanlage” wird die in Punkt 2.4 der Anlage 1 für die Fahrzeugklasse vorgeschriebene Höchstkraft aufgewendet: Eine größere Kraft kann angewendet werden, um den automatischen Blockierverhinderer zum Ansprechen zu bringen.

(5)

Auf Oberflächen mit niedrigem Kraftschlußbeiwert (≤ 0,35) kann die Ausgangsgeschwindigkeit aus Sicherheitsgründen herabgesetzt werden: In diesem Fall sind der K-Wert und die Ausgangsgeschwindigkeit in das Prüfprotokoll aufzunehmen.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.